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AOK Niedersachsen: Abrechungsbetrug im Gesundheitswesen

(ks). Durch Abrechnungsbetrügereien verursachen Apotheker, Ärzte und andere Leistungserbringer bei den Krankenkassen Schäden in Millionenhöhe. Diese ernüchternde Schätzung veröffentlichten Mitglieder der Untersuchungsgruppe "Falschabrechnungen" der AOK Niedersachsen am 27. Juli dieses Jahres in Hannover.

Die Untersuchungsgruppe entstand 1998 anlässlich eines Betrugsfalles durch eine Praxis von Herzspezialisten. Damals habe man noch an Einzelfälle geglaubt - doch gegenwärtig befasse sich die Gruppe mit mehr als 1300 Verfahren, täglich kämen zwei neue Fälle hinzu, so die AOK-Vorstandsvorsitzende Christine Lüer. Allein im ersten Halbjahr 2001 seien 368 neue Aktenvorgänge angelegt worden.

Stark zugenommen habe "der gemeinschaftliche Betrug von Abrechnern aus verschiedenen Leistungsbereichen: Pflegedienst und Apotheke, Apotheke und Arzt, Arzt und Sanitätshaus oder jede andere vorstellbare Konstellation" sagte Lüer. Die Untersuchungen erstrecken sich mittlerweile auf verschiedene Bundesländer, europäische Staaten bis hin nach Übersee. Der Schaden bei den Krankenkassen wird auf mindestens 50 Millionen Mark geschätzt, wovon bislang zwölf Millionen Mark an die Versichertengemeinschaft zurückgeflossen seien.

Schäden für Kassen "beitragsrelevant"

"Insider-Wissen von Abrechnungsvorgängen, gepaart mit krimineller Energie, führt zu Schäden in Milliardenhöhe, wenn man die offenbar gewordenen Verhältnisse auf das Gesundheitswesen in ganz Deutschland projiziert" sagte die AOK-Chefin. Neben den erfassten Fällen geht man von einer hohen Dunkelziffer nicht bekannt gewordener Betrügereien aus. Lüer meint, dass diese wirtschaftskriminellen Machenschaften für die geschädigten Kassen "beitragsrelevant" sein dürften.

Schwachstellen im Abrechnungssystem

Nach eigenen Angaben ist der Erfolg der Untersuchungsgruppe stark von Zufallsfunden und Informationen Dritter abhängig. Zwar seien die Daten aus der Abrechnung von Ärzten und Apothekern dank maschineller Aufbereitung recht transparent, dennoch bedürfe es einigen "detektivischen Spürsinns", um auffällige Muster zu entdecken. Unterstützt werde die Arbeit durch speziell entwickelte Software-Programme, die Auffälligkeiten bei Arzneimittelrezepten besser erkennen lassen. Die Untersuchungsgruppe soll nach Angaben Lüers nicht nur die verloren gegangenen Gelder zurückgewinnen, sondern auch Schwachstellen im Abrechnungssystem aufdecken.

Kassen zahlen für Verstorbene

Einige Verdächtige sollen sich nach Aufnahme der Ermittlungen ins Ausland abgesetzt haben. Beispiel: der gelernte Maurer und spätere freiberufliche "Pharma-Unternehmer" aus Lüneburg, der gemeinsam mit mehreren Apothekern Infusionen zur Ernährung von Krebskranken noch Wochen nach deren Tod mit den Krankenkassen abgerechnet hat. Er hält sich nach Angaben der Untersuchungsgruppe vermutlich in Südamerika auf. Gegen ihn bestehen titulierte Forderungen in Höhe von mehr als 3,1 Millionen Mark.

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