Arzneimittel und Therapie

Typ-2-Diabetes: Therapieoptionen optimal einsetzen

Bis zum Jahr 2010 werden fast zehn Prozent der Bevölkerung in den Industrienationen einen Typ-2-Diabetes entwickelt haben, weltweit könnten 200 bis 300 Millionen Menschen bis zum Jahr 2025 betroffen sein. Schuld an dieser Erkrankung sind vor allem Überernährung in Kombination mit mangelnder Bewegung und der entsprechenden genetischen Veranlagung. Zwar kann ein beginnender Typ-2-Diabetes häufig mit Umstellungen des Lebensstils wirkungsvoll gestoppt werden, aber meistens sind diese Lebensstiländerungen langfristig nicht umsetzbar. So wird auch in Zukunft die medikamentöse Therapie im Vordergrund stehen. Dafür gibt es heute vielfältige Therapieoptionen, die individuelle Behandlungsstrategien ermöglichen.

85 Prozent aller Typ-2-Diabetiker sind übergewichtig. Bei ihnen beginnt die Stoffwechselstörung mit Stammfettsucht, Störungen des Fettstoffwechsels und Hypertonie sowie den auslösenden Faktoren Insulinresistenz und Hyperinsulinämie, dem so genannten metabolischen Syndrom, das damit auch als Prä-Typ-2-Diabetes bezeichnet werden kann.

Gefahr von Folgeschäden

Das größte Problem des Typ-2-Diabetes sind die Folgeschäden, die vor allem durch unzureichende Kontrolle und Einstellung des Blutzuckerspiegels verursacht werden. Erhöhte Blutzuckerspiegel schädigen das Gefäßsystem; als Konsequenz können Polyneuropathien, Nierenversagen oder Erblindung auftreten. Speziell die Blutzuckerspitzen nach dem Essen sollen eine besondere Bedeutung bei der Entstehung makrovaskulärer Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall besitzen.

Erste Maßnahmen: Diät und Bewegung und nicht-insulinotrope Substanzen

Die ersten Therapiemaßnahmen bei Typ-2-Diabetes sind immer die Ernährungs- und Bewegungstherapie. Als Arzneimittel werden im Anfangsstadium nicht-insulinotrope orale Antidiabetika eingesetzt. Dazu gehören die Alpha-Glucosidasehemmer Acarbose und Miglitol, neuerdings die Glitazone oder auch Insulinsensitizer Rosiglitazon und Pioglitazon sowie Metformin. All diese nicht-insulinotropen Substanzen beeinflussen die Insulinresistenz, ohne dabei die körpereigene Insulinsekretion zu stimulieren. Bei beginnender Herzinsuffizienz dürfen keine Glitazone eingesetzt werden.

Metformin ist für Übergewichtige besonders geeignet

Metformin vermindert die Insulinresistenz und steigert so die Glucoseaufnahme in die Muskelzellen. Der Einsatz von Metformin bei übergewichtigen Typ 2-Diabetikern ist mit besonderen Vorteilen verbunden: Neben einer adäquaten Blutzuckerkontrolle kommt es praktisch zu keiner Gewichtszunahme. Auch kommt es selten zu Hypoglykämien. Metformin vermindert das kardiovaskuläre Risiko: Die Herzinfarkt- und Schlaganfallrate konnte im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant reduziert werden. Bei beginnender Niereninsuffizienz, einem häufig auftretendem Problem bei Diabetikern, ist Metformin allerdings kontraindiziert.

Maximaler Effekt mit 2 x täglich 1000 mg

Bei der Metformin-Behandlung ist eine Dosierung von 3 x 500 mg, 2 x 850 mg oder 2 x 1000 mg gebräuchlich. Eine Studie zeigte kürzlich, dass die Dosis von 2 x 1000 mg Metformin täglich die Nüchternblutzuckerspiegel sowie den HbA1c-Wert besonders effektiv senkte. Gastrointestinale Nebenwirkungen waren unter der maximal wirksamen 2000-mg-Dosis nicht häufiger als bei niedrigerer Dosierung.

Meistens wird eine Kombinationstherapie notwendig

Eine Kombinationstherapie mit verschiedenen oralen Antidiabetika wird spätestens dann notwendig, wenn für eine normnahe Blutzuckereinstellung die Behandlung mit Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie mit einer nicht-insulinotropen Substanz nicht ausreichend ist. Nach 15 Jahren Diabetesdauer können nur noch drei Prozent der Patienten auf diese Weise behandelt werden. Bei den übrigen wird eine Kombination mit verschiedenen oralen Antidiabetika notwendig.

In Deutschland ist beispielsweise die Kombination eines Sulfonylharnstoffs mit einem Biguanid üblich. In den USA existiert diese als feste Kombination mit den Wirkstoffen Metformin und Glibenclamid und wird dort als First-line-drug empfohlen. Auch andere insulinotrope Substanzen wie Nateglinid und Repaglinid können erfolgreich mit Metformin kombiniert werden, und für die Glitazone wird ausdrücklich die Kombination mit Metformin empfohlen. Metformin kann auch mit Insulin gut kombiniert werden und hat sich hier insbesondere bei übergewichtigen Patienten bewährt.

Auch Blutdruck und Blutfette kontrollieren

Neben dem Blutzucker müssen auch die Blutdruckwerte und der Fettstoffwechsel möglichst gut eingestellt werden, denn ein Diabetiker hat ein kardiovaskuläres Risiko, das mit dem eines Patienten nach einem Herzinfarkt vergleichbar ist. Neben den Antidiabetika spielen daher auch Antihypertonika und Lipidsenker eine wichtige Rolle in der Therapie des Typ-2-Diabetikers.

Studien zeigen den Fortschritt in der Diabetestherapie

In mehreren Studien wurden die Therapieoptionen bei Typ-2-Diabetes untersucht und immer wieder den neuesten Erkenntnissen angepasst:

  • 1993 wurden die Ergebnisse des "Diabetes Control and Complications Trial" (DCCT) veröffentlicht. Seitdem gilt als gesichert, dass eine gute Kontrolle des Glucosestoffwechsels mit einem verminderten Risiko für diabetische Folgeschäden einhergeht.
  • Die "United Kingdom Prospective Diabetes Study" (UKPDS) ist die größte und längste Studie in der Diabetes-Forschung. Sie begann 1977, umfasste 5012 Patienten mit Typ-2-Diabetes und wurde 1998 beendet. In der Studie wurde untersucht, ob eine intensive medikamentöse Therapie bei Typ-2-Diabetes einen klinisch nachweisbaren Effekt auf mikro- und makrovaskuläre Schäden hat. Darüber hinaus wurde die Anwendung oraler Antidiabetika wie Sulfonylharnstoffe und Metformin im Hinblick auf ihre therapeutischen Vor- und Nachteile untersucht. Dabei zeigte sich, dass sich eine intensivierte Einstellung der Blutzuckerwerte lohnt und außerdem eine straffe Blutdrucksenkung Vorteile hat. Besonders positiv schnitt Metformin ab: Es war im Hinblick auf die herzschützende Wirkung das günstigste Antidiabetikum. Bei den mit Metformin behandelten übergewichtigen Diabetikern verminderten sich makroangiopathische Endpunkte und das Mortalitätsrisiko. Sulfonylharnstoffe steigern den Studienergebnissen zufolge die kardiovaskuläre Mortalität nicht, und Insulin führte nicht zu einer Zunahme arteriosklerotischer Ereignisse.
  • In der DECODE-Studie (Diabetes Epidemiology: Collaborative Analysis of Diagnostic Criteria in Europe) wird der Einfluss unterschiedlicher Diagnosekriterien für Diabetes mellitus hinsichtlich Klassifikation und Prognose untersucht. Von Interesse ist hier, inwieweit eine "Re-Klassifikation" durch Anwendung unterschiedlicher Diagnosekriterien Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit und die kardiovaskuläre Mortalität hat. Fast ein Drittel der untersuchten Personen wären durch alleinige Messung der Nüchternblutzuckerwerte nicht als Typ-2-Diabetiker erkannt worden. Ausschlaggebend war die Messung der postprandialen Blutglucosewerte. Als unabhängiger Risikofaktor für die kardiovaskuläre Mortalität erwiesen sich dabei die 2-h-Blutglucosewerte im oralen Glucosetoleranztest. Antidiabetische Therapiestrategien mit einem günstigen Effekt auf postprandiale Blutzuckerwerte könnten sich somit auch günstig auf das kardiovaskuläre Risiko auswirken.
  • In der TEMPO-Studie (Type 1/2 Diabetes: Evaluation of Monetary Aspects and Prevalence of Complications in an Outpatient Setting), einer prospektiven, multizentrischen, nicht-intervenierenden Beobachtungsstudie zur ambulanten Diabetestherapie werden unter anderem Prävalenzdaten zu Begleit- und Folgeerkrankungen bei Diabetikern erhoben und Effizienzanalysen medikamentöser und nicht-medikamentöser Interventionen durchgeführt. Durch die detaillierte Beschreibung von Patiententypologien lassen sich Risikoprofile aufbauen, für die mit Hilfe der Daten aus der TEMPO-Studie Prävalenzen angegeben werden können. So können medikamentöse Interventionen nach Kosteneffizienz-Gesichtspunkten analysiert werden.

Kastentext: Typ-2-Diabetes

Der Typ-2-Diabetes gilt als heterogene Erkrankung, bei der sich in den Vorstadien und zu Beginn der Erkrankung zwei Phänomene nachweisen lassen: eine gestörte Insulinsekretion und eine Insulinresistenz. Diese Form des Diabetes wurde früher auch als "Altersdiabetes" bezeichnet, sie kann aber bereits vor dem 40. Lebensjahr und selbst im Kindesalter auftreten. Der Typ-2-Diabetes ist etwa 20-mal häufiger als der Typ-1-Diabetes, der auf einer autoimmunen Zerstörung der Betazellen in den Langerhans-Inseln des Pankreas beruht. 90% aller Diabetiker in Deutschland sind Typ-2-Diabetiker. Bei etwa 10% der Zuckerkranken ist eine Autoimmunerkrankung Ursache des Diabetes im Erwachsenenalter ("verzögerter Typ-1-Diabetes"; LADA-Diabetes, Latent Autoimmune Diabetes in Adults). Diese Form findet sich besonders bei jüngeren Typ-2-Diabetikern zwischen 30 und 50 Jahren, die meist nicht übergewichtig sind. Bei ihnen ist eine Therapie mit oralen Antidiabetika nur kurze Zeit wirksam.

Quelle: Dr. med. Andreas Hamann, Heidelberg; Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert, München; Dr. med. Ralph-Achim Bierwirth, Essen, Symposium "Typ 2-Diabetes: Therapieoptionen 2001", im Rahmen der 36. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, Aachen, 24. Mai 2001, veranstaltet von Merck KGaA, Darmstadt.

Bis zum Jahr 2010 werden fast zehn Prozent der Bevölkerung in den Industrienationen einen Typ-2-Diabetes entwickelt haben, weltweit könnten 200 bis 300 Millionen Menschen bis zum Jahr 2025 betroffen sein. Schuld an dieser Erkrankung sind vor allem Überernährung in Kombination mit mangelnder Bewegung und der entsprechenden genetischen Veranlagung. Zwar kann ein beginnender Typ-2-Diabetes häufig mit Umstellungen des Lebensstils wirkungsvoll gestoppt werden, aber meistens sind diese Lebensstiländerungen langfristig nicht umsetzbar. So wird auch in Zukunft die medikamentöse Therapie bei dieser Erkrankung im Vordergrund stehen. Dafür gibt es heute vielfältige Therapieoptionen, die individuelle Behandlungsstrategien ermöglichen.

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