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INIFES-Analyse: Deutsche Versandapotheke könnte bis zu 500 Einsparungen realisi

Berlin (ks). Auf Deutschland beschränkte Versandapotheken, die neben Präsenzapotheken bestehen sollen, könnten kurz- und mittelfristig Einsparungen von 400 bis 500 Millionen Mark realisieren - auf lange Sicht sogar noch mehr. Sie stellen zudem eine verbraucherfreundliche Alternative für Patienten mit Dauermedikation und chronisch Kranke dar. Zu diesem Schluss kommt das Internationale Institut für empirische Sozialökonomie (INIFES), das am vergangenen Montag in Berlin seine "Analyse potenzieller Auswirkungen einer Ausweitung des Pharmaversandes in Deutschland" vorgestellt hat. Gleichzeitig hat INIFES ein mögliches Modell für nationale Versandapotheken erarbeitet - ehe dieses umgesetzt werden könnte, bedürfte es allerdings einiger Gesetzesänderungen.

Prof. Dr. Martin Pfaff, wissenschaftlicher Direktor des in Augsburg ansässigen INIFES, SPD-Bundestagsmitglied und ehemaliges Mitglied des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, stellte gemeinsam mit seinem Projektteam die Ergebnisse seiner zweijährigen Studie zu einer neuen Vertriebsform von apothekenpflichtigen Arzneimitteln vor. Pfaff betonte, sein Institut stehe für eine vorurteilsfreie, offene und sachliche Diskussion über Themen von öffentlichem Interesse. Eingeladen waren daher Vertreter sämtlicher Sparten: unter anderem solche der Apotheker, Ärzte, Krankenkassen und der pharmazeutischen Industrie. Ebenso waren Politiker, Mitarbeiter wissenschaftlicher Institutionen und Juristen zugegen.

Ausgangslage: regulierte Distributionswege

Ausgangslage für die Analyse war der Umstand, dass für apothekenpflichtige Arzneimittel regulierte Distributionswege bestehen: sie dürfen nur in der Apotheke abgegeben werden. Aus dem festgelegten Vertrieb über Großhandel und Apotheke resultiere ein Vertriebskostenanteil von fast einem Drittel des Arzneimittelpreises. Zielsetzung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei "eine gute Versorgung der Versicherten im Krankheitsfall auf qualitativ hohem Niveau zu zumutbaren Beiträgen sicherzustellen. (...) Diese hohen Anforderungen an den Versorgungsstandard müssen durch einen effizienten und zielorientierten Einsatz der Finanzmittel bei einer dauerhaften Stabilisierung der Beitragssätze erreicht werden". Da sich die Ausgabenentwicklung der GKV im Arzneimittelbereich als besonders problematisch erweise, führe die Diskussion um Reformoptionen auch in die Richtung des Distributionskanals Apotheke. Es war daher zu überprüfen, ob das Versandhandlesverbot nur zur Wahrung des Besitzstandes der Apotheker gesetzlich verankert bleiben soll oder tatsächlich andere Gründe dahinter stehen.

Erkenntnisse aus Telefon-Interviews

Pfaff betonte mehrmals, dass in der INIFES-Studie alle positiven und negative Aspekte Eingang fanden. Dies führte zu der These, dass Versandapotheken insbesondere für Patienten mit planbarer Dauermedikation, Chroniker und in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen vorteilhaft erscheinen. Eine Telefon-Befragung von potenziellen Kunden, Apothekern und Ärzten - durchgeführt vom Bielefelder Meinungsforschungsinstitut TNS EMNID - sollte Erwartungen, Wünsche und Befürchtungen im Zusammenhang mit Versandapotheken herausfinden. Knapp 2000 Interviews wurden für die Studie ausgewertet.

Das Modell einer nationalen Versandapotheke

Als Ergebnis der Analyse stellte INIFES ein mögliches Modell einer Versandapotheke vor. Dieses sei strikt von den herrschenden Vorstellungen zu Internet-Apotheken abzugrenzen. Die INIFES-Versandapotheke ist auf einen Versand in Deutschland beschränkt und muss die gleichen gesetzlichen Anforderungen erfüllen wie eine öffentliche Apotheke. Das heißt insbesondere, dass ein hoher Qualitätsstandard vorausgesetzt ist, der die Modell-Apotheke klar von unseriösen Internet-Anbietern unterscheidet. Ansonsten liegt der Unterschied zu Präsenzapotheken lediglich in den veränderten Kommunikationsstrukturen und der Arzneimittelabgabe per Versand. Zudem spielt der Arzt eine zentralere Rolle. Auch soll nicht das Internet vordergründiges Medium sein. Die Bestellungen sollen vielmehr telefonisch erfolgen. Zudem soll ein Datentransfer zwischen Arzt und Versandapotheke stattfinden: hier wird das Online-Rezept direkt an die Apotheke weitergeleitet - allerdings nur wenn der Patient sein Einverständnis gibt. Die Versandapotheke überprüft sodann die Verordnung und wendet sich bei Rückfragen an den Arzt. Im Anschluss werden die Medikamente entsprechend der Verschreibung zusammengestellt und an den Patienten verschickt. Die Verrechnung erfolgt mit den Krankenkassen. Ärztliche Leistungen werden von den Kassen wie gehabt mit den kassenärztlichen Vereinigungen abgerechnet.

Präsenzapotheken bleiben erhalten

Das Projektteam stellte heraus, dass die Versandapotheke in jedem Fall komplementär zu den Präsenzapotheken hinzutreten sollen. Sie sollen also lediglich ein Zusatz und kein Ersatz im bestehenden Apothekensystem sein. Auf Präsenzapotheken könne im Hinblick auf die akute Medikamentenversorgung keinesfalls verzichtet werden. INIFES verspricht sich von der Einführung einer derartigen Versandapotheke vor allem einen Abbau von Ineffizienzen im System sowie eine Qualitätsverbesserung. Die begleitenden Kostenersparnisse seien eher nachrangig.

Zuspruch und Ablehnung

Während sich Vertreter aus Wissenschaft, der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Betriebskrankenkassen positiv zu den Ergebnissen der Studie äußerten, signalisierte ABDA-Präsident Hans-Günter Friese klar eine ablehnende Haltung. Weder glaubt er an eine verbesserte Versorgung noch an die errechneten Einsparpotenziale. Auch sieht er die "Rosinenpickerei" durch das vorgeschlagene Versandmodell nicht ausgemerzt. Unterstützung erhielt Friese von dem Geschäftsführer des Bundesverbandes des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO) Hermann Ringenaldus. Als Auftraggeber der Studie outete Pfaff auf Nachfrage übrigens den "Verein zur Förderung der Kostenreduktion im Gesundheitswesen" - ein wenig bekannter Verein, wie sich aus den Reaktionen der Anwesenden schließen ließ.

Auf Deutschland beschränkte Versandapotheken, die neben Präsenzapotheken bestehen sollen, könnten kurz- und mittelfristig Einsparungen von 400 bis 500 Millionen Mark realisieren - auf lange Sicht sogar noch mehr. Sie stellen zudem eine verbraucherfreundliche Alternative für Patienten mit Dauermedikation und chronisch Kranke dar. Zu diesem Schluss kommt das Internationale Institut für empirische Sozialökonomie (INIFES), das am vergangenen Montag in Berlin seine "Analyse potenzieller Auswirkungen einer Ausweitung des Pharmaversandes in Deutschland" vorgestellt hat. Gleichzeitig hat INIFES ein mögliches Modell für nationale Versandapotheken erarbeitet - ehe dieses umgesetzt werden könnte, bedürfte es allerdings einiger Gesetzesänderungen.

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