Berichte

Selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren

Zum Thema "Entwicklung neuer Leitstrukturen für das Design selektiver Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERM)" trug Prof. Dr. Ronald Gust, Institut für Pharmazie, Freie Universität Berlin, Mitte Juni 2001 im Rahmen des Pharmazeutischen Kolloquiums an der Universität Greifswald vor.

Die für die Entwicklung und Funktion des weiblichen und des männlichen Organismus wichtigen Östrogene sind an der Regulation des Sexualzyklus beteiligt und besitzen eine Reihe von sexualunspezifischen Wirkungen wie z.B. den Schutz vor Osteoporose und vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Eigenschaften des Rezeptors

1965 wurde der Östrogenrezeptor erstmals erwähnt; der heutige Wissenstand geht von zwei Typen aus: Der alpha-Östrogenrezeptor ist vorwiegend in Brust und Uterus, der beta-Östrogenrezeptor stärker in anderen Zielgeweben lokalisiert. Sie bestehen aus sechs Untereinheiten unterschiedlicher Größe und Funktionalität. Obwohl der alpha-Rezeptor aus 595 und der beta-Rezeptor aus 477 Aminosäuren bestehen (Homologie von 47%), ist eine ziemlich hohe Ähnlichkeit in den Bindungsdomänen zu verzeichnen.

Die Rezeptoren sind kernständige Transkriptionsfaktoren, die nur bei Belegung fest mit dem nukleären Kompartiment verbunden sind. Das unterschiedliche Verhalten von freien und ligandengebundenen Rezeptoren hängt möglicherweise von Co-Faktoren ab; so verhindert das heat-shock-Protein hsp90 die DNA-Bindung der unbelegten Form des Rezeptors. Die Bindung eines Östrogens führt zur Dissoziation dieser Proteine und erlaubt die Dimerisierung des Östrogenrezeptors.

Tamoxifen als SERM

Die bis jetzt bekannten Strukturvoraussetzungen für Liganden sind ein planares Molekül, je eine Hydroxylgruppe in der S1- und S3-Bindungstasche, hydrophobe Interaktionen in S1- und S2-Taschen sowie Konformationsänderungen durch starke Wasserstoffbrücken.

Aus der Gruppe der Triarylalkane erfüllt der in den 70er-Jahren als Antiöstrogen entwickelte Wirkstoff Tamoxifen wegen seiner teils antagonistischen, teils agonistischen Eigenschaften als erster wichtige Anforderungen an einen SERM.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass wichtige Arzneistoffe häufig zunächst als Arzneimittel zur Behandlung der Osteoporose in den Markt eingeführt wurden und dass erst danach ihre SERM-Eigenschaften eingehender untersucht werden (s. Raloxifen). Da die bisher eingesetzten Substanzen erhebliche Nebenwirkungen wie Uteruswachstum, -blutungen, Endometriumvorfälle und Thromboembolien verursachen, wird die Entwicklung neuer Leitstrukturen vorangetrieben.

Typ-2-Östrogenrezeptor-Liganden

Durch die Untersuchung von Co-Kristallisaten mittels Röntgenstrukturanalyse verglich der Referent das endogene Substrat Estradiol mit den bekannten Inhibitoren. Die betrachteten Co-Kristallisate wiesen große Ähnlichkeiten auf, allein die 12. Helix des Rezeptors schirmt das Substrat Estradiol nach außen ab, während beim Inhibitor-Co-Kristallisat die Tasche geöffnet bleibt.

Auch bei den Inhibitoren Hydroxytamoxifen und Diethylstilbestrol (DES) wurde diese Beobachtung bestätigt. Das Schließen bzw. Offenhalten des eingeschlossenen Substrates resp. Inhibitors verglich der Referent anschaulich mit einem Döner Kebab.

Diese Erkenntnisse nutzend, wurden im Arbeitskreis von Professor Gust In-vitro- und In-vivo-Testsysteme etabliert. Als maßgebliche Parameter wurden die relative Bindungsaffinität (RBA) und die ermittelte Transkriptionsrate herangezogen.

Die festgestellte Wirkung von Platinkomplexen, die ursprünglich als Carrierliganden für Zytostatika synthetisiert wurden, führte zu einem neuen Typ von Östrogenrezeptor-Liganden. Die antiperiplanare Konformation der bekannten Liganden können die Platinkomplexe und die davon abgeleiteten Substanzen aus der Gruppe der Imidazole, Imidazoline und Piperazine nicht einnehmen. Diese neuen Typ-2-Östrogenrezeptor-Liganden üben daher allosterische Effekte am Rezeptor aus. Mit diesen Erkenntnissen ist es der Arbeitsgruppe des Referenten gelungen, einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung neuer SERM-Leitstrukturen zu liefern.

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