Die Seite 3

... dann ist das Musik in den Ohren so mancher Softwarehäuser und Unternehmensberater. Denn mit der Verblisterung von Arzneimitteln lässt sich so mancher Euro verdienen. Für alle, die mit dem Stichwort Verblisterung gerade nichts anfangen können, hier Klartext: Zur Zeit steht ein Gesetzentwurf zur Novellierung des Apothekengesetzes in der gesundheits- und berufspolitischen Diskussion, der die Versorgung von Alten- und Pflegeheimpatienten mit Arzneimitteln regeln soll. Sinn dieser Regelung soll es u. a. sein, die Qualität der Arzneimittelversorgung von Heimbewohnern zu verbessern, die Belieferung und Versorgung sicherer zu machen. Es soll z. B. gewährleistet werden, dass jeder Patient in einem solchen Heim seine Arzneimittel in der richtigen Dosis und zur richtigen Zeit bekommt. Bisher gibt es keine speziellen vorgeschriebenen Verträge und Vorschriften, die eine Apotheke erfüllen muss, wenn sie denn in den Genuss kommt, ein Heim versorgen zu dürfen. Wie nun ein Patient sein für ihn bestimmtes Arzneimittel bekommen soll, bleibt der Ausgestaltung des Vertrags zwischen Apotheke und Heim frei gestellt. Pfiffige Softwarehäuser und clevere Apothekenberater glauben nun den Stein der Weisen in einer Verblisterung der auszuliefernden Arzneimittel gefunden zu haben. Sie plädieren dafür, die für einen Patienten verordneten Tabletten, Dragees und Kapseln aus den Originalpackungen auszublistern (geht in aller Regel nur per Hand) und danach entsprechend den Einnahmevorschriften dosis- und zeitgerecht neu zu verblistern (geht in aller Regel halbmaschinell) und den Blister mit den Daten des Patienten zu versehen, so dass das Pflegepersonal in den Heimen die Blister jeweils nur noch den Patienten zuordnen muss. Dadurch wird, so die Argumentation der Blisterhersteller und -vertreiber, die Arzneimittelsicherheit erhöht, die Arzneimittel werden dokumentiert und das Pflegepersonal, das die Arzneimittel an die Patienten verteilt, wird entlastet. Eine Pflicht zur Verblisterung sieht der Gesetzentwurf allerdings nicht vor.

Ich habe mir einige Blistermodelle, wieder verwendbare Blisterträger und Einmalblister angesehen. Der optische Eindruck ist bestechend, eine saubere Sache. Aber sollte die Apotheke die Mehrarbeit für die Verblisterung und die Mehrkosten für die Blistermaschine und die Blisterstreifen aufbringen? Kosten, die nicht erstattet werden. Ist eine ordentliche und gut dokumentierte Arzneilieferung nicht auch ohne Verblisterung möglich?

Widerstand regt sich gegen Verblisterungskonzepte. Wie aus einem Beitrag auf Seite 30 in dieser Ausgabe hervorgeht, hat sich bereits der ABDA-Gesamtvorstand und Vorstände von Apothekerkammern gegen eine Verblisterung ausgesprochen. Auch auf der Interpharm Leipzig am vergangenen Wochenende wandten sich Apotheker und Juristen in einer Podiumsdiskussion gegen die Verblisterung (siehe Seite 61). Nur einige von vielen Contra-Argumenten: die unmittelbare Einbindung des Pflegepersonals in die Arzneiversorgung der Heimpatienten geht verloren, das Bereitstellen der Arzneimittel ist Sache der Pflegerinnen und Pfleger, Verblistern gehört nicht zum Berufsbild und den Dienstleistungen des Apothekers, es ist kein Ersatz für die Beratung. Auch berufspolitische Gründe dagegen werden angeführt: ein Vorpreschen beim Verblistern kann sich nachteilig auswirken, da in einem SPD-Papier die Möglichkeit zum Auseinzeln aus Großpackungen vorgesehen ist. Außerdem tauchen Fragen einer qualitätsgerechten Ausführung des Verblisterns auf (Stichwort hygroskopische und lichtempfindliche Arzneimittel); der Bezug des Pflegepersonals zur Originalpackung geht verloren. Es tauchen rechtliche Fragen auf (mit dem Verblistern wird der Apotheker Arzneimittelhersteller), gehört diese Tätigkeit zum Apothekenbetrieb oder muss sie außerhalb der Apothekenbetriebsräume ausgeführt werden? Und schließlich könnten dem Verblistern sogar wettbewerbsrechtliche Gründe entgegenstehen, da es sich beim unentgeltlichen Verblistern um eine nicht erlaubte Zugabe handelt.

Was auch gesehen werden muss: Es besteht die Gefahr der Anstiftung zum Betrug, wenn nämlich aus Anstaltspackungen heraus verblistert, aber eine OP abgerechnet wird. Außerdem: was ist mit Zäpfchen, Tropfen, Säften und anderen Arzneizubereitungen, die nicht verblistert werden können?

Die großen Vorteile einer Verblisterung sind nicht zu sehen, die Zuordnung Arzneimittel - Patient sowie eine Dokumentation lässt sich auch ohne Verblisterung erreichen. Wie denken Sie darüber?

Was Sie in dieser Ausgabe noch beachten sollten: Es gibt einen Vorstoß der ABDA in Richtung Aut-idem-Regelung bei Generika, nachdem die Ärzte in ihrer Bundesempfehlung zur Steuerung der Arzneiausgaben den Einsatz von mehr Generika fordern. Außerdem: Es wird über eine mögliche Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung diskutiert.

Und: Schauen Sie einmal in unseren Bericht von der Jubiläums-Interpharm in Leipzig mit dem Fortbildungsschwerpunkt Atemwegserkrankungen. Es lohnt sich.

Peter Ditzel

Wenn Blister knistern ...

Das könnte Sie auch interessieren

Interview mit Heike Gnekow, Inhaberin der Adler Apotheke Hamburg

Im Showroom

Eine betriebswirtschaftliche Analyse aus der Apothekenperspektive

Wann lohnt sich das Verblistern?

Die Apotheker und das Verblistern

Eine wechselvolle Beziehung

Warum die ABDA das Thema Verblisterung scheut – ein Meinungsbeitrag von Peter Ditzel

Laufen lassen und ignorieren

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.