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Pharmaziestudierende: Examensfeier in Mainz

Am 27. April veranstalteten das Institut für Pharmazie der Universität Mainz und die Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz in der Alten Mensa der Universität eine Examensfeier zur Verabschiedung der Pharmaziestudierenden, die das zweite Staatsexamen bestanden haben. Universität und Apothekerkammer lassen damit nach längerer Unterbrechung einen alten akademischen Brauch wieder aufleben, der den wichtigen Abschnitt in der Ausbildung der Pharmazeuten gebührend hervorhebt.

Als Geschäftsführender Leiter des Instituts für Pharmazie brachte Prof. Dr. G. Dannhardt das Grundanliegen der Feier auf den Punkt: Die Leistungen, die die Studierenden in ihrem vierjährigen Studium erbracht haben und deren Erfolg in der bestandenen Prüfung sichtbar geworden ist, sollen öffentlich gewürdigt werden, bevor die Studierenden die Universität verlassen. Eine solche Feier sei schon prinzipiell gerechtfertigt, in Mainz aber in ganz besonderem Maße, weil hier die Ergebnisse des zweiten Staatsexamens im Vergleich zu anderen Universitäten überdurchschnittlich gut ausgefallen sind.

Plädoyer für die wissenschaftliche Ausbildung

Dannhardt erwähnte den Trend, dass sich immer mehr Abiturienten gegen ein Studium und für eine praktische Ausbildung entscheiden. Dies scheine zwar gegen die Universitäten zu sprechen, doch sei es auch eine Herausforderung an die Universitäten, die Sinnhaftigkeit des Humboldtschen Ideals der Einheit von Lehre und Forschung neu zu beweisen und sich als Alternative gegenüber den einseitig praxisbezogenen Ausbildungsgängen zu profilieren. Die Ausbildung zur Berufsfähigkeit sei z.B. Aufgabe der Fachhochschulen, nicht aber der Universitäten. Hier werde ein solides wissenschaftliches Fundament gelegt, auf dem dann in der nachfolgenden praktischen Ausbildung aufgebaut werden kann.

Die Änderung der Approbationsordnung für Apotheker sei vom Lehrkörper der Mainzer Pharmazie übereinstimmend begrüßt worden und werde zügig umgesetzt. Neben dem Arzneimittel an sich werden die vielfältigen Aspekte seiner Anwendung durch den Patienten immer wichtiger, weshalb das medizinische Grundlagenwissen einen höheren Stellenwert im Studium einnimmt. Dannhardt kritisierte scharf, dass die Umstrukturierungen der Ausbildung auf Wunsch des Gesetzgebers kostenneutral zu erfolgen haben und dass die Universitäten damit überlastet seien. Auch sei in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Studierenden viel stärker gestiegen als die personelle und finanzielle Ausstattung der Institute. Dannhardt wörtlich: "Die Universitäten sind der Erschöpfung nahe." Eine allgemeine Gefahr für die Universitäten sah Dannhardt auch darin, dass dort mehr nivelliert als differenziert und überhaupt zu viel reglementiert werde.

Vom Studium zur pharmazeutischen Praxis

Auch Kammerpräsident Dr. Hartmut Schmall betonte, dass das zweite Staatsexamen ein wichtiger Einschnitt sei, den man mit einer Feier begehen solle. Mit Beginn des dritten Ausbildungsabschnitts geht die Verantwortung für die Ausbildung der Pharmazeuten von den Universitäten auf die Apothekerkammern über. Und wenn die Ausbildung nach dem Praktische Jahr abgeschlossen ist, sollte sich daran nahtlos die berufliche Fortbildung anschließen, deren Organisation ebenfalls eine Aufgabe der Kammern ist. Schmall wörtlich: "Die Wissenschaft macht keine Pause." Apothekerinnen und Apotheker sollten ihr Fachwissen ständig auf den neuesten Stand bringen, denn das sei entscheidend für ihre berufliche Existenz. Auch für Apotheken gelte das Prinzip des Benchmarking, der Orientierung am Besten.

Die Rahmenbedingungen für die Zukunft des Apothekerberufs wertete Schmall positiv. Die Arzneimitteltherapie sei eine der effektivsten Therapieformen. Allerdings seien viele Arzneimittel heute High-tech-Produkte, deren richtige Anwendung manchen Patienten vor ein Problem stellt. Kurz: Der Patient braucht die Pharmazeutische Betreuung des Apothekers. Aus der Sicht der Apotheken heißt dies, dass sie ihren Kunden neben der Hardware (Arzneimittel) auch die Software (Information und Beratung) liefern müssen. Zwar seien Informationen im Zeitalter des Internet und der Datenautobahnen nahezu unbeschränkt verfügbar, doch nützen sie recht wenig, wenn sie nicht individuell aufbereitet und verständlich mitgeteilt werden. So sollte es selbstverständlich sein, dass sich ein Apotheker bei der Beratung um eine verständliche Sprache bemüht.

Die gute Pharmazeutische Betreuung eines Patienten spiegelt sich in einer guten Compliance wider. Diese ist ein ethisches Anliegen und hat darüber hinaus auch wirtschaftliche Bedeutung, so Schmall. Er meinte, dass sich die Apotheken hier noch verbessern können: "Es sind noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um Patienten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen." Schmall prophezeite den Absolventen, dass sie, wenn sie erst einmal voll im Beruf stehen, den Nutzen des Studiums voll anerkennen würden. Mit größerem zeitlichem Abstand erkenne man, dass vieles, was man im Studium kritisiert habe, "doch nicht so schlecht" gewesen sei.

Cholesterol - Fluch und Segen eines Moleküls

Prof. Dr. Sucharit Bhakdi vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Mainz hielt den Festvortrag zum Thema "Pathogenese der Atherosklerose - das Mainzer Konzept". Er unterstrich die Brisanz des Themas mit der Mortalitätsstatistik, derzufolge jeder zweite Bewohner in Industrienationen an den Folgen der Atherosklerose stirbt. Die Ursache der Erkrankung ist unbestritten die Änderung der physiologischen Cholesterolspiegel (zu viel LDL, zu wenig HDL). Über den pathogenetischen Prozess selbst gibt es jedoch unterschiedliche Anschauungen. Hier weicht das "Mainzer Konzept", das von Bhakdi und seiner Arbeitsgruppe in den letzten zehn Jahren entwickelt wurde, von der gängigen Hypothese ab.

Das Cholesterol wurde wahrscheinlich vor 800 Millionen Jahren erstmals in Organismen synthetisiert und löste einen Schub der Evolution aus. Als Baustein der Zellmembran ist es strukturell und funktionell ähnlichen Substanzen, die in Bakterien vorkommen und entwicklungsgeschichtlich älter sind, überlegen und war eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung vielzelliger Organismen.

Um die einzelnen Zellen des Organismus bei Bedarf immer ausreichend mit Cholesterol versorgen zu können, war ein zentraler Speicherort erforderlich; als solcher fungiert die Leber, die ja auch andere Reservestoffe speichert. Ein Problem bestand allerdings darin, dass reines Cholesterol nicht wasserlöslich ist und sich in kleinen Blutgefäßen nicht transportieren lässt. Der Körper löste das Problem, indem er das Cholesterol zusammen mit wasserlöslichen Eiweißen und Phospholipiden in Makromoleküle verpackte; diese Lipoproteine sind ihrerseits wasserlöslich. Im Idealfall arbeitet dieses System zuverlässig. Zu schweren, schließlich sogar lebensbedrohlichen Schäden kann es dann kommen, wenn dann die Lipoproteine geringer Dichte - kurz: LDL - an "verbotene" Stellen transportiert werden.

Wenn eine Gefäßwand undicht ist und ein LDL-Molekül durch die Endothelbarriere wandert und darauf ausfällt bzw. "strandet", wird es anschließend von einem Makrophagen phagozytiert. Dieser Mechanismus ist an sich sinnvoll, denn es wird eine Substanz an einer Stelle beseitigt, an der sie nichts zu suchen hat. Der Makrophage, der sich bei diesem Vorgang zu einer Schaumzelle umbildet, setzt aus dem LDL das Cholesterol frei, das darauf von einem HDL-Molekül abgeholt und in die Blutbahn zurücktransportiert wird, wo es wieder in einem LDL-Molekül "verpackt" und schließlich von einer Zelle aufgenommen werden kann. Dieses in sich schlüssige System bricht allerdings zusammen, wenn die LDL-Moleküle überhand nehmen - sowohl absolut als auch im Verhältnis zu den HDL-Molekülen. Es kommt dann zu Ablagerungen von Plaques an den Gefäßwänden und damit zur Atherosklerose.

Enzymhypothese kontra Oxidationshypothese

Die oben skizzierte Pathogenese entspricht allgemein anerkanntem "Lehrbuchwissen". Doch in einem wichtigen Detail hat die Mainzer Forschungsgruppe um Professor Bhakdi eine Hypothese aufgestellt, mit der sie (noch) ziemlich allein dasteht. Ausgangspunkt war die Frage nach dem chemotaktischen Reiz oder populär ausgedrückt: Woher "weiß" der Makrophage, dass er das "gestrandete" LDL phagozytieren soll? Laut Lehrbuchmeinung geht der Phagozytose eine Oxidation des LDL voraus. In der Tat fungiert oxidiertes LDL (ox-LDL) als Ligand für den Scavenger-Rezeptor des Makrophagen, aber in den Plaques findet man nur sehr wenig ox-LDL.

Bhakdi kam auf die Idee, dass das Komplementsystem, das bei der unspezifischen zellulären Abwehr eine große Rolle spielt, auch der Auslöser für die LDL-Phagozytose ist. Er fand, dass Enzyme aus den Endothelzellen, an denen das LDL "gestrandet" ist, nach außen dringen und das LDL bearbeiten, wobei sie etwas Cholesterol freisetzen, das sich laut Bhakdi als starker Aktivator des Komplementsystems erwies. Die chemotaktisch angelockten Makrophagen erkennen darauf mit ihrem Scavenger-Rezeptor das enzymatisch veränderte LDL (E-LDL) und phagozytieren es.

Mit mehreren Experimenten hat Bhakdi seine Hypothese untermauert. So hat er monoklonale Antikörper vom E-LDL hergestellt und in einem In-vitro-Versuch durch Gabe dieser Antikörper die Phagozytose des LDL verhindern können. Besonders eindrucksvoll war ein Tierversuch: Kaninchen mit einem Defekt des Komplementsystems entwickelten trotz einer cholesterolreichen Diät keine Atherosklerose.

Zukunftsmusik: Statine für alle

Zusammenfassend definierte Bhakdi die Atherosklerose folgendermaßen: Die Atherosklerose ist eine Autoimmunkrankheit, bei der die Phagozytose überaktiv ist, was wiederum darauf beruht, dass das Komplementsystem überaktiv ist. Vergleichbar einer Infektionskrankheit ist sie monokausal, aber polyfaktoriell; sie hat eine bestimmte Ursache, nämlich unphysiologische Cholesterolspiegel, aber viele andere Faktoren tragen zur Manifestation der Krankheit bei. Dazu zählen zu wenig Bewegung und eine falsche Ernährung (zu viel und zu fett), also Verhaltensmuster, die für unsere Zivilisation typisch sind.

Prophylaxe und Therapie der Atherosklerose sollten laut Bhakdi auf drei Säulen stehen:

  • Mehr Bewegung bzw. leichter Sport,
  • Gesunde, maßvolle Ernährung,
  • Anwendung geeigneter Medikamente zur Normalisierung der Cholesterolwerte.

Der Normwert für das LDL ist in den letzten Jahren mehrmals gesenkt worden und liegt heute bei 120 mg/dl. Bhakdi hält dagegen einen Wert von nur 70 mg/dl, wie er bei Säuglingen vorkommt, auch bei Erwachsenen für normal. Was den Quotienten von HDL zu LDL betrifft, so sieht er 2,5 als oberen Grenzwert an.

Aufgrund ihrer großen Effizienz bezeichnete Bhakdi die Lipidsenker vom Typ der Statine als größten Fortschritt in der Arzneitherapie seit Einführung der Antibiotika. Angesichts der Kosten, die die Atherosklerose verursacht, seien die Kosten für die Verabreichung von Statinen an alle Risikopersonen nur "peanuts". Es bleibt abzuwarten, ob sich das Mainzer Modell Anerkennung verschaffen kann und ob sich insbesondere die Therapieempfehlungen von Bhakdi durchsetzen werden. cae

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