Berichte

Christus als Apotheker

Vom 23. bis 25. März 2001 fand das Jahrestreffen von Christen in der Pharmazie, einer Fachgruppe der SMD-Akademiker-Arbeit (SMD = Studenten Mission in Deutschland), im Haus Sonneck in Marburg-Wehrda statt. Thema dieser 9. Fachtagung war "Heil und Heilung - Die Vorläufigkeit pharmazeutischer Tätigkeit". Als Referenten waren Pfarrer Ulrich Schlappa, Leiter der Akademiker-Arbeit der SMD, Marburg, und Thomas Unterderweide, Christlicher AIDS-Hilfsdienst e.V. (CAH), Frankfurt/M., dabei. Prof. Dr. Fritz Krafft, Marburg, hielt einen Vortrag mit dem Titel "Christus als Apotheker".

Heil-Suche

Apothekerin Heidrun Böhm berichtete von ihren Erfahrungen in Thailand. Vor allem wies sie auf die schwierige Situation von thailändischen Christen hin; es gibt nur wenige Christen dort, beherrschender Glaube ist eine Variante des Buddhismus, verknüpft mit Geisterglauben. Schwierig ist es auch, unseren Gottesbegriff (Gott als Person) zu vermitteln, da es dort keine solche Vorstellung gibt. Frau Böhm hat bei ihrer Arbeit Thailänder kennen gelernt, die auf einer Art Heil-Suche sind und dieses Heil im christlichen Glauben zu finden hoffen oder bereits gefunden haben.

Heil-Kunde, theologisch

Pfarrer Ulrich Schlappa führte nach einer kurzen Einführung in das begriffliche Umfeld von "heil/Heil, heilen, Heilung" eine biblische Bestandsaufnahme zu diesem Gebiet durch, ausgehend von der Grundthese, dass der Mensch von Gott als Ganzheit geschaffen und die personale Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf vorrangig ist. Daraus ergibt sich, dass Heil für den Menschen unbedingt notwendig und Heilsvermittlung also primär ist, Heilung dagegen gut, aber nicht unabdingbar, sie gehört zum vorläufigen Bereich.

Fazit der Bibelarbeit ist, dass Heilung wichtig ist, es liegt hier keine Leidenstheologie vor; Heilung ist aber Teil des Segenswirkens Gottes (wie Nahrung, Kleidung), Heil dagegen ist Teil des Rettungswirkens Gottes (Rettung vom ewigen Tod). Die Arbeit des Arztes und des Apothekers gehört in den Bereich des Segenshandelns, nicht in den Bereich des Rettungshandelns Gottes.

Heil-Praxis, zwischen Ermutigung und Vertröstung

Thomas Unterderweide vom Christlichen AIDS-Hilfsdienst wies darauf hin, dass in unserer Gesellschaft von der Scheu vor Leiden gesprochen werden kann und davon, dass die leibliche Gesundheit "höchster Gott" ist. Wichtig ist aber im Umgang mit dem Leid des anderen, dass keine leichtfertigen Antworten gegeben werden, keine vorschnellen Vertröstungen stattfinden. Schweigen und Zuhören sind oft wichtiger als sofort aktiv zu sein. Allerdings ist im Rahmen der täglichen Arbeit in der Apotheke vieles nicht möglich, wie zum Beispiel längere Gespräche über erschreckende Diagnosen wie Krebs. Wichtig ist bei allem das Reden mit Gott über den Nächsten, dann mit dem Nächsten über Gott; allerdings sollte der Mitmensch nicht als Bekehrungsobjekt betrachtet werden. Für den Helfenden ist es wichtig, auch eine gewisse Distanz zu halten und sich in seiner Freizeit zu entspannen, einmal, um dem Patienten besser helfen zu können, zum anderen, um nicht auszubrennen.

Christus als Apotheker

Professor Fritz Krafft stellte in einem Vortrag seine neuen Forschungsergebnisse zum Motiv Christus als Apotheker vor. Dieses Bildmotiv der religiösen Volkskunst ist vor allem in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz oft anzutreffen. Man findet es im protestantischen und im katholischen Umfeld. Der Ursprung des Motivs ist in der Antike und/oder im frühen Christentum oder Mittelalter noch nicht zu finden: Hier gibt es zwar Empfehlungen, die Bibel als geistliche Apotheke der Seelenarzneien zu verwenden, aber vom Apotheker, den es ja in dieser Form noch nicht gab, ist nicht die Rede. Auch das älteste Beispiel einer Darstellung von Christus in einer Apotheke (französische Miniatur, um 1520 entstanden) zeigt Christus als Arzt in der Apotheke, nicht als Apotheker.

Die älteste eindeutig datierbare Darstellung von Christus als Apotheker (apothecarius coelestis, himmlischer Apotheker) stellt ein Ölgemälde des Nürnberger Malers Michael Herr von 1619 dar. Dieses Bild erfüllt auch die Forderungen Martin Luthers an eine protestantische Darstellung: Christus sollte als Freund und Erlöser der Menschen gezeigt, seine Worte illustriert und ausführliche Inschriften zur Erklärung beigefügt werden; das Alte Testament sollte als Hinführung zum Neuen Testament gedeutet werden. Christus sollte auch nicht als Weltenrichter oder gar als Schmerzensmann dargestellt werden. Das geistige Umfeld des Bildes von Michael Herr ist das der protestantischen Erbauungsliteratur des 16. und des frühen 17. Jahrhunderts.

Eine weitere Voraussetzung für die Entstehung dieses Bildmotivs ist die soziale Aufwertung des Apothekers und dessen Gleichstellung mit dem Arzt, einmal im Selbstverständnis des Apothekers, aber vor allem im Fremdverständnis. Martin Luther hatte in seiner Übersetzung von Jesus Sirach (38, 7) den Begriff Apotheker in die Bibel eingebracht und damit ermöglicht, nicht nur den Arzt und seine Kunst, sondern auch den Apotheker und die Apothekerkunst als von Gott erschaffen aufzufassen. Außerdem trugen die Verwissenschaftlichung und Akademisierung der Medizin und der Pharmazie als Iatrochemie, die eine kurze Blüte in den Jahren nach 1609 hatte und ihre Spuren auch in Kunst und Literatur hinterließ, dazu bei, ein solches Bildmotiv entstehen zu lassen. Michael Herr war wohl derjenige, der im Sinne der Erbauungsliteratur seiner Zeit das Motiv Christus als Arzt in Christus als Apotheker umdeutete.

Anhand von weiteren Beispielen zeigte Professor Krafft die Weiterentwicklung des Motivs, dabei aber auch die gleichbleibenden Teile wie die Handwaage, mit der Christus als himmlischer Apotheker Kreuze (Kreuzwurzeln) abwiegt (die Kreuze symbolisieren Christi Leiden zur Erlösung der Menschen und das Leid, das den Menschen zur Erringung des Seelenheils auferlegt wird), die Inschriften mit bestimmten Bibelversen und die Apothekengefäße, die, wie den Aufschriften zu entnehmen ist, keine Apothekerwaren, sondern Glaube, Liebe, Hoffnung, die drei christlichen Tugenden gemäß Paulus, sowie weitere christliche Tugenden und so genannte Seelenarzneien enthalten. Dabei wurden auch die Unterschiede zwischen Bildern aus dem protestantischen und solchen aus dem katholischen Umfeld deutlich: Gemäß der lutherischen Rechtfertigungslehre sind Christi Gnade und die von ihm ausgeteilte Seelenarznei umsonst: Nur durch den Glauben, nicht durch gute Taten wird man erlöst. Bibelverse mit dieser Aussage auf Bildern erlauben die eindeutige Zuweisung in den protestantischen Bereich. Allein hier wird Christus auch bei einer apothekerlichen Tätigkeit gezeigt, und das ohne jede fremde Hilfe.

Im katholischen Bereich gibt es dagegen Bilder, in denen ihm zum Beispiel von einem Engel assistiert wird, oder Bilder mit Rezepturen für Seelenarzneien mit Anweisungen für den Kranken. Auf vielen Bildern aus katholischem Umfeld wird Christus nicht als Apotheker, sondern als segnender Heiland dargestellt; die Apotheke bildet nur den Hintergrund. Er ist hier eher Christus in einer Apotheke, was auch durch die gelegentliche Darstellung von Christus als Schmerzensmann verdeutlicht wird. So konnte das ursprünglich protestantische Andachtsbild im Katholizismus auch zum Altar- und Kultbild werden.

Interessant ist, dass es sowohl in der protestantischen als auch - als Reaktion darauf - in der katholischen Tradition eine Mustervorlage gibt, wodurch sich die große Ähnlichkeit aller Bilder, aber auch die konfessionell bedingten gleichen Unterschiede erklären. Vor allem während der anschließenden Diskussion wurden auch moderne Darstellungen von Christus als Apotheker gezeigt.

Heil und Heilung

Der Gottesdienst am Sonntag stand unter dem Motto Heilungs-Prozess und hatte den Text Lukas 17, 11-19 zum Thema (Jesus heilt zehn Aussätzige, von denen nur einer wiederkommt, um sich zu bedanken). Die Unterschiede zwischen Heil und Heilung sowie die Wichtigkeit von beiden wurden nochmals herausgestellt.

Von den während der Tagung erarbeiteten Ergebnissen, von den Vorträgen, aber auch von den Gesprächen, die untereinander stattfanden, konnten wir für unser Christ-Sein in der Apotheke einige theoretische Untermauerung, aber auch viel Hilfe für die Praxis mitnehmen. Wir bedanken uns nochmals ganz herzlich bei den Referenten und bei Professor Krafft für ihr Dabeisein und beim Tagungsteam, das die Tagung wieder so gut vorbereitet hatte.

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