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DGRA-Jahrestagung: Revision des europäischen Zulassungssystems

BONN (hb). Die Deutsche Gesellschaft für Regulatory Affairs (DGRA) findet bei den Zulassungsexperten in Deutschland großen Anklang. Erst vor zwei Jahren in Bonn gegründet, zählt sie bereits 250 Mitglieder, und die zweite Jahrestagung am 10./11. Mai 2001 in Bonn, die den Schwerpunkt auf europäische Aspekte legte, war außerordentlich gut besucht. Die internationalen Referenten beleuchteten mit den rund 160 Teilnehmern unter anderem das Konzept der EU-Kommission zur Reform des europäischen Zulassungssystems, basierend auf nunmehr fünf Jahren Anwendungserfahrung.

Die Revision des Zulassungssystems wird bereits seit geraumer Zeit eingehend diskutiert und sein Ergebnis mit Spannung erwartet. Schließlich müsse das revidierte Konzept, wie Dr. Paul Weissenberg von der Generaldirektion Unternehmen der Europäischen Kommission hervorhob, voraussichtlich auch einer Gemeinschaft mit erheblich mehr Mitgliedstaaten standhalten. Wo liegen derzeit die Hauptproblempunkte?

Bei der gegenseitigen Anerkennung hakt es

Weissenberg beklagte in erster Linie die mangelnde Bereitschaft der Mitgliedstaaten, von anderen Behörden erteilte Zulassungen im Rahmen des dezentralen Verfahrens anzuerkennen. Diese Praxis führe häufig zu Mehrfachprüfungen und zu einer "Verschleuderung von Ressourcen". Aus diesem Grund plane die Kommission, die Stellung des Gremiums, das die gegenseitige Anerkennung katalysiert, der Mutual Recognition Facilitation Group (MRFG), zu stärken und ihren Entscheidungen mehr Durchsetzungskraft zu verleihen. Der Präsident des BfArM Prof. Dr. Harald Schweim führte als Knackpunkt das so genannte schwerwiegende gesundheitliche Risiko an, das die Mitgliedstaaten als Grund für die Verweigerung der Anerkennung einer Zulassung geltend machen können.

Schweim hält eine einheitliche europäische Definition des Begriffs für dringend geboten, um zu verhindern, dass hierbei ungerechtfertigterweise nationale Besonderheiten, mangelnde Objektivität und "historische Entwicklungen" in den einzelnen nationalen Arzneimittelmärkten zum Tragen kommen.

Was soll zentral, was dezentral gehen?

Ein weiterer Diskussionspunkt, der sowohl für die Zulassungsstrategien der pharmazeutischen Industrie als auch im Hinblick den zukünftigen Status und die personelle Ausstattung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) wie auch der nationalen Zulassungsbehörden von besonderer Bedeutung ist, ist die Zuordnung der einzelnen Arzneimittel, wie z. B. biotechnologischer und innovativer Arzneimittel oder Generika zu den beiden Verfahrensarten zentral und dezentral. So viel scheint derzeit klar, dass den Antragstellern für bestimmte Fälle eine Wahlmöglichkeit eingeräumt werden kann, die Frage ist nur, für welche.

Für den BfArM-Präsidenten Schweim ist jedenfalls die Eigenschaft als biotechnologisch hergestelltes Arzneimittel oder auch die Einstufung als "neuer Stoff" noch kein zwingender Grund für eine automatische Zuordnung zum zentralen europäischen Zulassungsverfahren. Seiner Ansicht nach sollte dieses vielmehr den echten Innovationen vorbehalten bleiben, während der Innovation entwachsene Produktklassen, Generika, OTC-Arzneimittel und ausgewählte Phytopharmaka über das dezentrale Anerkennungsverfahren zugelassen werden könnten.

Divergierende Indikationen und Produktinformationen

Ein große Aufgabe für die Zulassungsbehörden ist die Harmonisierung der divergierenden Zusammenfassungen der Produktmerkmale eines Arzneimittels (SPC, Fachinformation). Hier bestehen vielfach Unterschiede sowohl zwischen Originalanbieter und Zweitanmelder als auch zwischen verschiedenen Generika auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Wie bei der Veranstaltung anhand von Beispielen deutlich gemacht wurde, stellt dies für die Zulassungsbehörden der Mitgliedstaaten häufig ein kaum lösbares Problem dar, das sich zudem in divergierenden Informationen für die Patienten/Verbraucher niederschlägt. Dem Ver- nehmen nach soll daher bereits in naher Zukunft vermehrt von einem eigens hierfür zur Verfügung stehenden Verfahren (sog. "Artikel 11-Verfahren") Gebrauch gemacht werden, mit dem bereits erteilte nationale Zulassungen quasi "zwangsweise" harmonisiert werden können.

Pharmakovigilanz, Änderungsanzeigen, Zulassungsverlängerung

Neben den drei angeführten Hauptproblemfeldern wird im Rahmen der Revision der Zulassungssystems auch auf anderen Gebieten nachgearbeitet werden müssen, so zum Beispiel bei den Änderungsverfahren, deren mangelnde Praktikabilität sowohl von Behörden als auch von Antragstellerseite beklagt wird, auf dem Gebiet der Pharmakovigilanz, und darüber hinaus in bezug auf die regelmäßige Fünf-Jahresverlängerung der Zulassung. Hier wird darüber nachgedacht, ob diese nicht bei einem besser funktionierenden Arzneimittelsicherheitssystem sogar entbehrlich sein könnte.

Eine Harmonisierung der Krankenversicherungssysteme der Mitgliedstaaten hält der Kommissionsvertreter Weissenberg mittelfristig nach wie vor nicht für realistisch. Allerdings müssten die Verzerrungen, die sich hieraus für die pharmazeutische Industrie ergeben, beherrschbar sein, was seiner Einschätzung nach durch ein Minimum an gemeinsamen Regelungen gewährleistet werden könnte.

Lockerung bei der Arzneimittelwerbung in Sicht?

Obwohl die Mitgliedstaaten einhellig an dem Werbeverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel gegenüber der Öffentlichkeit festhalten wollten, hält die Kommission, wie Weissenberg verlauten ließ, eine Lockerung dieses Verbotes dennoch für realistisch. Angedacht werde eine Informationsmöglichkeit des Verbrauchers auch über rezeptpflichtige Arzneimittel, jedoch nur auf dessen Nachfrage hin. Damit dieses in der Praxis in geordneten Bahnen ablaufe, solle die Industrie einen "Code of Conduct" erarbeiten, der von der Kommission und von den Mitgliedstaaten genehmigt werden soll.

Kommission wünscht eine rasche Umsetzung

Wie auch immer die Revision der europäischen Arzneimittelgesetzgebung, speziell des europäischen Zulassungssystems ausgeht, die Änderungen werden in Form einer Richtlinie ausgestaltet, werden, so kündigte Weissenberg an, die dann wie üblich mit einer Übergangsfrist in nationales Recht transformiert werden müssen. Der Vertreter der Kommission hofft allerdings, dass sich die Mitgliedstaaten frühzeitig auf die neue Rechtslage einstellen, so dass die zu erwarteten Neuregelungen, soweit mit dem nationalen Recht kompatibel, bereits im Vorgriff angewendet werden könnten.

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