Arzneimittel und Therapie

ATTRACT-Studie: Infliximab schützt die Gelenke

Das Wirkprinzip der gezielten Tumornekrosefaktor(TNF)-alpha-Blockade erweitert seit einiger Zeit die Therapie der rheumatoiden Arthritis. Weltweit haben bereits über 100000 Patienten mit rheumatoider Arthritis TNFalpha-Blocker erhalten. Dass dieses Behandlungskonzept nicht nur zu guten Anfangserfolgen führt, sondern auch über eine Therapiedauer von zwei Jahren anhält, konnten jetzt neue Studienergebnisse des TNFalpha-Antikörpers Infliximab (Remicade) belegen. Diese wurden nach einer Information der Essex Pharma auf dem Jahrestreffen 2000 des American College of Rheumatology, dem weltgrößten Rheumatologenkongress, in Philadelphia präsentiert.

Erst seit wenigen Jahren ist bekannt, dass der Tumornekrosefaktor (TNF) alpha eine Schlüsselrolle in der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis spielt. Als proinflammatorisches Zytokin ist er maßgeblich an zahlreichen Mechanismen beteiligt, die die chronische Entzündungsreaktion unterhalten. Diese verursacht die typischen Gelenkbeschwerden und die Gelenkzerstörung. Durch die selektive Hemmung von TNF-alpha mit Infliximab, einem monoklonalen Antikörper, kann gezielt in diese Prozesse eingegriffen werden. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Infliximab wird seit mehreren Jahren in der ATTRACT-Studie (Anti-TNFalpha-Trial in Rheumatoid Arthritis with Concomitant Therapy) untersucht. 428 Patienten mit einer aktiven rheumatoiden Arthritis trotz Methotrexat-Therapie wurden initial eingeschlossen. Die Patienten wurden in fünf Gruppen randomisiert und erhielten unter doppelblinden Bedingungen entweder Plazebo oder Infliximab in unterschiedlicher Dosis (3 bzw. 10 mg/kg KG alle vier oder acht Wochen als Infusion). Die vorbestehende Therapie mit Methotrexat wurde beibehalten.

Signifikante Stabilisierung des Gelenkstatus

Kennzeichnend für die rheumatoide Arthritis sind die progredienten strukturellen Gelenkschäden, die zu irreversibler Verschlechterung der Beweglichkeit und zunehmender Behinderung der Patienten führen. Somit ist das vorrangige Therapieziel bei diesen Patienten eine Verhinderung von Schäden an Knochen und Knorpel. In der ATTRACT-Studie wurden in regelmäßigen Abständen Röntgenbilder der Hand- und Fußskelette angefertigt. Zwei Untersucher quantifizierten bei Aufnahme in die Studie sowie in definierten Zeitabständen während der Behandlung mit Infliximab sowohl die an Knochen als auch Knorpel bestehenden Destruktionen nach einem festgelegten System (Sharp-Score).

Ermutigend war bereits die erste Auswertung nach 54 Wochen Behandlungsdauer: Unter Infliximab blieb nach einem Jahr der mediane Sharp-Score unverändert, und es wurden keine neuen Zerstörungen an den Gelenken registriert (p-Wert versus Plazebo <0,001). Dagegen nahm unter alleiniger Methotrexat-Gabe die Zerstörung der Gelenke zu, was sich in einer Erhöhung des Sharp-Scores um vier Punkte im Median ausdrückte.

Dass diese progressionshemmende Wirkung von Infliximab auch während der weiteren Langzeittherapie unverändert anhält, bewiesen die neuen Langzeitdaten. Auch nach 102 Wochen blieb unter Infliximab der Gelenkstatus weiterhin in einem stabilen Zustand (p-Wert versus Plazebo <0,001), während die Gelenke unter der Monotherapie mit Methotrexat eine kontinuierliche Zunahme von Zerstörungen aufwiesen. So nahm der modifizierte Sharp-Score innerhalb von 102 Wochen in der Methotrexat-Gruppe um 12,6 Punkte (Mittelwert) zu.

Knochen und Knorpel werden anhaltend geschützt

Der modifizierte Sharp-Score berücksichtigt getrennt Knochenzerstörung und Knochenzustand. Bereits unter niedrig dosiertem Infliximab (3 mg/kg KG alle acht Wochen) zeigte sich keinerlei Zunahme der knöchernen Erosionen über die gesamten 102 Wochen (Median 0,0; p-Wert versus Plazebo <0,001). Auch die Knorpelsubstanz, die anhand der Weite des Gelenkspaltes im Röntgenbild beurteilt wird, konnte in allen Infliximab-Gruppen signifikant besser als in der Plazebo-Gruppe erhalten werden - und das bei einer Studienpopulation mit einer hochaktiven, therapiefraktären und radiologisch progredienten rheumatoiden Arthritis.

Gelenkschäden bei Frühform sogar rückläufig

In einer Subgruppenanalyse wurden Patienten, die bei Studieneinschluss weniger als drei Jahre an einer rheumatoiden Arthritis litten, nochmals gesondert betrachtet. Auch bei diesen Patienten konnte mit Infliximab ein Stillstand oder sogar ein Rückgang der Gelenkschäden erreicht werden. So ergab sich in der Gruppe mit der niedrigsten Dosierung (3 mg/kg KG Infliximab im achtwöchigen Interwall) eine mediane Verbesserung des Gelenkstatus um 1,43 Punkte (modifizierter Sharp-Score). Im Gegensatz dazu wiesen die vergleichbaren Patienten unter Monotherapie mit Methotrexat eine äußerst rasche radiologische Progression mit einer Zunahme des Scores um 14,48 Punkte auf (p<0,001).

Weniger Schmerzen und Einschränkungen

Geschwollene und schmerzhafte Gelenke sind quälende Symptome einer rheumatoiden Arthritis - und ein Maß für die Aktivität der Erkrankung. In den ersten 54 Wochen der ATTRACT-Studie reduzierte Infliximab die Zahl der geschwollenen Gelenke um 64% sowie der druckschmerzhaften Gelenke um 69% im Vergleich zum Ausgangswert. Diese Abnahme der symptomatischen Gelenke konnte auch nach 102 Wochen unverändert aufrecht erhalten werden.

Die täglichen Einschränkungen der Patienten, z.B. beim Anziehen, bei der Körperpflege oder beim Einkaufen, können durch einen speziellen Fragebogen (Health Assessment Questionaire = HAQ) quantifiziert werden. Der HAQ kann Werte zwischen 0 und 3 erreichen. Die meisten Patienten waren bei Studieneinschluss stark in ihrer Funktionalität eingeschränkt (Funktionsklasse 3 und 4), was sich in einem HAQ-Wert von durchschnittlich 1,7 Punkten ausdrückte. Dieser Wert konnte innerhalb weniger Wochen nach Beginn einer Infliximab-Therapie signifikant um mindestens 0,3 Punkte verbessert werden. Während der gesamten Beobachtungsdauer von 102 Wochen blieb dieser Zugewinn an Funktionalität bestehen. Im Gegensatz dazu zeigte die Methotrexat-Gruppe in dieser Zeit eine Verminderung um nur 0,1 Punkte.

Verträglichkeit und Sicherheit unverändert gut

Auch Verträglichkeit und Sicherheit blieben bei der Langzeitanwendung von Infliximab unverändert günstig. So konnte innerhalb der zweijährigen Beobachtungsphase unter der Therapie mit Infliximab keine erhöhte Anzahl von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen oder schweren Infektionen im Vergleich zur Plazebo-Behandlung festgestellt werden. Erwartungsgemäß war die Rate an unkomplizierten Infekten der oberen Luftwege unter Infliximab geringgradig erhöht (45% versus 33% unter Plazebo). Neue, bisher unbekannte Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Ebenso traten Malignome unter Therapie mit Infliximab im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nicht gehäuft auf.

Infliximab mit dem Prix Galien International ausgezeichnet

Dass dem TNF-alpha-Blocker Infliximab ein besonderer Status zukommt, hat kürzlich eine Jury von unabhängigen Wissenschaftlern, Klinikern und Pharmakologen aus acht europäischen Ländern und Kanada festgestellt und das Medikament mit dem Prix Galien International ausgezeichnet. Mit dieser nun zum sechsten Mal vergebenen Auszeichnung wird alle zwei Jahre ein herausragendes innovatives Medikament prämiert, das einen entscheidenden Fortschritt in der medikamentösen Therapie bisher nicht oder nur schlecht zu behandelnder Erkrankungen darstellt.

Infliximab ist in Deutschland derzeit bei schwerer rheumatoider Arthritis und bei therapierefraktärem Morbus Crohn zugelassen - den beiden Erkrankungen, bei denen der TNF-alpha-Antikörper am breitesten untersucht ist. Erfolgversprechend sind aber auch die Ergebnisse bei weiteren chronisch-entzündlichen Erkrankungen, die durch die bisher zur Verfügung stehenden Medikamente nicht oder nicht zufriedenstellend zu behandeln sind. So überzeugte Infliximab in Pilotstudien bei weiteren rheumatischen Erkrankungen wie Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) und Psoriasisarthritis. Hier verbesserte Infliximab zahlreiche subjektive und objektive Symptome und Krankheitszeichen.

Ebenfalls positiv sind die ersten Therapieerfahrungen bei entzündlichen Myopathien. Somit ist zu hoffen, dass in naher Zukunft weitere Patienten von einer selektiven TNF-alpha-Blockade profitieren können.

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