DAZ aktuell

LAK Baden-Württemberg: Zertifiziertes Seminar Suchtpharmazie

STUTTGART (ri). Der Arbeitskreis Sucht der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg bietet neuerdings eine Fortbildung zur Suchtpharmazie an (Termine und Seminarinhalte siehe unter der Rubrik "Ankündigungen" in dieser Ausgabe). Das Thema Sucht bedeutet für den Alltag in der Apotheke weit mehr, als nur die Abgabe von Methadon. So ist der Offizinapotheker nach Ansicht des Arbeitskreises Sucht dazu prädestiniert zu erkennen, wie der sinnvolle Gebrauch von Medikamenten entarten kann. Ein geschulter Pharmazeut kann für den Süchtigen oder Suchtgefährdeten eine erste Anlaufstelle für ein Gespräch sein. Der Apotheker als Gesundheitsberater hat einen freiheitlichen, unverbindlichen Kontakt zum Kunden. Er kann aufklären, vermitteln und Bewusstsein schaffen.

Wie die Teilnehmer des Arbeitskreises Sucht in einem Gespräch mit der DAZ am 18. Juni in Stuttgart berichteten, höre man oft von süchtig gewordenen Patienten im Nachhinein den Vorwurf, warum ihn sein Arzt bzw. Apotheker nicht vor seinem offensichtlich falschen Umgang mit Medikamenten gewarnt habe. Ein aufmerksamer Apotheker könne im Idealfall für einen gefährdeten Patienten eine erste und entscheidende Instanz zur Vermeidung in den Sucht-Einstieg sein. Auch wenn in vielen Fällen die Betroffenen freiwillig und noch vor dem Arzt als Ansprechpartner das Gespräch mit einem Apotheker suchen, so ist die Zusammenarbeit mit den Ärzten hier besonders wichtig: Das Feedback Arzt - Apotheker - Arzt muss im Netz der Suchtkrankenhilfe funktionieren. Die Erfahrung habe glücklicherweise gezeigt, dass gerade auf diesem Gebiet die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker häufig sehr gut sei. Gründe für eine Fortbildung sehen die Teilnehmer des AK Sucht auch darin, dass sich kein Recht so schnell wandle, wie das Betäubungsmittelrecht.

Rolle des Apothekers in der Suchttherapie

Anhand der vielen beim Info-Center der LAK eingehenden Fragen, welche die Suchtproblematik betreffen, sei klar geworden, dass hier Aufklärungsbedarf besteht. Außerdem habe sich die Rolle des Apothekers in der Suchttherapie gewandelt. So ist er nicht mehr länger nur der Hersteller ärztlich verordneter Substitute, sondern er übernimmt im Sichtbezug im Namen des betreuenden Arztes vielerorts neue Aufgaben, so dass er als therapeutischer Beauftragter des Arztes auch über entsprechende rechtliche Konsequenzen Bescheid wissen muss.

Gerade bei der Suchtkrankenhilfe sei es unabdingbar, dass alle Beteiligten bei ihrem Erfahrungsaustausch genau wissen worüber sie sprechen. Während die Mediziner in ihrer Ausbildung eine Fachkunde Suchtmedizin durchlaufen und sich die Sozialarbeiter zusätzliche Qualifikationen selbst organisiert haben, sind die Apotheker auf diesem Feld bislang weitgehend untätig geblieben. Die Teilnehmer des AK Sucht waren sich in dem Gespräch mit der DAZ einig, dass die Apotheker als pharmazeutische Fachkräfte sich selbst um dieses Fortbildungsthema kümmern sollten. So hat beispielsweise die Pharmaindustrie Medikamente zur Substitution auf den Markt gebracht, anhand derer sich konkrete und neue Fragestellungen zur Abrechnung ergeben, die in dem Seminar beantwortet werden.

Auch auf die Wortwahl kommt es an

Wie subtil das Thema Sucht ist, beweisen auch die Diskussionen um die richtige Wortwahl: So sprechen Fachleute mittlerweile nicht mehr von einer Arzneimittelabhängigkeit, sondern von einem Arzneimittel-Fehlgebrauch. Durch diese Bezeichnung wird vermieden, dass Schmerzmittel, deren richtig dosierter Einsatz etwa bei einem Krebs-Patienten äußerst sinnvoll ist, in der Gesellschaft stigmatisiert werden. In der Fortbildung soll in diesem Zusammenhang auch darüber diskutiert werden, wie man einen Patienten anspricht, bei dem man einen Arzneimittel-Fehlgebrauch vermutet, ohne ihn als Kunden zu verlieren.

Natürlich soll auch über die Abhängigkeit von legalen Stoffen und nicht stoffgebundenen Süchten diskutiert werden, zumal sich Suchttherapie in einer Gesellschaft, deren Umgang mit Tabak und Alkohol oft sehr leichtfertig ist, nicht nur auf harte Drogen beziehen kann.

Schließlich ist die Apotheke außer für die Betroffenen auch eine Kontaktstelle für Angehörige. So habe beispielsweise eine Mutter, die zufällig in den Taschen ihres Kindes einen Stoff gefunden hat, den sie nicht einordnen kann, die Möglichkeit in der Apotheke, ohne Angst vor strafrechtlichen Folgen, überprüfen zu lassen, inwieweit es sich hier um Heroin handeln könnte.

Da aber auch "harmlose" Arzneimittel wie Nasentropfen, Laxanzien oder Analgetika Suchtpotenzial mit sich führen, ist auch unter diesem Aspekt die Sucht ein originäres Thema für den Apotheker. Schließlich wurde in dem Gespräch auch daran erinnert, dass etliche Drogen wie beispielsweise LSD und Exstasy in pharmazeutischen Labors entstanden sind - insofern sollte der Apotheker auch unter diesem Aspekt Verantwortungsbewusstsein zeigen.

Bei der LAK Baden Württemberg kann übrigens ein Mustervertrag, genannt "Vereinbarung zum unmittelbaren Überlassen von Drogen-Substitutionsmitteln in der Apotheke" bezogen werden. Die Fortbildung kann mit zwölf Stunden als Weiterbildung zum Fachapotheker für Offizin-Pharmazie angerechnet werden.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.