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Ein Blick auf unseren Cartoon in dieser Ausgabe zeigt es plastisch: Ulla Schmidt hat Mühe, dem (Über-)Druck im Gesundheitssystem standzuhalten. Von allen Seiten gibt es mächtig Feuer, es wird kräftig eingeheizt. Ob der Deckel auf dem Topf bleibt?

Nur in den USA wird prozentual zum Bruttoinlandsprodukt noch mehr für die Gesundheit ausgegeben als in Deutschland. Dagegen steht Deutschland in der Rangliste der Lebenserwartung nur auf Rang 41 - trotz des hohen und teuren medizinisch-technischen Aufwands. Wie passt das zusammen? Wie kann man Dampf ablassen?

Eine neue Variante zur Kostendämpfung ist in Vorbereitung: Die Arzneimittelbudgets sind tot, es leben die Zielvereinbarungen. Nachdem Ulla Schmidt sich dafür ausgesprochen hatte, die Ausgabenbegrenzung für Arzneimittel in der GKV abzuschaffen, und den Ärzten die Angst vor Rückzahlungen bei Budgetüberschreitungen genommen hatte, griffen die Mediziner häufiger zum Rezeptblock und verordneten wieder mehr und teurere Innovationen. Folge: die Ausgaben für Arzneimittel im ersten Halbjahr stiegen spürbar an. Und sogar so spürbar, dass die Krankenkassen nun Druck auf die Kassenärztlichen Vereinigungen machen, auf die Verordnungspraxis ihrer Vertragsärzte einzuwirken. Der Druck zeigte Wirkung. Schon melden die ersten Kassenärztlichen Vereinigungen neue Zielvereinbarungen, auf die sie ihre Mitglieder einstimmen wollen. Besonders eindrucksvoll soll das bereits in Mecklenburg-Vorpommern gelungen sein, wo eine Vereinbarung zur Auswahl preisgünstiger Arzneimittel unterzeichnet worden ist. Ärzte sollen hier verstärkt von der Aut-idem-Regelung Gebrauch machen und dem Apotheker die Auswahl des Generikums überlassen. Doch dabei soll es nicht bleiben. In der Zielvereinbarung fürs zweite Halbjahr soll außerdem der Verordnungsanteil preisgünstiger Generika erhöht und die Verordnung von Scheininnovationen vermieden werden. Vollkommen soll auf den Einsatz kontrovers diskutierter Arzneimittel verzichtet und der Anteil an Importpräparaten erhöht werden. Ähnliche Zielvereinbarungen gibt es auch in den KVen von Nordrhein und Westfalen-Lippe. Noch konkreter hinsichtlich der Einsparziele wurden die Beteiligten in Brandenburg: der Anteil der Generika soll auf 70 Prozent, die Importe von etwa 12 auf 19 erhöht werden. Viele von diesen Vereinbarungen sind eigentlich nicht neu, denn wer aufmerksam das SGB V liest oder die Arzneimittelrichtlinien oder die Lieferverträge, findet solche und ähnliche Vereinbarungen auch an anderer Stelle, mehr oder weniger deutlich formuliert. Nur: wer hält sich dran und wer prüft, ob sich wer dran hält?

In diesem Zusammenhang erwähnenswert: die erweiterte Negativliste wird konkreter. Sie erinnern sich, die Negativlisten-Rechtsverordnung trat bereits Ende November des vergangenen Jahres in Kraft. Allerdings war sie nur wirkstoff- bzw. wirkstoffkombinationsbezogen, also für die Praxis untauglich, es fehlte die konkrete Nennung von Fertigarzneimitteln. Diese noch fehlende Arzneimittelübersicht hat nun der Bundesverband der Betriebskrankenkassen, der wiederum vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit der Erstellung dieser Liste beauftragt war, den Pharmaverbänden zur Stellungnahme zugeleitet. Bis zum 31. August haben die betroffenen Pharmafirmen nun Zeit, sich dazu zu äußern.

Wenn nun eine erweiterte Negativliste vorliegt, die eindeutig regelt, dass die in ihr enthaltenen Arzneimittel nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen, dann fragt man sich, was denn die geplante Positivliste noch soll. Die soll bekanntlich Arzneimittel enthalten, die zwar zu Lasten der GKV verordnungsfähig sind, aber deswegen noch lange nicht in jedem Fall verordnet werden dürfen, wenn die Verordnung zum Beispiel nicht wirtschaftlich ist und und und. Und was passiert mit Arzneimitteln, die weder auf der Negativ- noch auf der Positivliste stehen? Wie nennt sich deren Status? Noch eine Anmerkung zur Negativliste: Wer trägt eigentlich die Verantwortung dafür, wenn ein Arzt willentlich oder versehentlich ein Präparat der Negativliste auf Rezept verordnet und der Apotheker dieses Präparat abgibt? Wird es dem Apotheker erstattet? Wieder ein Beispiel dafür, dass unser Gesundheitssystem immer komplizierter und mit einem Flickerlteppich an Verordnungen und Gesetzen so langsam undurchschaubar wird.

Verlockend für schwarze Schafe unter Apothekern und Ärzten, die glauben, den Gesundheitsdschungel für ihre dunklen Geschäfte und Abrechnungsbetrügereien nutzen zu können. Eine Fahndungsgruppe "Falschabrechnungen" der AOK Niedersachsen wies Ende Juli darauf hin, dass den Kassen dadurch Schäden in Millionenhöhe entstehen. Die Gruppe befasst sich mit 1300 Verfahren, täglich kämen zwei neue Fälle hinzu, hieß es. Angesichts solcher Zahlen stellt sich die Frage, warum nicht schon längst darauf bestanden wird, dass Ärzte ihre Patienten über die erbrachten Leistungen und ihre Honorarforderungen informieren - Transparenz könnte einige Betrügereien verhindern.

Peter Ditzel

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