Feuilleton

Ausstellung: Von Mäusen und anderen Nagern

"Maus und Co. - klein, aber oho" heißt das Thema einer Sonderausstellung, die noch bis zum 28. Oktober im Naturkundemuseum Leipzig zu sehen ist. Anhand von Präparaten aus eigenen Beständen wird auf "falsche Mäuse" und "echte Verwandte", auf die Verbreitung der Nagetiere, ihre Lebensgewohnheiten und die Bedeutung im Ökosystem sowie die Stellung einiger Spezies als Kulturfolger und Versuchstiere eingegangen.

Hamster unter Naturschutz

Vor dem ersten Spatenstich auf einem Gewerbegrundstück in Wiedemar bei Leipzig müssen die Feldhamster umziehen. Noch vor wenigen Jahren von den Landwirten als Schädlinge bekämpft, ist der Bestand dieser Spezies erheblich dezimiert worden. Mittlerweile steht Cricetus cricetus, der zu den einheimischen Nagetieren zählt, unter Naturschutz. Deshalb wurde für die Wiedemarer Hamster eine Ersatzfläche reserviert, auf der sie als eine der letzten Populationen Sachsen neu angesiedelt werden sollen. Noch ist nicht sicher, ob das Projekt erfolgreich sein wird.

Eine große Familie

Nagetiere (Rodentia) repräsentieren mit weltweit dreitausend Arten die größte Ordnung der Säugetiere. Mit Ausnahme der Antarktis sind sie auf allen Kontinenten verbreitet. Die Mäuseartigen (Murinae) - sie stellen etwa ein Drittel aller Nagetier-Spezies - leben in Höhenlagen bis zu 6000 Meter, wie etwa Arten der Gattung Alticola.

Andere Arten der Mäuseverwandtschaft haben sich auf Wiesen, Brachflächen oder Steppen spezialisiert. Unterirdisch lebende Spezies, wie etwa die nordeurasischen Lemminge und die einheimische Feldmaus, legen weitverzweigte Gangsysteme an. Gelbhalsmäuse wiederum nisten in bis zu zwanzig Meter hoch gelegenen Baumhöhlen. Wenngleich ihr Habitus und ihre Körpergröße von den populären Vorstellungen einer Maus erheblich abweichen, sind das südamerikanische Wasserschwein und das Stachelschwein doch mit der Maus eng verwandt. Bei ihnen allen ist das Gebiss mit je einem Paar wurzelloser, meißelförmiger Schneidezähne an Ober- und Unterkiefer ausgestattet. Weil die Eckzähne fehlen, befindet sich zwischen Schneide- und Backenzähnen ein Diastema.

Falsche "Mäuse"

Spitzmäuse, Fledermäuse und andere Spezies werden zwar von Laien gern den Murinae zugeordnet. Aus zoologischer Sicht gehören sie jedoch anderen Ordnungen an. Gerade aufgrund ihrer Kleinwüchsigkeit wurde die Hausmaus aber populär. Kein Wunder, dass andere Kleinsäuger, die ihr ähneln, als Verwandte eingestuft wurden.

Die Maus als Haustier

Die Griechen hielten Mus musculus als göttliche Sendboten in Tempeln. Bereits in dieser Epoche wurde der Begriff "Mäuschen" geprägt. Im Mittelalter glaubte man, dass mit dem Pulver getrockneter Mäuse Epilepsie, Verstopfung und andere Leiden kuriert werden könnten. Gerade Kulturfolger wie die Hausmaus, die Haus- und die Wanderratte sind indessen nicht nur Nahrungskonkurrenten des Menschen, sondern auch Überträger von Krankheiten wie Pest, Typhus und Salmonellose. Es ist nicht genau bekannt, wann Hausmäuse und Wanderratten in Japan domestiziert wurden. Im 19. Jahrhundert wurde es dann auch in Europa üblich, Mus musculus f. domesticus und Rattus norvegicus f. domesticus als Labortiere zu züchten.

Mäuse und Ratten in der Forschung

Die Blutzusammensetzung beider Zuchtformen ähnelt weitgehend der menschlichen. Auch zeichnen sich die Kleinsäuger durch ein Höchstmaß an Anpassungsfähigkeit aus. Wanderratten drangen durch Verschleppung auf Schiffen bis in die Antarktisstationen vor. Und es wurden schon in Gefrierhäusern Hausmäuse entdeckt, die sich in Schweinehälften hineingefressen und auf diese Weise Temperaturen von minus zwanzig Grad Celsius überlebt hatten.

Schließlich ist die hohe Reproduktionsquote zahlreicher Mäusearten ein interessanter Aspekt für die Verwendung in der Forschung. Den absoluten Rekord erreichte eine Feldmaus, die innerhalb eines Jahres unter Laborbedingungen in 16 Würfen 128 Junge zur Welt brachte. In freier Wildbahn wirkt indessen die Natur regulierend: Mäuse sind einerseits beliebte Beutetiere und insofern auch wichtige Glieder in der Nahrungskette. Andererseits stagniert die Fortpflanzung, wenn eine Population auf einen Bestand von tausend Tieren pro Hektar angewachsen ist. Durch Kannibalismus erfolgt dann eine natürliche Dezimierung.

Heutzutage sind Mäuse und Ratten aufgrund der reduzierten Vorratshaltung und erheblich besserer hygienischer Bedingungen erheblich seltener in Häusern und Wohnungen zu Gast als noch vor wenigen Jahrzehnten. Ob sie aber irgendwann so stark dezimiert werden wie die Feldhamster, erscheint heute kaum vorstellbar.

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