Berichte

Sicherheit am Arbeitsplatz: Nadelstichverletzungen als Krankheitsursache

Das Referat BA IV 2 im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung in Koblenz und die Firma BD haben am 10. Juli 2001 unter dem Motto "Safety First" eine Informationsveranstaltung zum Thema Nadelstichverletzungen durchgeführt.

Gesundheitsrisiko von Heilberuflern

Weit über eine Million Beschäftigte im Gesundheitsdienst sind täglich den Risiken von Nadelstichverletzungen ausgesetzt, pro Jahr ereignen sich mehr als 500000 Fälle. Wegen der wachsenden Prävalenzen bei blutübertragbaren Erregern wie HBV, HCV und HIV bedeuten diese Verletzungen ein nicht zu unterschätzendes Gesundheitsrisiko für Anwender und Patienten. Betroffen sind vor allem das Pflegepersonal und Ärzte, aber auch Angehörige von Reinigungsberufen. Als Beschaffer von Medizinprodukten tragen die Apotheker eine besondere Verantwortung. Folglich wurden mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Apotheker vom 14. Dezember 2000 Lehr- und Prüfungsinhalte zu Medizinprodukten in die Apothekerausbildung eingeführt.

Ihre mehr als hundertjährige Präsenz auf dem US-amerikanischen Markt mit seinen umfassenden Haftungsbestimmungen und Sicherheitsvorschriften hat die Firma BD zum Experten im Bereich Risikomanagement in der Medizintechnik gemacht. Unter Nadelstichverletzungen wird jede Stich-, Schnitt- und Kratzverletzung der Haut durch Nadeln, Messer usw. verstanden, die mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten von Patienten verunreinigt sind.

Gunther Linke, Direktor Marketing von BD, ging auf die Infektionsrisiken im Einzelnen ein. Das Risiko einer Infektion durch blutübertragene Erreger hängt davon ab,

  • wie viele infektiöse Patienten in der entsprechenden Einrichtung vorhanden sind,
  • mit welchen Erregern die Patienten infiziert sind und
  • wie häufig die Blutkontakte aufgrund der Arbeitsbedingungen sein können.

Das Infektionsrisiko hängt des Weiteren ab von

  • der Art des Kontakts,
  • der Blutmenge und
  • der Viruslast im Blut des infektiösen Patienten zum Zeitpunkt des Kontakts.

Gefährliche Viren

Die wichtigsten blutübertragbaren Erreger sind

  • das Hepatitis-B-Virus (HBV),
  • das Hepatitis-C-Virus (HCV) und
  • das Humane Immunodefizienz-Virus (HIV).

Bei erfolgreich gegen Hepatitis B geimpften Personen sowie natürlich bei gegenüber dem Virus immunen Personen besteht kein Infektionsrisiko. Gegen HCV und HIV ist aber kein Impfschutz möglich und auch in nächster Zeit nicht zu erwarten.

Bei HBV verläuft die Infektion in etwa 1% aller Fälle tödlich und bei etwa 10% in Form einer chronischen Infektion. Dabei drohen als Komplikationen Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom. Mehr als 80% der HCV-Infektionen verlaufen klinisch stumm. Bei deutlich mehr als 50% kommt es zu einem chronischen Verlauf mit den Komplikationen Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom.

Der HIV-Erreger zieht eine Beeinträchtigung des Immunsystems nach sich, wobei aufgrund der Immunschwäche nach Jahren das "Vollbild AIDS" erreicht werden kann. Das Risiko einer Infektion durch eine HIV-kontaminierte Nadel liegt zwar "nur" bei 0,3%, jedoch haben sich laut Angaben des Robert-Koch-Instituts bis 1999 insgesamt 18 Personen (darunter Ärzte, Krankenhaus- und Labormitarbeiter) berufsbedingt mit dem HI-Virus infiziert. Das Übertragungsrisiko (Serokonversion) liegt bei HCV und vor allem bei HBV deutlich höher. Das Risiko erhöht sich drastisch, je schwerer die Verletzung (Tiefe des Einstichs) ist.

Meldesystem und Arbeitsschutz

Leider liegt die Meldefrequenz von Stichverletzungen immer noch in einem nicht akzeptablen Bereich. Und es gibt kein standardisiertes Meldesystem in Deutschland. Um die Frequenz zu erhöhen, muss den Betroffenen klar gemacht werden: Nadelstichverletzungen passieren! Das hat nichts mit persönlichem Fehlverhalten zu tun, sondern ist eine Frage der Wahrscheinlichkeit, der Arbeitsbedingungen und Arbeitstechniken sowie der Technologie und anderer Faktoren, die vom einzelnen Beschäftigten nicht immer kontrolliert werden können.

Seit In-Kraft-Treten der Biostoffverordnung im Jahre 1999 müssen auf der Basis des Arbeitsschutzgesetzes Gefährdungsbeurteilungen vorgenommen werden. Darüber hinaus muss ein System entwickelt werden, mit dessen Hilfe Unfälle an den Betriebsarzt gemeldet werden können, damit

  • eine Risikoanalyse durchgeführt werden kann,
  • Präventionsstrategien (z.B. Schutzimpfungen) entwickelt und
  • Sofortmaßnahmen für die postexpositionelle Prophylaxe ergriffen werden können.

Mit EPINet (Exposure Prevention Information Network), einer ursprünglich in den USA an der Universität von Virginia entwickelten Software, stellt BD im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative "Safety First", die es sich zum Ziel gesetzt hat, das Gesundheitsrisiko durch blutübertragene Infektionserreger zu reduzieren, kostenlos ein Programm zur Dokumentation von Stichverletzungen und Blutkontakten zur Verfügung. Außerdem dient EPINet der Erfassung aller Maßnahmen der postexpositionellen Prophylaxe sowie sämtlicher Nachuntersuchungen, die sowohl bei dem von der Nadelstichverletzung betroffenen Beschäftigten als auch bei dem Spender durchgeführt wurden. Das Programm wurde den Teilnehmern eindrucksvoll demonstriert.

Präventionsmaßnahmen

Eine hundertprozentige Sicherheit gegenüber einer Infektion gibt es nicht. Deshalb müssen unabhängig vom Schweregrad der Gefährdung alle Präventionsmaßnahmen (Meidung des Kontaktes; Schutzimpfung; kontinuierliche, praxisnahe Schulung des Personals) ausgeschöpft werden.

Nadelstichverletzungen, die häufig durch unsachgemäße Handhabung (z.B. "recapping") und nachlässige Entsorgung hervorgerufen werden, müssen so weit als möglich vermieden und die Arbeitsprozesse daher optimiert werden.

Darüber hinaus sollten grundsätzlich zum persönlichen Schutz und zum Schutze der Patienten nur Arbeitsmittel mit integrierten Sicherheitsvorrichtungen verwendet werden, durch die das Risiko einer Nadelstichverletzung zumindest stark gesenkt werden kann. Das BD Safety Concept stellt den Anwendern für die Bereiche Injektion, Infusion und Entsorgung eine breite Palette von modernsten Sicherheitsprodukten zur Verfügung, mit denen sie sich schützen und letztendlich auch gleichzeitig Kosten sparen können. Geeignete Technologien sind z.B.

  • Retraktive Kanülen,
  • Schutzschildvorrichtungen am Spritzenkörper,
  • Schutzschildvorrichtungen an der Kanüle,
  • Entschärfungsmechanismen.

Bei Sicherheitskanülen z.B. umschließt der integrierte Schutzzylinder nach der Punktion die Nadel. Während der Katheter in das Gefäß vorgeschoben wird, beginnt der Schutzzylinder die Kanüle zu bedecken. Das geschieht automatisch. Mit nur einer Hand wird die Nadel durch das Einrasten des Schutzzylinders gesichert und kann dann gefahrlos entfernt und entsorgt werden. Das komplette Programm wurde von den Mitarbeitern im Einzelnen erläutert und praktisch vorgeführt. Die Teilnehmer waren danach einhellig der Meinung: Trotz guter Ausbildung und gezieltem Training ist der Gebrauch von Sicherheitsprodukten die beste Möglichkeit, sich vor Haut- und Nadelstichverletzungen zu schützen.

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