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Den Streit um den Patentschutz von Arzneimitteln gegen HIV kommentiert die "Frankfurter Rundschau" in ihren Ausgaben vom 18. und 20. April:

Bittere Pillen für Pharma-Multis (18. April)

Großkonzerne bestimmen nicht nach Gutdünken die Spielregeln der globalisierten Wirtschaft. Das zeigt der Streit über die Versorgung der Dritten Welt mit Aids-Arzneien. Der Druck der internationalen Zivilgesellschaft ist erfreulicherweise stark genug, um US-Multis wie Merck, Bristol-Myers Squibb oder Abbott Laboratories Zugeständnisse abzuringen. Deren Konzessionen berühren das Allerheiligste der Pharma-Industrie: Preise, Profite und Patente. Zwei Faktoren begünstigen diese Entwicklung. Zum einen berührt das Thema Aids international respektierte ethische Prinzipien. Zum Zweiten regiert auch in Zeiten der Welthandelsorganisation (WTO) nicht einfach der freie Markt. Es bleibt Raum für politische Gestaltung.

Der Druck auf die Konzerne wird durch den Umstand verstärkt, dass der Patentschutz trotz des Welthandelsabkommens nicht eindeutig geregelt ist. Einerseits schützt die WTO geistiges Eigentum, andererseits lässt sie aber im Falle des nationalen Notstands Ausnahmen zu. Noch wurde kein Präzedenzfall nach internationalem Recht geschaffen. Die breit unterstützte Aktion der "Ärzte ohne Grenzen" eröffnet eine attraktivere Perspektive: Vage und schemenhaft zeichnet sich eine weltweite Sozialordnung nach dem Vorbild der reichen Wohlfahrtsstaaten ab, in denen gesellschaftliche Kompromisse Märkte zähmen, ohne ihre Dynamik zu zerstören.

Die Kosten des Gesundheitswesens sind überall Gegenstand politischer Konflikte. Es gibt keine international einheitlichen Medikamentenpreise - nicht einmal in der Europäischen Union. Auch die Industrie weiß, dass ihre hohen Gewinnmargen in reichen Ländern in der Regel nur akzeptiert werden, weil sozialstaatliche Sicherungssysteme die Versorgung der überwältigenden Mehrheit gewährleisten und zugleich die Milliarden Dollar teure Forschung flankieren. Im Sinne einer neu verstandenen internationalen Solidarität ist es in Ordnung, wenn Multis in armen Ländern auf Gewinn verzichten müssen.

Etappensieg (20. April)

Die Ärzte ohne Grenzen können einen großen Erfolg feiern. Im Bündnis mit vielen anderen Initiativen und Organisationen weltweit haben sie mächtige Pharmakonzerne in die Knie gezwungen. Die haben ihre umstrittene Klage gegen ein südafrikanisches Gesetz, das die billigere Produktion und den Import von Nachahmerpräparaten patentgeschützter Aids-Arzneien erlaubt, praktisch bedingungslos zurückgezogen. Dass die Regierung zugesagt hat, ihre künftigen Schritte mit den Multis abzustimmen, erlaubt ihnen gerade mal, das Gesicht zu wahren.

Die Entscheidung der Branchenriesen lässt hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Im Prinzip gestehen sie ein, dass sie in den reichen Volkswirtschaften genug Geld verdienen, um arme Staaten preiswert versorgen zu können. Im Sinne einer internationalen solidarischen Gesundheitspolitik ist das ein großer Schritt nach vorn.

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