Arzneimittel und Therapie

Immunologische Krebstherapie: Trifunktionelle Antikörper gegen Tumoren

Seit etwa zehn Jahren setzen Forscher große Hoffnungen in künstlich hergestellte, so genannte bispezifische Antikörper. Diese Eiweißverbindungen sollen in der Lage sein, das körpereigene Immunsystem im Kampf gegen Krebszellen effektiv zu unterstützen. Im Gegensatz zu natürlichen Antikörpern besitzen die bispezifischen Antikörper zwei unterschiedliche Bindungsarme, wobei sich ein Arm an Tumorzellen, der zweite dagegen an Killerzellen des Immunsystems, die so genannten T-Zellen, heftet.

Zunächst gab es noch große Probleme, diese speziellen Antikörper herzustellen. Die Herstellungsverfahren waren kompliziert und aufwändig, und man konnte nur geringe Mengen davon produzieren. Überdies war die Wirksamkeit bei der Tumorzerstörung keineswegs optimal.

Vor knapp sechs Jahren hatte eine spezielle Kombination von Maus- und Ratten-Antikörpern dazu geführt, dass einerseits die Schwierigkeiten bei der Herstellung dieser speziellen Antikörper überwunden wurden und andererseits die Wirksamkeit gegenüber Tumorzellen verbessert wurde. Ein Forscherteam am GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit im bayrischen Neuherberg bei München hatte die Idee, eine dritte Zelle an den Zwei-Zell-Komplex aus Tumor- und Killerzelle heranzuführen. Durch besondere molekulare Merkmale der künstlichen Antikörper wird es Fresszellen, den so genannten Makrophagen, ermöglicht, ebenfalls an den Komplex anzudocken.

Aktive Immunisierung gegen den Tumor

Diese Dreier-Konferenz von Zellen soll für die Tumorzelle tödlich enden, so die Hoffnung der Forscher. In dieser Strategie sehen sie mehrere Vorteile: Erstens bekommt die T-Zelle von der Fresszelle wichtige Stimulationssignale, die sie zum eigenen Überleben benötigt.

Zweitens werden nun auch Tumorzellen, die gegen die Killermechanismen der T-Zellen resistent sind, angreifbar und von der Fresszelle vertilgt. Drittens führt dieser Fressvorgang zur Zerlegung des Tumormaterials in einzelne kleine Fragmente. Diese werden auf der Oberfläche der Fresszelle präsentiert. Dadurch werden andere Zellen des Immunsystems aktiviert. Damit könnte eine Art aktive Immunisierung gegen den Tumor erreicht werden. Entsprechende Versuche an Mäusen sind erfolgreich verlaufen und "der Immunisierungseffekt konnte eindeutig belegt werden", wie Dr. Horst Lindhofer, der Leiter des Forscherteams, bestätigte.

Zunächst nur für Reinigung von Stammzell-Präparaten

Die Münchener Biotech-Firma Trion Pharma, deren wissenschaftlicher Geschäftsführer Lindhofer inzwischen ist, besitzt die weltweit die erste Anlage, in der diese speziellen Antikörper nach dem "Good-Manufacturing Practice"-Standard (GMP-Standard) hergestellt werden.

Schon kurz nach der Gründung im März 1998 hat Trion Pharma mit der Firma Fresenius AG, die über ein internationales Vertriebsnetz verfügt, einen Kooperations- und Lizenzvertrag abgeschlossen, um auf diese Weise die eigene Forschung und die Herstellung der Antikörper zu finanzieren. Ende Oktober 2000 wurden die Antikörper als Medizinprodukt unter dem Namen removall von der Fresenius Hemo Care GmbH in den internationalen Markt gebracht. Allerdings ist die Verwendung dieser Antikörper zunächst nur außerhalb des menschlichen Organismus zur Reinigung von Stammzell-Präparaten im Rahmen einer Hochdosis-Chemotherapie zugelassen.

Neue Therapieansätze zur Krebsbekämpfung?

Vor dem Einsatz beim Menschen müssen noch diverse klinische Erprobungen und Studien durchgeführt werden. Die Anwendungsstrategie zielt auf die Zerstörung von Tumorzellen, die beispielsweise nach einer operativen Entfernung des Primärtumors im Körper verblieben sind. Auf den meisten epithelialen Tumorarten wie Brust-, Eierstock-, Magen-, Lungen-, Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs kommen die beiden tumorassoziierten Antigene EpCAM und Her2/neu in unterschiedlicher Ausprägung vor. Diese Antigene werden von speziell entwickelten trifunktionellen Antikörpern erkannt und gebunden. Möglicherweise entwickeln sich daraus neue Therapieansätze zur Krebsbekämpfung.

Quellen: Zeidler, R., et al.: The Fc-region of a new class of intact bispecific antibody mediates activation of accessory cells and NK cells and induces direct phagocytosis of tumor cells. Br. J. Canc. 83, 261 – 266, (2000). Interview mit Dr. Horst Lindhofer, wissenschaftlich-technischer Geschäftsführer der Trion Pharma GmbH in München, am 9. Mai 2001.

Seit etwa zehn Jahren setzen Forscher große Hoffnungen in künstlich hergestellte, so genannte bispezifische Antikörper. Diese Eiweißverbindungen sollen in der Lage sein, das körpereigene Immunsystem im Kampf gegen Krebszellen effektiv zu unterstützen. Im Gegensatz zu natürlichen Antikörpern besitzen die bispezifischen Antikörper zwei unterschiedliche Bindungsarme, wobei sich ein Arm an Tumorzellen, der zweite dagegen an Killerzellen des Immunsystems, die so genannten T-Zellen, heftet. Jetzt werden auch trifunktionelle Antikörper entwickelt.

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