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Hormonelle Kontrazeption: 40 Jahre Pille

(sch/ks). Vor 40 Jahren brachte die Firma Schering die erste Antibabypille auf den bundesdeutschen Markt. Die seinerzeit vorherrschenden sexualmoralischen Vorstellungen bereiten der Pille zunächst einige Startschwierigkeiten. Heute ist sie jedoch für Frauen in Deutschland unbestritten das Verhütungsmittel erster Wahl.

Die Geschichte der Empfängnisverhütung lässt sich zurückverfolgen bis ins alte Ägypten. Schon vor etwa 4000 Jahren sollen dort Zäpfchen aus zerstoßenen Granatapfelkernen und Wachs geformt worden sein. Der Granatapfel enthält ein natürliches Östrogen, sodass der Gebrauch dieses frühen Verhütungsmittels möglicherweise den Eisprung verhindern konnte. Im Mittelalter benutzten die Menschen Kondome aus Tierdärmen, Fischhaut oder Leinen. Ungewollte Schwangerschaften blieben auf diese Weise allerdings nicht aus.

Die Geschichte der hormonellen Kontrazeption begann vor 100 Jahren. Im Jahre 1901 wies der Innsbrucker Physiologe Ludwig Haberlandt in ersten ernstzunehmenden Forschungen nach, dass die Menstruation von Hormonen abhängt, die zentral im Gehirn und in den Eierstöcken der Frau gebildet werden.

Im Laufe des Jahrhunderts kommt es in der Wissenschaft zu vielerlei Entdeckungen. Weibliche Sexualhormone werden isoliert, die eisprunghemmende Wirkung von Progesteron nachgewiesen, das erste oral wirksame Östrogen und Gestagen entwickelt. Im Ergebnis all dieser Untersuchungen und Erkenntnisse kommt im Jahre 1960 in den USA die erste Pille auf den Markt.

Wirkungsweise der Pille

Das Wirkprinzip der Pille basiert bekanntlich auf einem einfachen Mechanismus: dem Körper wird mit Hilfe von Hormonen eine Schwangerschaft vorgetäuscht und damit der Eisprung unterdrückt. Die Pille wirkt sowohl zentral im Gehirn als auch in den Eierstöcken, Eileitern und der Gebärmutter. Hormonale Kontrazeptiva hemmen die beiden Schlüsselhormone, die den Eisprung auslösen. Zunächst wird verhindert, dass das follikelstimulierende Hormon (FSH) freigesetzt wird. Diese Substanz ist verantwortlich für die Reifung der Eizelle.

Zusätzlich wird die Ausschüttung des Luteinisierungshormons (LH) gehemmt, das normalerweise in der Zyklusmitte den Eisprung auslöst. Die Produktion beider Hormone setzt ein, wenn die Konzentration von Progesteron und Östrogen niedrig ist. Da aber beide Hormone in der Pille enthalten sind, kann der FSH/LH-Produktionszyklus nicht anspringen.

Die Östrogene in der Pille sorgen für einen etwa 28-tägigen stabilen Zyklus und dafür, dass keine Zwischenblutungen auftreten. Das Gestagen hemmt hauptsächlich die Reifung der Eizelle im Eierstock. Zudem wird der Schleim im Gebärmutterhals verdickt, Spermien haben so keine Chance mehr, bis zur Gebärmutter vorzudringen.

Die erste Pille in Deutschland

In der Bundesrepublik bringt Schering am 1. Juni 1961 mit Anovlar die erste Pille auf den Markt. Ihr Start gestaltet sich noch schwierig. Die Sexualmoral der 50er und frühen 60er Jahre lässt sich nicht so schnell erschüttern. Die Pille berührt einen sensiblen und in weiten Teilen tabuisierten Bereich: Sexualität und Fortpflanzung werden erstmalig voneinander getrennt. Zunächst soll Anovlar in erster Linie zur Behandlung von Menstruationsbeschwerden und zudem nur an verheiratete Frauen abgegeben werden. Die kontrazeptive Wirkung dieser Pille ist auf dem Beipackzettel nur am Rande erwähnt. Im Jahre 1964 liegt die Akzeptanzrate bei gerade mal 1,7 Prozent. 1965 kommt mit dem Präparat Ovosiston des VEB Jenapharm auch in der DDR das erste hormonale Verhütungsmittel auf den Markt.

Erst 1968, als die Studentenbewegung aufflammt und Frauen sexuelle Selbstbestimmung fordern, ändert sich das Klima für die Pille. Junge Frauen wollen lieben, ohne Angst vor ungewollter Schwangerschaft und moralischen Repressionen. Das Tabu der vorehelichen Sexualität ist gebrochen. Nunmehr können Frauen planen, wann und wie oft sie Mutter werden wollen.

In diesem Zuge verbessert sich auch die berufliche Situation der Frauen. Mittlerweile finden es 12 Prozent in Ordnung, die Pille einzunehmen. In den 70er Jahren wird die Pille von Millionen Frauen wie selbstverständlich genommen. Zur Mitte des Jahrzehnts schlägt die Stimmung kurzfristig wieder um: das Phänomen des Pillenknicks wird heftig diskutiert. Ist die Pille schuld, dass die Deutschen auszusterben drohen? Diese Behauptung wird jedoch schnell als Mythos entlarvt.

Die Pille in steter Entwicklung

Seit den 70er Jahren kommen Neuentwicklungen von hormonalen Kontrazeptiva auf den Markt, die sich in Art und Zusammensetzung der Hormone unterscheiden. Während Anovlar noch 50 Mikrogramm Östrogen enthielt, weisen moderne Pillen nur noch eine Konzentration von 20 bis 30 Mikrogramm auf. Während der Östrogen-Gehalt der meisten Pillen ähnlich ist, variiert vor allem das in ihnen enthaltene Gestagen und dessen Dosierung. Heute sind vor allem klassische Kombinationspräparate auf dem Markt. Wenn der Östrogengehalt weniger als 50 Mikrogramm beträgt, spricht man auch von der Mikropille. Monophasische Mikropillen, die in allen Dragees die gleiche Menge Östrogen und Gestagen enthalten, sind nicht nur sicher und gut verträglich, sondern helfen auch bei kosmetischen Problemen wie Akne und fettigem Haar.

Ebenfalls zu den Mikropillen gehören die Dreistufenpillen. Das Besondere an ihnen ist, dass sie Östrogen und Gestagen in verschiedenen Dosierungen enthalten. Des weiteren gibt es Sequenz- oder Zweiphasenpillen. Diese enthalten in der ersten Phase nur Östrogen (ggf. kombiniert mit einer sehr geringen Menge Gestagen) und in der zweiten Phase Östrogen und Gestagen. Mit einem Pearl-Index von 0,1 bis 0,9 sind Kombinationspillen außerordentlich sicher.

Neben den Kombinationspräparaten sind auch so genannte Minipillen erhältlich. Diese enthalten nur Gestagen in geringer Dosierung. Der Eisprungs wird daher nicht bei allen Minipillen gehemmt. Die Schwangerschaft wird hauptsächlich über eine Veränderung der Gebärmutterschleimhaut und vor allem eine Verdickung des Schleims im Gebärmutterhalts verhütet. Deshalb liegt der Pearl-Index zwischen 1 und 3, d.h. die Minipille ist nicht ganz so sicher wie die Mikropille. Soweit die Minipille jedoch konsequent täglich zur gleichen Zeit eingenommen wird, ist auch hier ein Pearl-Index von 0,5 zu erreichen.

Die Pille - Verhütungsmittel Nummer 1 vor allem bei jungen Frauen

Mittlerweile ist die Akzeptanzrate der Pille weiter gestiegen. 37 % aller Frauen zwischen 14 und 44 Jahren verlassen sich in punkto Verhütung voll und ganz auf sie. Insbesondere junge Frauen vertrauen der hohen Sicherheit, die dieses Kontrazeptivum bietet. 44 % der 14 bis 19-Jährigen und 55 % der 20 bis 24-Jährigen verwenden die Pille zur Verhütung. Mit zunehmendem Alter steigt dann die Akzeptanz für Langzeit-Methoden wie Spirale oder Sterilisation. Letztere ist die bei den 40 bis 44-jährigen Frauen am häufigsten gewählte Methode. Nur 18% der 14 bis 44-jährigen Frauen haben gar keine Erfahrung mit der Pille. Die Hälfte dieser Frauen begründet dies mit Angst vor Nebenwirkungen, die andere sah bislang keinen Anlass, überhaupt zu verhüten.

Von allen Frauen, die die Pille nehmen, sagen 60%, dass sie mit dieser voll und ganz zufrieden seien. Weitere 28% geben an, eher zufrieden zu sein. Das heißt: Wer zur Zeit die Pille nimmt, ist fast immer damit zufrieden. Diejenigen Frauen, die mit der Pille eher unzufrieden sind, geben die Gewichtszunahme als Hauptgrund hierfür an.

Risiken und Nebenwirkungen

Seitdem die Pille auf dem Markt ist, setzten sich auch vielfältige Untersuchungen mit ihren tatsächlichen und möglichen Gefahren auseinander. Immer wieder gerät das eine oder andere Präparat in Diskussion. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass stets ein gewisses Angstpotenzial bei Frauen bestehen bleibt.

Besonders lebhaft diskutiert wurde immer wieder der Zusammenhang zwischen Pille und Thrombose. Sofern bei Frauen bereits Risikofaktoren bestehen - z. B. Thrombosen in der Familiengeschichte, Übergewicht oder Bluthochdruck -, ist die Einnahme der Pille mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien, Herz-Kreislauf- oder anderen ernsthaften Erkrankungen verbunden. Für gesunde Frauen, die nicht vorbelastet sind, ist dieses Risiko allerdings sehr gering.

Auch das Rauchen und die Einnahme der Pille erhöht das Risiko von Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System. Dieses Risiko steigt mit zunehmenden Alter und der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten. Frauen über 30, die die Pille nehmen, sollten daher zu ihrem eigenen Besten auf das Rauchen verzichten.

Verbreitet ist auch die Angst vor Brustkrebs aufgrund der Einnahme der Pille. Dieses Thema wurde immer wieder kontrovers dargestellt. Trotz zahlreicher Studien zur Ermittlung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Pille und Brustkrebs, konnten bislang keine Hinweise auf einen tatsächlichen Kausalzusammenhang festgestellt werden. Moderne Präparate führen auch nicht mehr zu der von vielen Frauen gefürchteten Gewichtszunahme. So wirken etwa neuartige Gestagene den östrogenbedingten Wassereinlagerungen entgegen.

Die Pille für den Mann

Während der Frau 14 Methoden zur Verfügung stehen, eine Schwangerschaft zu vermeiden, bleiben dem Mann hierfür gerade vier Möglichkeiten: Kondome, Coitus interruptus, Sterilisation oder Enthaltsamkeit. Wohl gab es immer wieder Versuche, eine Pille für den Mann zu entwickeln. Medizinische Gründe und die kaum vorhandene Bereitschaft der Männer, sich um Verhütung zu kümmern, bescherten diesem Vorhaben jedoch bis heute keinen Erfolg.

Doch die Verhältnisse ändern sich allmählich. Gegenwärtig befindet sich die Pille für den Mann im klinischen Versuchsstadium. Die freiwilligen Probanden erhalten Gestagen-Tabletten, die auf die Hypophyse wirken und verhindern, dass ein Hormon freigesetzt wird, das für die Spermienbildung notwendig ist. Zudem wird kein Testosteron mehr gebildet. Um die Libido zu erhalten, wird den Studienteilnehmern deshalb zusätzlich einmal im Monat Testosteron in den Muskel gespritzt. Dies ist nötig, da das männliche Sexualhormon bei oraler Einnahme bereits in der Leber abgebaut wird.

Forschungen zur Fertilitätskontrolle beim Mann schreiten voran. Die bislang gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass eine sichere Verhütungsmethode für den Mann möglich ist. Sie setzt an der Funktion des Nebenhodens an. Samenzellen, die den Hoden verlassen haben, sind zunächst noch nicht in der Lage, eine Eizelle zu befruchten. Hierzu müssen sie zunächst die Nebenhoden passieren und dort einen Reifungsprozess durchlaufen. Forscher erwarten zudem neue Erkenntnisse vom Verständnis des molekularen Erkennungsmechanismus von Eizelle und Spermium während der Befruchtung.

Vor 40 Jahren brachte die Firma Schering die erste Antibabypille auf den bundesdeutschen Markt. Die seinerzeit vorherrschenden sexualmoralischen Vorstellungen bereiteten der Pille zunächst einige Startschwierigkeiten. Heute ist sie jedoch für Frauen in Deutschland unbestritten das Verhütungsmittel erster Wahl. 37 % aller Frauen zwischen 14 und 44 Jahren verlassen sich in punkto Verhütung voll und ganz auf sie.

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