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BAK-Präsident Metzger: Die Individualapotheke muss erhalten bleiben

DAVOS (ral). "Dies ist das Hauptziel meiner Arbeit", betonte Johannes Metzger, neugewählter Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), in seiner berufspolitischen Eröffnungsrede zur 31. Internationalen BAK-Fortbildungswoche in Davos, die in diesem Jahr vom 14. bis 19. Januar stattfindet. Gefährdet sieht Metzger dieses Ziel durch Angriffe von Seiten der Regierung und der Krankenkassen, die gemeinsam durch Maßnahmen wie das Festhalten an Budgets, der Einführung der Integrierten Versorgung und Forderungen nach dem Arzneimittelversandhandel die Existenz der Individualapotheke bedrohen.

Die Kritik Metzgers richtete sich zunächst an den Staat, dessen eigentliche Aufgabe er mit einem Zitat von Aristoteles umschrieb: "Zweck des Staates ist die Verschönerung des Lebens seiner Bürger." Diesen Zweck, so Metzger, verfehle der Staat weitgehend überall, vor allem aber im Gesundheitswesen und insbesondere gegenüber den Apothekerinnen und Apothekern: "Ich erkenne noch nicht einmal im Entferntesten ein auch nur ansatzweises Bemühen des Staates, das Leben in unserem Berufsstand zu verschönern." Im Gegenteil – die derzeit an der Regierung befindliche sozialistisch-ökologische Koalition nehme Weichenstellungen vor, die einer "amerikanischen Kapitalisierung" des Gesundheitswesens den Weg bahnten und die unabhängigen Heilberufe ins Abseits drängten.

Treibende Kraft sind die gesetzlichen Krankenkassen

Allerdings, führte der BAK-Präsident weiter aus, liege der Ursprung dieser Bemühungen nicht bei der Regierung, sondern bei den gesetzlichen Krankenkassen. Deren Bestrebungen seien klar definiert: Sie wollten die unabhängigen Leistungserbringer zerschlagen, um anschließend als "mächtigstes Nachfragemonopol am Gesundheitsmarkt" die Preise der Pharmaindustrie bestimmen zu können. Auf der Strecke bliebe dabei die Qualität der Gesundheitsversorgung für die Gesamtbevölkerung. Diese sei jedoch auch nicht ausschlaggebend bei der Zielprojektion der Kassen, die im Gegenteil mit Instrumenten wie der Integrierten Versorgung das Solidaritätsprinzip nach und nach aushebeln wollten. Schon die Bezeichnung "Integrierte Versorgung" diene der Täuschung, so Metzger: "Ein System, das nur wenige einschließt, dabei notwendigerweise die Mehrheit ausschließt, sollte ehrlicherweise mit ,ausgrenzender Versorgung' betitelt werden."

Integrierte Versorgung verletzt Gleichheitsgrundsatz

Metzger bezeichnete es als Skandal, dass mit der Integrierten Versorgung neben der bisherigen ambulanten Versorgung und der Krankenhausversorgung eine dritte Säule in der Regelversorgung eingeführt werde, die einem Teil der Patienten für weniger Krankenkassenbeitrag eine bessere Versorgung zusichere. Dies entsolidarisiere die Versichertengemeinschaft und verletze "aufs sträflichste wissentlich und wilentlich" den Gleichheitsgrundsatz.

Ebenfalls knacke die Intergrierte Versorgung die Solidargemeinschaft der Ärzte und die Solidargemeinschaft der Apotheker, da sie zu einem ungleichen Wettbewerb zwischen den Kollegen innerhalb und außerhalb der Versorgungsnetze führen würde. Am Ende, so Metzger, gebe es durch die Integrierte Versorgung bei Patienten, Ärzten und Apothekern Verlierer.

Ungeheuerlicher Paradigmenwechsel

Ebenfalls als Skandal bezeichnete Metzger die von der Bundes-KV und den gesetzlichen Krankenkassen zur Finanzierung der Integrierten Versorgung vorgesehene und im Rahmenvertrag verankerte Möglichkeit des Sponsorings. Dies, so Metzger, sei ein ungeheurer Paradigmenwechsel. "Damit werden nach amerikanischem Vorbild kapitalertragsorientierte HMOs eingeführt. So wie wir im Fernsehen immer öfter hören ≠diese Sendung wurde von der Brauerei XY gesponsert', so begegnet dem integrierten Patienten wohl schon im Wartezimmer die Bandenwerbung der Sponsoren." Mit dieser Gesetzgebung werde es fremden Kapitalgebern ermöglicht, das Solidarsystem für ihre wirtschaftlichen Interessen zu missbrauchen. "Das wird wie in Amerika seinen Preis haben, den sich nicht mehr jeder leisten können wird."

Damit es nicht soweit kommt, rief Metzger die Apothekerschaft dazu auf, sich gegen die weitgehende Entlassung "einer sicheren und gesicherten Versorgung aus der staatlichen Verantwortung" zu wehren, indem sie ihre Kunden über den Systemwechsel aufklärt: "Wir sind nicht ohne Einfluss, denn in keinem Bereich des Gesundheitswesens gibt es nur annähernd so viele Kontakte zu den Menschen wie in den Apotheken – drei bis vier Millionen Gesprächsmöglichkeiten täglich, nutzen wir sie!"

Aufklärung auch über die Gefahren des Arzneimittelhandels

Diese Möglichkeiten zu nutzen, gelte es neben der Aufklärung über die Folgen einer Integrierten Versorgung auch für die Aufklärung über die Gefahren des Arzneimittelhandels. Diesen, so Metzger, wollten die Kassen "mit Gewalt" durchsetzen, trotz der Bekräftigung des Versandverbotes durch die 8. AMG-Novelle, trotz des EU-weiten Verbotes von Teleshopping von Arzneimitteln, trotz der Zulässigkeit nationaler Versandhandelsverbote in der Fernabsatz-Richtlinie, trotz des Verbotes eines Arzneimittelversandhandels in den meisten Ländern der EU und trotz der jüngsten Rechtsprechung der Gerichte.

Metzger bezeichnete es als unglaublichen Vorgang, dass die Krankenkassen all diese gegen den Versandhandel sprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen übergehen und weiterhin die Vergütung von Rezepten aus Versandapotheken anbieten würden. "Mit dieser offensichtlichen Missachtung der Rechtsprechung gerieren sich die Kassen als Staat im Staat, als Institution, die das Recht nach Belieben und ungestraft beugen kann."

Kritik übte Metzger in diesem Zusammenhang jedoch auch am Staat selbst, der den Arzneimittelversandhandel bislang nicht klar ablehnte, sondern ihn sich "sicher gemacht" zur Dämpfung der Kosten im Gesundheitswesen vorstellen konnte. Diese Haltung ist nach Ansicht von Metzger ein Beispiel für das Versagen der staatlichen Für- und Vorsorge. Eine mögliche Änderung dieser Haltung könnte nun durch die BSE-Krise, den personellen Wechsel an der Spitze des Bundesgesundheitsministeriums sowie die Neustrukturierung des Ministeriums für Verbraucherschutz eintreten, das nun unter Leitung von Renate Künast auch für den Verbraucherschutz im Gesundheitswesen zuständig ist. Metzger dazu: "Das kann dem Anliegen des Gesundheitsschutzes durchaus zuträglich sein, wenn dieser der Einflusssphäre der Kassen im Bundesgesundheitsministeriums entzogen wird und damit auch dem Diktat und Primat einer Beitragsstabilitätsdoktrin, bei der die Versorgungsqualität mehr und mehr unter die Räder gekommen ist."

Die Apothekerschaft, so Metzger weiter, wünsche sich von der neuen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt die rasche Aufnahme eines offenen Dialogs mit dem Ziel, dass die Qualität der Arzneimittelversorgung wieder zum Maßstab einer zukunftsorientierten Gesundheitspolitik werde, die man bereit sei mitzugestalten.

Metzger schloss seine Rede mit der Forderung nach Zusammenhalt im Berufsstand, um all diesen gesundheitspolitischen Herausforderungen erfolgreich entgegentreten zu können. "Gemeinsam können wir viel erreichen."

Ein Blick über die Grenze: Die Situation der Schweizer Apotheken

Einen Überblick über die Entwicklung des Apothekenwesens in der Schweiz gab Max Brentano, Präsident des schweizerischen Apothekerverbandes, als Grußredner auf dem diesjährigen BAK-Fortbildungskongress in Davos. Folgende "Schlagzeilen" nannte er:

  • Am 1. Januar dieses Jahres ist eine Änderung des Schweizer Krankenversicherungsgesetzes in Kraft getreten. Die Apothekerschaft wird künftig nicht nur für die logistische Leistung in Form einer Marge vergütet, sondern gesondert für die Beratungsleistung über einen Tarif.
  • Das Aut-idem-Substitutionsrecht ist gesetzlich verankert. Weitere Leistungen, die zu einer Optimierung der Therapie und zu Kosteneinsparungen führen, können vereinbart werden.
  • Ein Tarifvertrag mit den Versicherern konnte vereinbart werden.
  • Der Fachapotheker für Offizinpharmazie sowie Krankenhauspharmazie wird entsprechend der genehmigten Weiterbildungsordnung erteilt.
  • Die Fortbildung wird obligatorisch.
  • In Zürich und Basel hat die neue, moderne Studienordnung für Pharmazeuten begonnen.
  • Das erste Bundesgesetz über Heilmittel ist verabschiedet und soll zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten.
  • Versandhandel ist grundsätzlich verboten. Ausnahmen können allerdings unter bestimmten Bedingungen bewilligt werden.
  • Im Kanton Zürich wird das Volk darüber zu entscheiden haben, ob das ärztliche Dispensierrecht eingeschränkt oder ausgeweitet werden soll.
  • Immer mehr Apothekerinnen und Apotheker schließen sich in Gruppierungen zusammen.
  • Die Preisbildung außerhalb der Positivliste der sozialen Krankenversicherung ist grundsätzlich frei.

Das Hauptziel seiner Arbeit sei der Erhalt der Individualapotheke, betonte Johannes Metzger, neugewählter Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK) in seiner berufspolitischen Eröffnungsrede zur 31. Internationalen BAK-Fortbildungswoche in Davos, die in diesem Jahr vom 14. bis 19. Januar stattfindet. Gefährdet sieht Metzger dieses Ziel durch Angriffe von Seiten der Regierung und der Krankenkassen, die gemeinsam durch Maßnahmen wie dem Festhalten an Budgets, der Einführung der integrierten Versorgung und Forderungen nach dem Arzneimittelversandhandel die Existenz der Individualapotheke bedrohten.

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