Die Seite 3

AIDS breitet sich weltweit immer mehr aus, vor allem in den unterentwickelten Ländern Afrikas und Asiens. Südlich der Sahara leben mehr als zwei Drittel der weltweit 36 Millionen AIDS-Kranken; allein in Südafrika sind zehn Prozent der Bevölkerung mit dem tödlichen Virus infiziert. Zwar kann die Infektion heute mit den neuen effektiven Therapiemöglichkeiten über einen längeren Zeitraum in Schach gehalten werden, eine Heilung ist jedoch nach wie vor nicht möglich. Zur Zeit sind ein gutes Dutzend Wirkstoffe gegen das HI-Virus auf dem Markt, und es kommen laufend neue Arzneimittel hinzu, wie Sie in unserem Bericht ab Seite 28 nachlesen können.

Doch die Therapie mit den Kombinationen der modernen Präparate ist teuer: In den USA kostet sie pro Patient und Jahr zwischen 10 000 und 15 000 Dollar. Mit diesen Preisen waren die modernen antiretroviralen Arzneimittel für die Bevölkerung ärmerer Länder unerschwinglich. Das hat die Pharmakonzerne bisher wenig interessiert, denn für sie steht der Patentschutz im Vordergrund. Erst auf internationalen Druck und als Reaktion auf eine Maßnahme der südafrikanischen Regierung werden die Konzerne nun gezwungen, auch die Belange der ärmeren Länder zu berücksichtigen. Die südafrikanische Regierung hatte angedroht, Herstellung und Import von patentgeschützten Arzneimitteln als preisgünstige Generika ohne Lizenz zu erlauben. Dagegen klagten 39 pharmazeutische Unternehmen, die sich jetzt mit der Regierung in Pretoria einigten: Die südafrikanische Regierung verpflichtet sich, das Patentschutzabkommen der Welthandelsorganisation zu respektieren.

Im Gegenzug haben die pharmazeutischen Unternehmen zugesagt, gemeinsam mit der südafrikanischen Regierung Wege zur Eindämmung von Epidemien zu suchen und ihre Preise für die 48 ärmsten Länder der Welt zu senken (siehe DAZ Nr.16 vom 19. 4. und AZ Nr. 16/17 vom 23. 4.). Die Kosten würden sich dann pro AIDS-Patient und Jahr auf rund 1000 Dollar belaufen - und auch das ist für viele der ärmsten Menschen noch zu viel. Bristol-Myers Squibb stellt sogar Lizenzen für Firmen in Aussicht, die patentierte Mittel preiswerter fertigen wollen. Damit scheint nun der Weg für eine zumindest teilweise erschwingliche Arzneimittelversorgung auch der ärmeren Länder offen zu stehen.

Doch diese Entwicklung ist noch lange kein Grund zum Jubeln, denn preisgünstige und verfügbare Arzneimittel alleine sind nicht ausreichend, um der verheerenden Seuche Einhalt zu gebieten. Zwar können jetzt auch ärmere Länder die neuen antiretroviralen Arzneistoffe zu bezahlbaren Preisen erhalten, AIDS wird damit aber noch lange nicht heilbar. Über der Diskussion um den Preis der Arzneimittel ist in den Hintergrund getreten, dass diese ja konsequent nach komplizierten Schemata eingenommen werden müssen. Wenn die Medikation nur für wenige Tage unterbrochen wird, bilden sich resistente Viren, und die Therapie wird wirkungslos.

Um das zu verstehen, müssen AIDS-Patienten intensiv aufgeklärt werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Arzneimittel auch korrekt und zielgerichtet eingenommen werden und dass die Einnahme nicht wegen der vielfältigen und oft belastenden Nebenwirkungen abgebrochen oder - fast noch schlimmer - reduziert wird. Wenn sich durch eine ungezielte Einnahme von antiretroviralen Arzneimitteln resistente Viren ausbreiten können, nützen auch die besten Arzneimittel bald nichts mehr.

Um AIDS-Kranke und auch andere schwer Kranke angemessen zu versorgen, sind also solide Vertriebswege, gute Kliniken und funktionierende ambulante Behandlungsmöglichkeiten notwendig. Die Grundlage dafür und für sinnvolle Präventionsmaßnahmen sind Information und Bildung. Jetzt muss die südafrikanische Regierung sich um flächendeckende Aufklärung bemühen.

Doch in den Entwicklungsländern ist nicht nur die HIV-Infektion ein Problem: Die Epidemiologie der wichtigsten Infektionskrankheiten macht deutlich, wie wenig die dortigen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten mit denen in reichen Ländern zu vergleichen sind. Neben AIDS fordern Tuberkulose, Malaria, Pneumonien, Durchfallerkrankungen und Masern laufend unzählige Opfer. Dabei handelt es sich um Erkrankungen, die mit den Mitteln der hoch entwickelten Medizin der reichen Länder im Norden entweder weitgehend vermeidbar oder heilbar sind. Ab Seite 39 informieren wir Sie über die neuesten internationalen Strategien zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten in Entwicklungsländern.

Bettina Hellwig

Erschwingliche Arzneimittel für arme Länder

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.