Feuilleton

Werbung: Gerstensaft auf ärztliches Rezept

"Von der Kunst, schwarz zu sehen" ist das Thema einer Sonderausstellung, die noch bis zum 9. September im Museum für Angewandte Kunst in Gera zu sehen ist. Gezeigt werden Werbemittel der Köstritzer Schwarzbierbrauerei vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Schwarzbier als Therapeutikum bei Lungentuberkulose? Hätten pharmazeutische Gutachten und ärztliche Empfehlungen von anno dazumal noch Bestand, würde Schwarzbier heute zu den apothekenüblichen Waren gehören. Jahrzehntelang wurde es als Gesundheitstrunk angepriesen und anerkannt.

500-jährige Tradition

Eine Kirchenrechnung aus dem Jahr 1507 belegt die Lieferung einer Braupfanne nach Köstritz. Schon damals wurde in der Gemeinde nordwestlich von Gera, in der der Musiker Heinrich Schütz geboten wurde und die 1926 mit ihren Sand- und Solebädern zum Kurort avancierte, Bier gebraut. Dessen ausgezeichnete Qualität war auch in der weiteren Umgebung bekannt. Eine Anekdote berichtet, dass drei Bauern bei der Rückkehr von ihren Äckern kurzentschlossen einen Abstecher nach Köstritz machten und nach ausgiebigem Genuss drei Tage später heimkehrten.

Als die Herstellung des Gerstensafts allmählich industrialisiert wurde und aufgrund höheren Ausstoßes die Mundpropaganda allein einen raschen Vertrieb nicht mehr gewährleistete, wurde über Werbefeldzüge nachgedacht. Zum Beginn des 19. Jahrhunderts warben die Köstritzer Brauer in Berliner, Leipziger und Hamburger Tageszeitungen. So erfuhren beispielsweise die Leser der "Berlinischen Nachrichten" von einem "bis jetzt nur im Auslande bekannt gewesenen Köstritzer Englischen Doppelbier, welches der Gesundheit zuträglich und dem Englischen ,Oele' gleich ist".

1811 löschten 6000 Hektoliter Gerstensaft aus Köstritz den Durst von Bierfreunden in Halle, Gotha, Magdeburg, Kassel, Dresden und anderen Städten. Und acht Jahre später war in Berlin der "Gesundheitstrunk" aus dem Elstertal das meistgetrunkene Bier. Das Inserat eines Berliner Getränkevertriebs von 1824 belegt, dass "Köstritzer" eines der teuersten Biere war. Offenbar waren die Verbraucher damals bereit, in ihre Gesundheit zu investieren - zumal im Vergleich mit anderen Gerstensäften die Qualität und der Geschmack der Thüringer Spezialität besser waren.

Bereits 1823 hatte Wilhelm von Humboldt geschrieben, dass Johann Wolfgang von Goethe sich nur von Bier und Semmeln ernähre. Am Morgen überlege er, ob er hell- oder dunkelbraunes Köstritzer oder aber lieber einen Oberweimarischen Gerstensaft genießen solle. Kein Wunder, dass auch andere Produzenten mit dem wohlklingenden Namen "Köstritzer" Geld verdienen wollten. Deshalb distanzierte sich der Köstritzer Ökonomie- und Brauinspektor Johann Philipp Christian Muntz per Anzeige von Plagiaten. Von nun an wurden alle Lieferungen aus dem Ursprungsort zertifiziert.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts stiegen bayerische Biere in der Gunst des Publikums. Aufgrund dessen etablierten die Köstritzer Brauer 1878 die "Blume des Elsterthales", eine neue Biersorte nach bayerischer Brauart. Ab 1883 wurde jedes Jahr zum Geburtstag Otto von Bismarcks ein Fass davon nach Berlin geschickt. Der Fürst bedankte sich schriftlich für den Wohlgenuss.

Pharmazeutische und medizinische Gutachten

Ab 1875 warb die Fürstliche Brauerei Köstritz in großformatigen Anzeigen mit "Schwarzbier" um die Gunst gesundheitsbewusster Leipziger. In einem Gutachten des "Pharmaceutischen Kreisvereins Leipzig Bureau für Untersuchung von Nahrungsmitteln und hygienische Zwecke" war nachgewiesen worden, dass "Köstritzer" als Nähr- und Kraftbier insbesondere "Blutarmen, Bleichsüchtigen und Rekonvaleszenten, für Wöchnerinnen und stillende Mütter, für Abgearbeitete, Nervöse und Schwächliche" zu empfehlen sei.

Dem Ökonomierat Zersch gelang es auch, die Ärzte für sein Produkt zu gewinnen: 1926 lagen der Brauerei 4000 medizinische Gutachten vor, welche die heilsame Wirkung des Schwarzbiers bestätigen. "Köstritzer" wurde bei gewissen Indikationen sogar rezeptiert. Das machten sich die Brauer aus dem Elstertal für die Werbung zu Nutze. So ließen sie 1926 das Bildnis eines Arztes, der den Gesundheitstrunk täglich verordnet, mit dem Vermerk "Geschäftsbetrieb: Brauerei- und Restaurationsbetrieb. Waren: Arzneimittel, pharmazeutische Drogen und Präparate. Bier" patentieren.

In den 30er- und 40er-Jahren brachten comicartige Inserate mit "Herrn Mengelmann" gesundheitsbewusste Genießer auf den Geschmack: Mit "Köstritzer Schwarzbier" bleibe er sowohl im Berufs- als auch im Privatleben stets fit und ausgeglichen, versprach die Werbung. Auch auf Papp- und Emailschildern sowie in Kinos wurde immer wieder für den "nährkräftigen Stärkungstrunk" geworben.

Schwarzbier in der DDR und heute

Ende der 40er-Jahre wurde die Brauerei verstaatlicht. 1956 begann der Export in die Bundesrepublik zunächst nach Bremen, Hamburg und Kassel, später auch nach Hannover und West-Berlin. Weil aber damals der herbe Geschmack nicht den Nerv der westdeutschen Biertrinker traf, waren ab 1959 Zucker und Traubenzucker hinzugesetzt worden. Dies entsprach jedoch nicht dem Deutschen Reinheitsgebot von 1516, sodass die Lieferung von "Köstritzer Schwarzbier Export" in den Westen 1976 eingestellt werden musste.

In der Werbung wurde weiterhin ein Motiv aus den Zwanzigerjahren verwendet: ein Arzt, der Schwarzbier als tägliches Getränk empfiehlt. Ab 1990 wurde mit Erfolg ein neues Marketing- und Werbekonzept entwickelt. Zum 450-jährigen Bestehen kreierte die Brauerei 1993 die Leitmarke "Köstritzer Schwarzbier", die als "Schwarzes mit blonder Seele" zum führenden Schwarzbier auf dem gesamtdeutschen Markt avancierte.

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