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SPD-Hearing: Verbraucherschutz im Gesundheitswesen stärken

Am 6. Juli 2001 führte die SPD in Berlin ein öffentliches Hearing über "Verbraucherpolitik mit neuem Anspruch" durch. Generalsekretär Franz Müntefering betonte, dass vorsorgende Verbraucherpolitik, insbesondere in den Bereichen Finanzdienstleistungen und Gesundheitswesen, Teil der Sozialen Marktwirtschaft sei. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium Gudrun Schaich-Walch referierte zum Thema "Zukunft gestalten - Verbraucherschutz und Gesundheit" und moderierte den Workshop "Aufgeklärte Patienten - mündige Nachfrager in einem leistungsfähigen Gesundheitswesen?".

Nach der Auffassung von Schaich-Walch muss sich die Qualitätssicherung als roter Faden durch die Gesundheitspolitik ziehen. Die Patienten und Versicherten müssen die Möglichkeit zum eigenständigen Handeln erhalten. Dazu benötigen sie Informationen, die sich aus objektiven Quellen speisen. Als Beispiele für den richtigen Weg dorthin nannte die Staatssekretärin die Erarbeitung einer Positivliste sowie das kürzlich erschienene Handbuch Gesundheit der Stiftung Warentest.

Wenn die notwendige Sicherheit garantiert werden könne, müssen dem Verbraucher auch im Gesundheitswesen die Möglichkeiten des E-Commerce zugänglich gemacht werden. Der Nutzen und die Notwendigkeit eines Systems muss Vorrang vor anderen Überlegungen für den Verbraucher haben, um dieses zum eigenständigen Handeln nutzen zu können. Der intensive Gebrauch des Internets ist beispielhaft für den Informationsbedarf der Patienten und Versicherten.

Therapiefreiheit begrenzen

Für den Verbraucher muss die Gefahrenvorsorge absolute Priorität haben. Daher müssen auch dem Arzt in seiner Therapiefreiheit Grenzen gesetzt werden. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn Fachgesellschaften helfen, Behandlungsstandards zu formulieren, nach denen sich Ärzte richten müssen. Die korrekte Befolgung derartiger Standards und damit die Behandlungsqualität kann sich positiv oder negativ beim ärztlichen Honorar niederschlagen. Bei der Behandlungsqualität liegt Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld. Hier besteht, so Schaich-Walch, noch Verbesserungsbedarf.

Internationale Standards einsetzen

Bei der Mammographie können internationale Standards für Deutschland beispielgebend sein. Die Qualität dieser Untersuchung hängt auch von der Anzahl der Untersuchungen, die ein Arzt durchführt, ab. Während in Deutschland im Allgemeinen 200 bis 300 Mammographien in Röntgenzentren durchgeführt werden, müssen dies in Großbritannien mindestens 500 sein, um als Untersuchungszentrum anerkannt zu werden. Ferner spielt das Alter des Röntgengerätes eine wesentliche Rolle für die Qualität der Diagnostik. Schließlich werden die Befunde in Großbritannien in ihrer Qualität durch eine zweite Begutachtung erheblich verbessert. Ausdrücklich sprach sich Schaich-Walch für die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen aus.

Patienteninformation verbessern

Sowohl Thomas Isenberg vom Bundesverband der Verbraucherzentralen als auch Alfred Töpper von der Stiftung Warentest mahnten eine bessere Beratung der Patienten in Gesundheitsfragen an. Nach einer Untersuchung der Verbraucherzentralen stehen Patienten häufig hilflos den Informationen der Leistungserbringer gegenüber. So müssen Patienten für die Anpassung einer Hörhilfe beim Hörgeräteakustiker bis zu 900 DM mehr bezahlen als für dieselbe Leistung bei einem HNO-Arzt.

Nach Auffassung der Verbraucherzentralen stecken die Apotheker mit der pharmazeutischen Industrie unter einer Decke, um den Verbrauch an Arzneimitteln in absehbarer Zeit zu erhöhen. Nach Untersuchungen der Verbraucherzentralen und der Stiftung Warentest werde in Apotheken eher oberflächlich beraten und Empfehlungen zur Lebensführung und zu Hausmitteln eher selten gegeben. Auch werden Defizite in der moralischen Kompetenz deutlich, wenn trotz Missbrauchs- und Gewöhnungszeichen Abführ- bzw. Schmerzmittel weiter verkauft werden, so Isenberg.

Reimporte, Generika, Versandhandel

Isenberg vermutet, dass die Verbraucher bei intensiverer Informationen verstärkt Generika und Reimporte nachfragen würden. Dadurch könnten nach seiner Einschätzung 2,5 Mrd. DM eingespart werden, die an anderer Stelle im Gesundheitswesen eingesetzt werden könnten. Die Ergänzung der Versorgung insbesondere chronisch Kranker durch "seriöse Versandapotheken" könnte helfen, die Apothekenfinanzierung neu zu ordnen, die Beratungskompetenz in den Apotheken zu aktivieren und sie von Umsatzinteressen fernzuhalten. Bedauerlicherweise war kein Vertreter der Apothekerschaft während der Veranstaltung präsent. Eine hinsichtlich des Verbraucherschutzes im Gesundheitswesen vergessene Berufsgruppe?

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