Arzneimittel und Therapie

Analgetika: Kein erhöhtes Nierenrisiko durch Kombinationsschmerzmittel?

Epidemiologischen Daten, die eine ursächliche Verknüpfung zwischen der Einnahme von phenacetinfreien Kombinationsschmerzmitteln und analgetikaassoziierter Nephropathie belegen, existieren nicht. Das sind die Arbeitsergebnisse eines Komitees, dessen Mitglieder von den Zulassungsbehörden Deutschlands, der Schweiz und Österreichs ausgewählt wurden.

Immer wieder wird Kombinationsanalgetika vorgeworfen, bei langfristigem Gebrauch gehäuft Nierenschäden hervorzurufen. Erwiesen ist, dass die Substanz Phenacetin derartige Schäden erzeugt. Sie wurde jedoch aus diesem Grund schon in den 1980er-Jahren aus dem Verkehr gezogen und ist seitdem in keinem Präparat mehr enthalten - auch wenn der Handelsname des Schmerzmittels sich nicht geändert hat. Ein internationales Komitee, dem ausgewiesene Experten angehörten, fand keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen den phenacetinfreien Kombinationsanalgetika und einer Nephropathie.

Neun Studien im Vergleich

Trotz umfassender Literatursuche konnten nur neun analytische epidemiologische Studien identifiziert werden, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Nephropathie und der Einnahme verschiedener Analgetika befassten. Zudem erwiesen sich nur vier der Studien als geeignet, um die Wirkungen phenacetinfreier Schmerzmittelkombinationen auf die Niere abzuschätzen, da die übrigen Untersuchungen nicht spezifisch die Effekte von Analgetika mit mehr als einem Bestandteil analysierten.

Aber auch diese vier verbleibenden Untersuchungen zeigten gravierende methodische Schwächen. So hatten in einer davon wahrscheinlich alle Teilnehmer zu einem früheren Zeitpunkt Phenacetin eingenommen, in einer anderen war die Probandengruppe sehr inhomogen. Sie umfasste gleichermaßen Patienten mit lange bekannter und mit neu entdeckter Nephropathie, außerdem war die Fallzahl regelmäßiger Konsumenten von phenacetinfreien Kombinationsanalgetika klein.

Eine dritte Studie fand ein signifikant erhöhtes Risiko für schwerste Niereninsuffizienz zwar erwartungsgemäß nach Einnahme von Phenacetin, daneben aber auch bei ASS, sowie eine nicht signifikante Erhöhung bei Pyrazolonen. Die Kombination ASS plus Paracetamol wurde nicht geprüft. Die vierte Studie schließlich konnte weder für Phenacetin noch für Kombinationsanalgetika eine signifikante Häufung schwerer Nierenschäden nachweisen.

Hauptursache ist Phenacetin

In einer zweiten Gruppe von Arbeiten wurden lediglich allgemeine Daten zur Prävalenz und Inzidenz von Nierenschäden mit Verkaufszahlen von rezeptfreien Analgetika in Beziehung gesetzt. Hierbei gelang es ebenfalls nicht, die Phenacetin-Konsumenten von den Anwendern phenacetinfreier Analgetikakombinationen exakt zu trennen. Außerdem blieben die zugrunde liegenden Originaldaten für zwei Review-Artikel im "New England Journal of Medicine" und im "American Journal of Kidney Disease" unauffindbar. In beiden Arbeiten wurde behauptet, dass auch Konsumenten phenacetinfreier Schmerzmittel gehäuft Analgetikan-Nephropathien entwickeln würden.

Demgegenüber stellte Prof. Paul Michielsen, Belgien, dem Komitee aktuelle Ergebnisse vor, die eine gleichsinnige Entwicklung der Inzidenz von Patienten mit analgetikaassoziierter Nephropathie in Flandern und in New South Wales/Australien zeigen. Während in Australien Kombinationsanalgetika 1979 vom OTC-Markt verbannt wurden, sind sie in Belgien bis heute frei erhältlich. Vor allem bei jüngeren Patienten sinkt nach Michielsens Erkenntnissen die Neuerkrankungsrate, während sie bei älteren nur noch langsam ansteigt. Beides deutet darauf hin, dass die inzwischen beendete Exposition mit Phenacetin Hauptursache der Nierenschäden ist.

Das Komitee kam nach gründlicher Bewertung sämtlicher Studien zu dem Schluss, dass diese keinerlei Urteil über einen Zusammenhang zwischen analgetikaassoziierter Nephropathie und Kombinationsschmerzmittel zulassen. Darüber hinaus kritisierten die Experten, dass die epidemiologischen Studien kaum nützliche Informationen über Analgetikamissbrauch enthielten.

Literatur: Kidney International 58, 2259-2264 (2000).

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