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Wird diese Aufforderung nach dem Arzneimittelpass schon bald das Beratungsgespräch in der Apotheke eröffnen? Ausgelöst durch die im Zusammenhang mit Lipobay gemeldeten Nebenwirkungen und der Marktrücknahme dieses Präparats ist der Arzneimittelpass in Form einer Speicherchipkarte - wieder - ins Gespräch gekommen. Die Bundesgesundheitsministerin jedenfalls konnte sich schon mächtig damit anfreuden - nach Gesprächen mit Ärzte- und Apothekervertretern.

Ein Arzneimittelpass ist eigentlich eine "olle Kamelle", die sich bisher allerdings nie richtig durchsetzen konnte. Schon vor zehn, zwanzig Jahren, als es die Chiptechnologie in der heutigen Form noch nicht gab, stand der Pass in Form eines Heftchens in der Diskussion, in das der Apotheker jedes gekaufte und verordnete Medikament per Hand eintragen sollte. Diese Urform des Arzneipasses konnte sich aber nicht durchsetzen weder bei Patienten noch in den Fachkreisen. Als die Chipkartentechnologie marktreif war, präsentierte die ABDA bereits auf dem Apothekertag 1993 die "A-Card", die sich zum Dauerbrenner-Thema entwickelte, aber bis heute aufgrund Abstimmungsproblemen mit Datenschützern, Krankenkassen und Ärzteverbänden, begleitet von Feldversuchen, dahin vegetiert. Als die Planung von Seiten der Krankenkassen in Richtung elektronisches Rezept ging, hatte eine A-Card, auf der nur die Medikation gespeichert ist, schlechte Karten.

Die ABDA versuchte Ex-Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer und ihre amtierende Kollegin Ulla Schmidt von der A-Card zu überzeugen - beide erhielten aus der Hand von ABDA-Vertretern ihr persönliches Kärtchen -, aber ohne großen Erfolg.

Erst der Lipobay-Rückruf scheint nun die Entwicklung eines elektronischen Arzneimittelpasses voran zu treiben. Der Ministerin gefiel im ersten Eifer die Idee sogar so gut, dass sie den Pass als Pflichtdokument für alle Versicherten - mit Befreiungsmöglichkeit von der Passpflicht in Erwägung zieht. Davor warnen allerdings die Datenschützer - zu Recht, wie ich meine, denn eine Pflichtsammlung von Medikationsdaten und möglicherweise Krankheitsdaten ist der erste Schritt zum gläsernen Patienten, der kein Arzneimittel mehr erwerben könnte, ohne dass es dokumentiert wird. Ganz abgesehen davon, was Fachleute aus den Daten lesen könnten und den Problemen, wenn die Karte in falsche Hände gerät, z. B. in die von Arbeitgebern und Versicherern.

Befürworten kann man allerdings einen elektronischen Arzneimittelpass auf freiwilliger Basis, der in den Händen des Patienten bleibt. Wenn Patienten über Sinn und Möglichkeiten eines solchen Dokumentes aufgeklärt sind, werden sie den Pass gerne vorlegen.

Worüber wir uns im Klaren sein sollten: Auf uns Apothekerinnen und Apotheker kommt mit der Einführung eines Arzneimittelpasses noch mehr Verantwortung zu. Hinweise auf Neben- und Wechselwirkungen sollten zwar schon heute zum Beratungsgespräch gehören, mit der Dokumentation auf einem Speichermedium lässt sich die Medikation und eventuelle Änderungen aufgrund unserer Intervention noch einfacher verfolgen. Wir müssen investieren in gute Software, die uns automatisch auf mögliche Interaktionen und Nebenwirkungen bei der Abgabe hinweist, und wir müssen weiterführende Literatur anschaffen wie den "Ammon" (Arzneimittelneben- und -wechselwirkungen), der gerade in der neuesten Auflage erschienen ist. Anhand unserer Kompetenz und mit Hilfe der Literatur lässt sich dann die Relevanz von unerwünschten Wirkungen und Interaktionen beurteilen - was eben keine Software leisten kann.

Nach Berechnungen der ABDA dürfte die Einführung eines elektronischen Arzneipasses rund eine Milliarde DM kosten. Dagegen lassen sich nach Ansicht von Experten Einsparungen von rund 25 Milliarden DM gegenrechnen aufgrund von unterbundenen Doppel- und Mehrfachuntersuchungen (wenn zusätzlich Diagnosen auf der Chipkarte gespeichert werden) und verhinderten Arzneinebenwirkungen, die unentdeckt Krankheiten und Krankenhausaufenthalte nach sich ziehen.

Bei aller Euphorie über den Nutzen eines elektronischen Arzneipasses heißt es jetzt vorsichtig sein. Denn für die Krankenkassen ist der Arzneipass nur "Etikettenschwindel", ihnen geht die Speicherchipkarte nicht weit genug, sie fordern das elektronische Rezept. Was das konkret heißt, zeigt unser Beitrag "Elektronisches Rezept" aus der Feder eines Mitarbeiters des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen. In der Diskussion stehen zwei Varianten. Während die "Apothekerversion" als Rezeptträgermedium die Chipkarte favorisiert, mit der die Medikation zunächst in die Hände des Patienten gelangt, setzen die Krankenkassen auf eine gigantischen Serverbund, über den sämtliche Verordnungen, Rezeptdaten und Abrechnungen laufen. Bereits der Arzt speichert die Medikation auf diesen Servern, der Patient erhält lediglich eine Identifikationsnummer, mit der die Apotheke die Medikation aus dem Server abrufen kann.

Elektronischer Arzneipass hin, elektronisches Rezept her - alle Beteiligten müssen in der Tat genau überlegen, ob man einen separaten elektronischen Arzneipass vorab einführt oder alles auf das elektronische Rezept setzt. Denn das wird, davon bin ich überzeugt, nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen - hoffentlich in der Apothekerversion.

Peter Ditzel

Ihren Pass, bitte!

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