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Unverkettete Apotheken im Besitz und unter der Leitung von selbständigen Apothekern, die ihre Betriebe als Kaufmann betreiben, bei denen aber die Züge eines Freien Heilberufes überwiegen – das ist einer der Grundpfeiler des bundesdeutschen Apothekensystems. Gesetzliches Fundament ist das Apothekengesetz, das am 1. Oktober 1960 in Kraft getreten ist. Aus ihm ergibt sich das Verbot des Fremd- und des Mehrbesitzes von Apotheken und die Absicht des Gesetzgebers, dass der Apothekenleiter seine Apotheke unabhängig von massiven fremden Einflüsterungen, also ohne Druck von außen, führen können soll.

Der Grundansatz ist nach wie vor aktuell und richtig. Aktuell und richtig ist deshalb auch, dass und wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 1964 das Fremd- und Mehrbesitzverbot gegen Verfassungsbeschwerden verteidigt hat. Damals wie heute kann es für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln nicht gut sein, wenn z. B. Pharmahersteller eigene Apothekenketten betreiben könnten und dabei ganz oder vorrangig, versteckt oder offen eine Sortimentspolitik betreiben und durchsetzen könnten, die den eigenen Absatzinteressen dient.

Jenseits gesetzlicher Mindeststandards gewährleistet die manchmal – fälschlich! – geschmähte Atomisierung, also das Nebeneinander einer Vielzahl von selbständigen Apothekern am besten, dass sich die Apotheken nachfrageorientiert bevorraten und patientenorientiert verhalten. Die sehr viel besseren Möglichkeiten von Handelsketten, eigene Angebote im Markt durchzudrücken und andere Angebote auszugrenzen, ist in der Arzneimittelversorgung unerwünscht, ja schädlich. Jedenfalls ist sie nicht im Interesse der Kranken und Versicherten. Allenfalls die Shareholder der Kettenbetreiber könnten sich darüber freuen.

Ein im Grundsatz ähnliches Verständnis des Apothekerberufes wie bei uns findet man in der Mehrzahl der europäischen Staaten. Ketten wie in England oder Amerika sind die Ausnahme. Dass hier und dort, in meist beschränktem Umfang, mal nur Mehr-, mal auch Fremdbesitz an Apotheken nicht immer rigoros ausgeschlossen ist, ändert an den Grundzügen nichts.

Was würde passieren, wenn in Deutschland das Fremd- und Mehrbesitzverbot fallen würde? Die Auswirkungen wären weitreichender und dramatischer als z. B. in Großbritannien – für die Arzneiversorgung, aber auch für die bestehenden Apotheken und unsere Apotheker, die sie heute leiten.

In Großbritannien, wo Ketten erlaubt sind, ist die Zahl der Apotheken faktisch begrenzt. Neueröffnungen müssen begründet und genehmigt werden. Eine Kette kann im wesentlichen nur aus bestehenden Apotheken aufgebaut oder erweitert werden; das ist teuer für die, die Ketten betreiben wollen. Auch in Italien existiert eine Niederlassungsbegrenzung. Aber es gibt (wie übrigens zuweilen auch in Frankreich noch) in einigen Städten noch kommunale Apotheken, die das Objekt der Begierde von Pharmagroßhändlern geworden sind.

Anders als in Großbritannien wären unsere Apotheken in Deutschland bei einem Fall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes sofort praktisch nichts mehr wert. Denn hier gibt es Niederlassungsfreiheit! Und daran wird sich auch nichts ändern lassen. Schlimmer noch: Jeder "Apotheker in seiner Apotheke" (so die Diktion des BVerfG) haftet mit seinem gesamten Vermögen – GmbHs gibt's bei Apotheken nicht. Wenn wir überhaupt noch etwas für unsere Apotheken bekommen würden – wir hätten jeden Preis zu akzeptieren! Ein Ladenlokal in der Nähe wird sich in den meisten Fällen finden lassen. Keiner, der eine Kette auf- oder ausbauen will, ist auf unsere Apotheken angewiesen: Schlecker nicht, Douglas nicht, auch die Gehes nicht; letztere sind vielleicht zu unrecht – wegen ihrer Auslandserfolge bei der Etablierung von Apothekenketten – bislang allein ins Blickfeld geraten.

Peter Ditzel

Was wäre wenn... ?

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