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Zeckenübertragene Krankheiten: Der gemeine Holzbock ist für Mensch und Tier

BERLIN (ko/bgvv). In Deutschland erkranken jährlich 50.000 bis 60.000 Menschen an Lyme-Borreliose und weitere 150 bis 200 an Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME). Neben diesen Infektionen können auch die Ehrlichiose, das Q-Fieber oder die Babesiose durch den "Gemeinen Holzbock" (Ixodes ricinus), die Zecke, übertragen werden. Unter der Leitung von PD Dr. Jochen Süss, Leiter des Referenzlabors für zeckenübertragene Krankheiten am Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) in Berlin, fand Ende April das sechste internationale "Potsdam Symposium on Tickborne Diseases" statt. Vertreter aus 22 Staaten diskutierten Fragen der Epidemiologie, Ökologie, Prophylaxe und Therapie.

FSME-Impfung möglich

Für Personen über 12 Jahren steht ein wirksamer FSME-Impfstoff zur Verfügung. Nach Auffassung des BgVV sollte sich jede Person, die in einem Risikogebiet lebt, sich dort beruflich oder während des Urlaubs aufhält, impfen lassen. Ein Impfstoff für Kinder unter 12 Jahren ist in Deutschland nicht zugelassen. Gegen Lyme-Borreliose gibt es keinen Impfstoff. Daher ist, insbesondere für Kinder, der beste Schutz vor Zecken geeignete Kleidung.

Die Lyme-Borreliose ist die am häufigsten vorkommende zeckenübertragene Erkrankung des Menschen in Europa und den USA. In Deutschland sind 10 bis 30 Prozent der Zecken mit dem Bakterium Borrelia burgdorferi infiziert. Spezielle Risikogebiete gibt es nicht. Früh erkannt lässt sich die Borreliose erfolgreich mit Hilfe von Antibiotika behandeln. Wird die Infektion nicht erkannt, wird zu spät, unterdosiert oder zu kurz mit Antibiotika behandelt, kann sich eine chronische Verlaufsform unter Beteiligung des Nervensystems, der Gelenke und des Herzens entwickeln, die schwer oder gar nicht heilbar ist. Eine prophylaktische Impfung, die in den USA seit zweieinhalb Jahren zur Verfügung steht, ist erfolgversprechend, deckt das deutsche Erregerspektrum aber nicht ab. An einem in Deutschland wirksamen Impfstoff wird derzeit gearbeitet. Er könnte in etwa zwei Jahren zur prophylaktischen Anwendung zur Verfügung stehen.

Die FSME ist eine Virusinfektion, die Erkrankungen der Hirnhäute, des Gehirns und Rückenmarks mit z. T. schweren Verläufen verursacht. Sie kommt in zahlreichen europäischen Ländern, mit sehr unterschiedlichen Infektionsrisiken, vor. Frei von FSME sind nur das Vereinigte Königreich, die Iberische Halbinsel und die Beneluxstaaten.

Weitgehend frei sind Dänemark (Ausnahme: Bornholm), Italien (Ausnahme: Florenz), Griechenland (Ausnahme: Thessaloniki) und Frankreich (Ausnahme: Elsass). In allen anderen Ländern ist die FSME mehr oder weniger stark verbreitet. Insbesondere in den baltischen Staaten, die als Hochrisikogebiete gelten, steigen die Infektionsraten weiter an. In Deutschland zählen ganz Baden-Württemberg und Bayern dazu. Bis zu fünf Prozent der Zecken sind hier mit dem FSME-Virus infiziert. Geringere Risiken gibt es im Bereich des Odenwalds und in Rheinland-Pfalz.

FSME-gefährdet sind insbesondere Bewohner von (Hoch-)Risikogebieten und alle Personen, die während der Zeckensaison in solche Gebiete reisen, dort wandern, campen oder sich wegen anderer Freizeitaktivitäten viel in der Natur aufhalten. Rund 70 Prozent derjenigen, die von einer infizierten Zecke gestochen werden, zeigen geringe oder gar keine Symptome. Bei ungefähr 30 Prozent treten aber schwere Erkrankungen auf. Ein bis zwei Prozent dieser Menschen sterben im Verlauf der Infektion. Eine kausale Therapie gibt es nicht, es wird symptomatisch behandelt. Der Immunprophylaxe kommt deswegen besondere Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund hielten es die Veranstaltungsteilnehmer für dringend erforderlich, dass auch in Deutschland so schnell wie möglich wieder ein bei Kindern anwendbarer Impfstoff zur Verfügung steht.

Erfolgreiche Schutzimpfung

Über Erfolge einer konsequenten Schutzimpfung berichteten die Teilnehmer aus Österreich. Dort liegt die Durchimpfungsrate inzwischen bei über 90 Prozent. Die Zahl der FSME-Fälle konnte damit von über 1000 auf weit unter 100 gesenkt werden. Insbesondere die Impfung von Kindern hat sich hier bewährt. Während früher bis zu 25 Prozent aller FSME-Fälle bei Kindern unter 14 Jahren auftraten, sind es heute nur noch 4,5 Prozent.

Im Gegensatz zu Lyme-Borreliose und FSME ist die Bedeutung der ebenfalls durch Zecken übertragenen Ehrlichiose, des Q-Fiebers und der Babesiose noch weitgehend unbekannt. Die Ehrlichiose ist eine Multiorganerkrankung, die in den meisten Fällen mild verläuft. Bei Untersuchungen in Baden-Württemberg wurde der Erreger in rund drei Prozent der Zecken nachgewiesen; 5 bis 15 % von 4000 Waldarbeitern hatten Antikörper im Blut. Erkrankungen mit Q-Fieber gehen mit hohem Fieber sowie starken Kopf- und Muskelschmerzen einher.

Die Infektion kann mit Antibiotika behandelt werden. Die bei Tieren bekannte Babesiose gewinnt derzeit für den Menschen an Bedeutung. Der Erreger (Babesia divergens) verursacht eine malariaähnliche Infektion, die mit Fieber, Blutarmut, blutigem Urin und Gelbsucht einhergeht. Alle bislang in Europa beschriebenen Fälle haben sich bei Menschen ereignet, denen die Milz entfernt worden war und endeten nach Nierenversagen meist tödlich.

Auch Tiere können infiziert werden

Nicht für den Menschen, auch für Haustiere, wie z. B. Hunde und Pferde, können Zecken als Krankheitsüberträger ein Risiko darstellen. Die ersten Fälle einer zeckenübertragenen Erkrankung des Zentralen Nervensystems durch das FSME-Virus oder durch Borrelia burgdorferi treten bei Hunden häufig schon im Frühjahr auf. Die Fallzahlen erreichen im Juni und Juli ihren Höhepunkt, gehen dann während der trockenen Sommermonate leicht zurück und steigen zum Herbst erneut an. Die Tatsache, dass viele Menschen ihre Haustiere mit in den Urlaub nehmen, trägt zur Verbreitung der zeckenübertragenen Krankheiten bei.

Frankreich, Deutschland und Schweden gelten als neue Endemiegebiete für die zeckenübertragene Enzephalitis, für die bis heute keine Impfung zur Verfügung steht. Die Behandlung der Tiere erfolgt symptomatisch. Dagegen stehen in Deutschland für die Prophylaxe der Lyme-Borreliose für Hunde Impfstoffe zur Verfügung, die das Erregerspektrum aber nur unzureichend abdecken. Auf einen (zusätzlichen) Schutz vor Zecken durch geeignete zeckenabwehrende Mittel sollten Tierbesitzer deshalb nicht verzichten.

Grundsätzlich gilt, dass die Infektionswahrscheinlichkeit von Mensch und Tier mit der Dauer des Zeckenstichs steigt. Zecken sollten deshalb umgehend mit einer Pinzette entfernt werden. Die Drehrichtung ist egal. Auf keinen Fall sollte man Wachs, Nagellack oder Ähnliches auf die Zecke tupfen, weil sie darauf mit verstärktem Erregerausstoß reagieren kann. Mit wenigen Ausnahmen sind viele Schutzmittel gegenüber Zecken entweder unwirksam oder wirken nur für eine begrenzte Zeit. Den wirksamsten Schutz vor Zeckenbissen stellt geeignete Kleidung dar (helle Sachen, auf denen man die Zecken leicht sieht, lange Hose, lange Ärmel), wenn man Zeckenbiotope nicht völlig meiden will oder kann.

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