Berichte

LAK Hessen: 70 Jahre Mutschler

Seinen 70. Geburtstag feierte Prof. Dr. Dr. Ernst Mutschler am 24. Mai 2001. Anlässlich dieses Jubiläums und als Dank für das Engagement Mutschlers und sein Wirken bei der Fortbildungsakademie lud die Landesapothekerkammer Hessen am 5. Juni zu einer Festveranstaltung im Biozentrum der Universität Frankfurt/Main. Die Laudatio sprach der derzeitige Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, Prof. Dr. Theodor Dingermann, einen Festvortrag mit dem Thema "Diuretika - 25 Jahre gemeinsame Forschung mit Ernst Mutschler" hielt einer der Weggefährten Mutschlers, der Direktor der Medizinischen Klinik des St. Bernward-Krankenhauses, Hildesheim, Prof. Dr. Heinz Knauf.

"Professor Mutschler ist ein Mann, der die Pharmazie über Jahre hinweg mitgestaltet hat und trotz seiner wissenschaftlichen Arbeit an der Universität die Basis nie in Vergessenheit geraten ließ", lobte die Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, Dr. Gabriele Bojunga, im Rahmen ihrer Ansprache Mutschlers Arbeit. Mutschler habe sich nie wie andere Hochschulprofessoren in seinen Elfenbeinturm der Wissenschaft zurückgezogen, sondern während seines gesamten Arbeitslebens an die Offizinapotheker und ihre praktische Arbeit gedacht. Dies könne man eindrucksvoll an seiner Tätigkeit als Lehrbuchautor, insbesondere an seinem Standardwerk "Arzneimittelwirkungen" sehen: "Der 'Mutschler' begleitet einen durch das gesamte pharmazeutische Leben und ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Buch für die Praxis", so Bojunga. Die Nähe zur Basis zeige sich aber nicht nur in Mutschlers Veröffentlichungen, sondern auch in Taten. So wirke Mutschler nach wie vor aktiv an den Fortbildungsveranstaltungen der Landesapothekerkammer Hessen mit und gestalte als Mitglied des Vorstandes der Akademie für Fortbildung deren Programm und Ausrichtung. Die Landesapothekerkammer Hessen profitierte davon sehr und schulde Mutschler großen Dank, der an dieser Stelle explizit ausgesprochen werden soll, so Bojunga. Sie schloss mit der Hoffnung, dass Mutschler seine Tätigkeit für die Kammer noch lange weiterführen werde.

Ein Fundamentalexperte der Pharmazie

"Wer kennt nicht Professor Mutschler? - Eine Vorstellung seiner Person ist eigentlich überflüssig. Kaum ein anderer Hochschulprofessor hat solch einen Ruf wie er", leitete Dingermann seine Laudatio ein. Dennoch gab er einen Überblick über die wichtigsten Daten aus Mutschlers Vita: Mutschler studierte in München und Tübingen Pharmazie, die Pharmazeutische Prüfung legte er 1957 ab.

Unter der Anleitung von Professor Rochelmeyer fertigte er anschließend am Pharmazeutischen Institut der Johann Gutenberg-Universität Mainz eine Dissertation an und wurde 1959 zum Dr. rer. nat. promoviert. Es folgte die Habilitation, die er ebenfalls in Mainz im Jahr 1964 beendete. Damit gab sich Mutschler allerdings nicht zufrieden. Bereits während seiner Assistentenzeit hatte er nebenbei das Medizinstudium aufgenommen, die Ärztliche Prüfung legte er 1965 ab. Ein Jahr später wurde er mit einer Arbeit unter Leitung von Professor Kuschinsky zum Dr. med. promoviert, 1974 erhielt er die Approbation als Arzt. Seine Ernennung zum Professor am Pharmazeutischen Institut der Universität Mainz erfolgte 1968. 1973 nahm Mutschler einen Ruf auf das Ordinariat für Pharmakologie im Fachbereich Biochemie, Pharmazie und Lebensmittelchemie an der Universität Frankfurt an. Dort wirkte er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1997 und baute das Institut zu einer international anerkannten Forschungsstätte aus.

Seine wissenschaftlichen Leistungen wurden durch zahllose Auszeichnungen gewürdigt, so z.B. durch die Schmiedeberg-Palette, die Mutschler unlängst von der Gesellschaft für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie verliehen wurde. Dingermann betonte, dass man Mutschler mit Blick auf seine Vita als Fundamentalexperten auf dem Gebiet der Pharmazie bezeichnen könne. Da ihm das Spannungsfeld zwischen Arzt und Apotheker täglich vor Augen geführt worden sei, habe er zudem großen Wert auf Interdisziplinarität gelegt. Allerdings, so Dingermann, habe sein Herz stets für die Seite der Pharmazeuten geschlagen.

Auch Dingermann würdigte "den Mutschler" als das Standardwerk in der Pharmazie schlechthin. Als genialen Schachzug bezeichnete er die Hinzuziehung der Professoren Gerd Geisslinger, Heyo K. Kroemer und Monika Schäfer-Korting als Coautoren für die vor kurzem erschienene 8. Neuauflage des Lehrbuchs. "Mutschler beweist mit dieser Vorgehensweise Weitblick und Verantwortung für sein Werk. Das Hinzuziehen dieser praxisnahen Wissenschaftler garantiert das Fortbestehen des Lehrbuchs und seine Weiterentwicklung im Sinne Mutschlers", betonte Dingermann.

Diesen Weitblick habe Mutschler im übrigen in der Vergangenheit schon an anderer Stelle bewiesen. So habe er sich 1997 zur Emeritierung und 1999 zur Beendigung seiner Tätigkeit als Vortragsredner entschlossen, obwohl er dies aufgrund seiner geistigen und körperlichen Fitness durchaus nicht nötig gehabt hätte. "Zu gehen, solange es alle bedauern und bevor die geistigen Kräfte und die Urteilsfähigkeit nachlassen, ist eine verantwortungsbewusste und bewundernswerte Haltung." Trotzdem sei es für die Pharmazie natürlich ein Verlust, weshalb Dingermann als Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft sich auch freue, dass Mutschler diese weiterhin unterstütze. Er sprach Mutschler seinen Dank für dessen Engagement auf diesem Gebiet aus und seine Hoffnung, dass er dieses noch lange aufrecht erhalten werde.

Kaliumsparende Diuretika

Weg von der praktischen Apothekerarbeit hin zur Forschung ging der Schwenk des Festvortags von Professor Heinz Knauf. Er berichtete über Arbeiten, die er gemeinsam mit Mutschler zum Thema Diuretika erstellt hatte. Dabei ging es unter anderem um die Erforschung der Wirkweise von Triamteren und seinen Metaboliten. Triamteren ist ein so genanntes kaliumsparendes Diuretikum. Nach derartigen Substanzen wurde im Rahmen der Diuretikaentwicklung gesucht, da der Organismus gegen Kaliumverluste wenig geschützt ist, im Hungerzustand etwa mehr Kalium als Natrium verliert. Wie die Arbeiten über Triamteren ergaben, wirkt die Substanz in den distalen Tubuli und den corticalen Sammelrohren, wo sie von der Lumenseite her die Natriumaufnahme in die Tubuluszellen hemmt. Dadurch nimmt die lumen-negative, transepitheliale elektrische Potenzialdifferenz ab und die (passive) Kaliumsekretion wird gehemmt. Die Abnahme dieser Potenzialdifferenz wurde zunächst am isolierten Speicheldrüsenkanal der Ratte erforscht. Durch diese Forschungsarbeiten wurde deutlich, dass der spannungsabhängige Natriumkanal der Hauptangriffspunkt der kaliumsparenden Diuretika wie Triamteren ist.

Triamterenausscheidung bei Leberkrankungen

In weiteren Forschungsarbeiten wurde die Pharmakokinetik von Triamteren untersucht. Die orale Bioverfügbarkeit von Triamteren liegt bei 30 bis 70%, die Plasmaeiweißbindung um 50%. Im Harn wird Triamteren nur zu 4% unverändert ausgeschieden. Es wird in der Leber rasch zu Hydroxytriamteren und weiter zu dessen Schwefelsäureester biotransformiert. Beide Metaboliten wirken noch schwach diuretisch und werden durch tubuläre und glomeruläre Filtration ausgeschieden.

Funktioniert die Biotransformation aufgrund von Lebererkrankungen nicht, müssten Diuretika wie Triamteren theoretisch in höheren Konzentrationen unmetabolisiert an die Niere, sprich ihren Wirkort, gelangen und somit auch stärker wirken. Dies, so erklärte Knauf, stellt sich in der Klinik jedoch nicht so dar. Leberkranke seien im Gegenteil oft diuretikaresistent. Werde dies nicht erkannt, könne es dazu führen, dass man Leberkranken höhere Mengen an Diuretika zuführe (zur Beseitigung eines Aszites). Die erwünschte Wirkung würde sich dadurch jedoch nicht einstellen. Erreichen könne man damit nur, dass die Nebenwirkungen, also eine verstärkte Kaliumausscheidung, zunähmen. Statt eine Monotherapie mit erhöhten Diuretikakonzentrationen durchzuführen, sei es besser, eine Kombinationstherapie zu wählen; beispielsweise ein Schleifendiuretikum vom Furosemid-Typ mit einem Thiazid zu kombinieren. Man bezeichnet diese Vorgehensweise laut Knauf als sequenzielle Nephronblockade. Sie ist seiner Aussage nach sowohl bei Lebererkrankungen als auch bei Herzinsuffizienz und Patienten mit nephrotischem Syndrom sinnvoll.

"Feststellen kann man derartige Zusammenhänge nur am Menschen, nicht an der isolierten Zelle", betonte Knauf abschließend. Die Forschungsarbeiten, die er gemeinsam mit Mutschler in der Vergangenheit durchgeführt habe, zeigten, wie wichtig die Betrachtung des Ganzen sei. Dies dürfe man auch in der Zukunft und trotz der Erkenntnisse, die man mit Hilfe der Gentechnologie mittlerweile erhalten habe, nie vergessen.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.