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DAZ-Interview: Sanacorp-Chef Brink: mehr von Anzag, enger an Noweda

PLANEGG (diz). Der apothekereigenen Pharmagroßhandel Sanacorp blickt auf eine gute Geschäftsentwicklung, auf ein überdurchschnittliches Wachstum. Nach Einschätzung von Dr. Jürgen Brink, Vorstandsvorsitzender der Sanacorp, ist der Genossenschaftsgedanke unter den Apothekerinnen und Apothekern nach wie vor attraktiv. Für eine engere Zusammenarbeit mit der Schwestergenossenschaft Noweda würde, so Brink in unserem Interview, Einiges sprechen. Zunächst streckt die Sanacorp jedoch ihre Fühler stärker in Richtung Anzag aus.

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Herr Dr. Brink, in wenigen Wochen legen die Sanacorp Pharmahandel AG und die Sanacorp eG Pharmazeutische Großhandlung ihre Geschäftsberichte vor und ziehen Bilanz. Wie lief die wirtschaftliche Entwicklung dieses apothekereigenen Großhandels im letzten Geschäftsjahr, wie gut geht es der Sanacorp?

Brink:

Wenn wir Sondereffekte außer Betracht lassen, so können wir auf eine kontinuierlich gute Geschäftsentwicklung verweisen. Um in den Genuss des ermäßigten Körperschaftsteuersatzes ab 1.1.2001 zu kommen, haben wir unser Geschäftsjahr zu diesem Stichtag auf das Kalenderjahr umgestellt. Wir berichten also jetzt über ein Rumpfgeschäftsjahr vom 1.7.2000 bis zum 31.12.2000. In diesem Zeitraum stieg in der AG unser Umsatz um 7%, während der Gesamtmarkt des Pharmagroßhandels um 6,2% wuchs. Absolut betrug der Umsatz in diesen 6 Monaten 2,2 Mrd. DM, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 25,6 Mrd. DM, wobei die Anzag-Dividende nicht eingerechnet ist, da sie erst 2001 zufließt. Von dieser guten Entwicklung profitieren alle Aktionäre und damit auch die Genossenschaft als Hauptaktionär.

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Stichwort Aktien. Hier zeigte sich im vergangenen Jahr eine weniger befriedigende Entwicklung. Hält der ruhige Aktienverlauf an?

Brink:

Mit der Kursentwicklung unserer Aktie sind wir nach wie vor nicht zufrieden. Sie ist zwar nicht so abgestürzt, wie die etlicher Firmen im neuen Markt. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass mittel- oder langfristig die Substanzwerte wieder eine Renaissance erfahren werden. Denn immerhin haben wir eine sehr gute Eigenkapitalquote und die Umsatz- und Ertragsentwicklung ist solide.

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Wenn ein Unternehmen so gut da steht wie die Sanacorp, dann liegt es nahe, dass ein solches Unternehmen auch wachsen und expandieren möchte. Bei der Sanacorp steht im Raum, ihre Beteiligung an der Anzag auszudehnen. Gibt es hier konkrete Pläne in dieser Richtung?

Dr. Brink:

Zum Thema Anzag kurz die Fakten: Wir sind mit 25 Prozent minus zwei Aktien direkt beteiligt und haben darüber hinaus eine Option auf weitere 25 Prozent plus drei Aktien. Voraussetzung dafür, diese Option ausüben zu können, ist die Genehmigung des Bundeskartellamts.

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Haben Sie bereits einen Vorstoß in dieser Richtung gemacht?

Brink:

Ja, wir haben in der Vergangenheit informelle Sondierungsgespräche mit dem Bundeskartellamt geführt, das letzte vor 4 Wochen. Wir werden jetzt die formelle Genehmigung beantragen, die Aktienoptionen ausüben zu können. Wir rechnen damit, dass das Amt dann innerhalb von 4 Monaten entscheiden wird. Fällt die Entscheidung positiv aus, würden wir unsere Anzag-Beteiligung mit 50% plus einer Aktie in unserem Konzernabschluss konsolidieren.

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Sollen die Unternehmen auch äußerlich enger zusammenrücken?

Brink:

Nein, wir verfolgen eine Zwei-Marken-Strategie. Beide Unternehmen sollen mit ihrem jeweiligen Profil und ihrem Namen selbständig auf dem Markt tätig sein. Eine Fusion würde ökonomisch keinen Sinn machen. Allerdings wollen wir Synergiepotenziale aktivieren: z. B. Einkauf von OTC-Präparaten und Artikel des Randsortiments, Zusammenarbeit in der Informationstechnologie, Verbundtransport und gemeinsame Vermarktung unserer Daten.

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Bleiben wir beim Thema Expansion. Wie sieht es bei einem Blick nach Europa aus. Sind hier weitere Aktivitäten geplant?

Brink:

Seit über 20 Jahren haben wir in mehr oder weniger loser Form mit apothekereigenen Großhandelsunternehmen in Europa kooperiert, deren Identität wie bei uns dadurch bestimmt war, dass sie mehrheitlich oder ganz im Eigentum von Apothekern waren und keine Ketten betrieben haben. Beide Kriterien treffen auf diese Unternehmen nicht mehr zu, für uns sind sie aber nach wie vor bestimmend. Wir müssen deshalb sorgfältig prüfen, ob und in welcher Form europäische Kooperationen unter Beachtung dieser Kriterien möglich sind. Zunächst steht aber der Verbund mit der Anzag strategisch im Vordergrund.

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Und wenn wir nach England blicken: Wäre die UniChem ein Partner für die Sanacorp?

Brink:

Mit der UniChem haben wir in diesem Sinne keine Kooperation. Die UniChem war einmal eine Apothekergenossenschaft. Aus dieser Zeit gibt es eine lose Zusammenarbeit, die aber nicht sehr intensiv ist.

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Befürchten Sie, dass UniChem ihre Fühler nach Deutschland ausstreckt?

Brink:

Die Alliance UniChem ist mit 10% an der Anzag beteiligt. Weitere Engagements oder Pläne gibt es meines Wissens nicht.

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Dann gibt es auf dem deutschen Großhandelsmarkt noch einen weiteren potenziellen Partner für die Sanacorp, nämlich die Noweda eG. Sehen Sie hier eine mögliche engere Zusammenarbeit bis hin zum Zusammenschluss? Horst Trimborn, Vorstandsvorsitzender der Anzag, hat bekanntlich vor Kurzem den Wunsch geäußert, hier enger zusammen zu rücken. Haben Sie hier ein ähnliches Wunschdenken?

Brink:

Die Noweda ist unsere Schwestergenossenschaft, und wir sehen mit Respekt ihre gute Performance. Bisher gibt es auf der Arbeitsebene schon eine lose Zusammenarbeit auf einigen Feldern. Aus unserer Sicht spricht einiges dafür, die Zusammenarbeit, auch im Verbund mit der Anzag behutsam weiter auszubauen.

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Kommen wir zu einem anderen Thema: Der Euro steht vor der Tür, ab 1. Januar 2002 wird es nur noch die neue Währung in Deutschland geben. Ist die Sanacorp hierfür gerüstet?

Brink:

Ja. Wir arbeiten bereits seit 1997 an der Euro-Umstellung. Wir haben hierzu eine Projektgruppe gegründet. Zur Zeit lassen wir die Tests für die Umstellung laufen, damit ab 1. Januar das komplette Rechnungswesen in Euro laufen kann. Interessant ist hierzu anzumerken, dass uns die Euro-Umstellung von 1997 bis heute insgesamt über 6,5 Mio. DM gekostet hat. Wir nutzen aber gleichzeitig die Euro-Umstellung, um die Prozesse, die die Geldströme betreffen, zu verbessern. Wir werden eine neue Rechnungsschreibung einführen, um die Rechnungen damit noch transparenter zu gestalten. Man sagt uns ja nach, dass wir einerseits bei der Rechnungsstellung zwar sehr genau sind, aber dadurch das Rechnungslesen doch ziemlich erschwert wird. Hier wollen wir ansetzen und mehr Transparenz einführen, um die Lesbarkeit zu erhöhen. Für 2001 rechnen wir für die Euro-Umstellung mit einer Ergebnisbelastung von 1,7 Mio. DM. Wir sind zuversichtlich, dass die Euro-Umstellung, die wir als "Big bang"-Lösung machen, ab 1. Januar funktionieren wird.

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Sanacorp und das Internet. Sie haben erst vor kurzem ihren Internet-Auftritt neu gestaltet und bieten ihren Kunden ein neues Zugangsportal an. Was hat sich hier verändert, welchen Nutzen kann der Sanacorp-Kunde aus den Internetseiten des Unternehmens ziehen?

Brink:

Das unter dem Namen SanaNet eingerichtete Portal ist ein E-Business-Angebot. Wir haben es zum 1. Februar 2001 gestartet. Seit diesem Zeitpunkt können alle Kunden der Sanacorp dieses neue Serviceangebot nutzen. Es ist ein Angebot ausschließlich für unsere Kunden, also ein reines B2B-Angebot. Mit SanaNet hat der Kunde zunächst einmal einen täglichen aktuellen Überblick über unsere Aktivitäten, Veranstaltungen und Angebote. Außerdem kann er ein Online-Lieferschein- und Rechnungsarchiv benutzen. Wir können ihm einen Überblick über alle Lieferscheine und Rechnungen für zehn Jahre erstellen. Gezielt kann er dann nach einer konkreten Dokumentennummer suchen. Dann hat er noch Zugriff auf ZADO-online, eine zentrale Arzneimitteldokumentation. Hinterlegt sind hier sechs Datenbanken, auch für die Nachbarländer Österreich und die Schweiz. In diesen Datenbanken können die Apotheken nach Informationen, Arzneimitteln und Inhaltsstoffen recherchieren. Darüber hinaus bieten wir auch Ernährungstipps zur Kundenberatung an. Wir werden hier außerdem aktuell beworbene Produkte aus der Boulevardpresse aufführen, damit sich der Apotheker über diese Produkte kompetent informieren kann. Betreut wird die ZADO durch ein eigenes Team unter Leitung einer Apothekerin. Außerdem kann man über SanaNet noch individuelle Statistiken abrufen. Zu nennen sind hier zum Beispiel Statistiken über die bestellten Importarzneimittel. Außerdem sind Statistiken möglich über Tierarzneimittel, Betäubungsmittel und Ähnliches. Selbstverständlich kann er auch ausgewählte Artikel aus dem Impulse-Angebot online bestellen. Ein ganz wichtiger Punkt: Über SanaNet ist es unserem Kunden möglich, eine Online-Bestandsabfrage durchzuführen, um sich darüber zu informieren, ob gewünschte Artikel in seiner Hauptniederlassung am Lager sind. Ein weiteres Angebot ist in diesem Zusammenhang zu nennen: Die Sanacorp stellt als Partner der individuellen Apotheke alle technischen Voraussetzungen zur Verfügung, die es ihr ermöglichen, auch im Internet beim Verbraucher präsent zu sein, ohne umfangreiches Know How einkaufen zu müssen oder auf Individualität verzichten zu müssen. Sei es nun aber mit einer Homepage oder auch mit einer eigenen Sortimentsdarstellung: die Endverbraucheransprache ist und bleibt Aufgabe der selbständigen Apotheke, nicht des Großhandelsunternehmens. Mit SanaNet ermöglichen wir das.

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Ist auch angedacht, einen B2C-Auftritt zu realisieren, zum Beispiel einen Shop für den Verbraucher von Seiten der Sanacorp einzurichten?

Brink:

Nein. Hier bleiben wir dabei: Dies muss ausschließlich der einzelnen Apotheke selbst überlassen bleiben.

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Wie schätzen Sie derzeit die Attraktivität der genossenschaftlich organisierten Großhändler ein? Ist der Gedanke zeitgemäß?

Brink:

Der Sanacorp und der Noweda sind insgesamt ca. 12 000 Apothekerinnen und Apotheker als Mitglieder angeschlossen. 43% der aktiven Sanacorp-Mitglieder sind jünger als 50 Jahre. Der Genossenschaftsgedanke ist also im Berufsstand der Apotheker nach wie vor attraktiv. Allerdings muss eine Apothekergenossenschaft immer mindestens die gleiche Leistung bieten wie andere Großhandelsunternehmen auch. Sie erfüllen darüber hinaus nach wie vor die wichtige ordnungspolitische Funktion, den Apothekern auf der für sie wichtigen vorgelagerten Handelsstufe Markteinfluss zu sichern.

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Da darf die Frage nach den Rabatten nicht fehlen. Sind die Rabatte noch ein Wettbewerbsinstrument bei den Großhandlungen?

Brink:

Ganz eindeutig: Der wichtigste Wettbewerbsparameter ist die Rabattgewährung. Bedenklich stimmt aber, dass wohl ein Großteil der bundesdeutschen Apotheken nicht mehr lebensfähig wäre, wenn die Großhandelsrabatte wegfallen würden. Eigentlich sollte jede Handelsstufe aus ihrer eigenen Handelsspanne existieren. Aber dies scheint bei einem Großteil der bundesdeutschen Apotheken nicht mehr der Fall zu sein.

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Kommen wir zu Ihrer Einschätzung der politischen Lage, Herr Dr. Brink. Eine neue Bundesgesundheitsministerin ist angetreten. Gehen Sie davon aus, dass eine Änderung der gesundheitspolitischen Richtung damit verbunden ist?

Brink:

Ich glaube nicht, dass in dieser Legislaturperiode noch etwas Entscheidendes passiert. Mit Sicherheit keine große Reform. Nicht ganz sicher bin ich mir lediglich in Sachen Positivliste. Mittlerweile wird hier an einem Entwurf gebastelt, der jedoch, sollte er demnächst erscheinen, durch juristisches Sperrfeuer der Firmen erst einmal abgeblockt werden dürfte. Kurzfristig wird also wohl keine Positivliste in Kraft treten können. Bei der Festbetragsanpassung hat man sich ja mittlerweile auf einen Kompromiss geeinigt, es sollen bekanntlich nur noch 650 Mio. eingespart werden statt 1,4 Mrd. Ich hoffe allerdings, dass die Arzneimittelpreisverordnung unangetastet bleibt. Das ist nach wie vor meine feste Überzeugung: Die Arzneimittelpreisverordnung ist ein "Noli me tangere", man soll hier nicht dran rühren.

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Eine Bedrohung könnte hier allerdings von den Internet- und Versandapotheken kommen, die um Deutschland herum derzeit entstehen. Sehen Sie hiervon eine ernste Bedrohung ausgehen?

Brink:

Natürlich. Wir sind selbstverständlich sehr daran interessiert, dass das Versandhandelsverbot weiterhin aufrecht erhalten wird. Man muß sich allerdings die Frage stellen, ob der Druck, der von den Krankenkassen ausgeübt wird, zusammen mit einer doch offenen Haltung der neuen Ministerin und durch Entwicklungen, die aus Brüssel zu uns herüber kommen, möglicherweise doch zu einer Aufweichung und Änderung des Versandhandelsverbotes führt. Zum Versandhandel selbst: Hier sehe ich keine dramatischen Einbrüche auf uns zukommen, denn für die Mehrzahl der Kunden wird es immer noch bequemer sein, aufgrund der hohen Apothekendichte ihr Arzneimittel in der Apotheke zu besorgen. Außerdem liegt die Schwierigkeit beim Versand auch in der Micrologistik. Wie kommt das Päckchen von A nach B, der Besteller muss zu Hause sein und, und, und. Das wird sich meiner Meinung nach nicht so schnell ändern. Der beste Vertriebsweg für Arzneimittel bleibt auch in der Zukunft die Apotheke.

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Herr Dr. Brink, wir bedanken uns für das Gespräch!

Sanacorp-Chef Brink: mehr von Anzag, enger an Noweda Der apothekereigene Pharmagroßhandel Sanacorp blickt auf eine gute Geschäftsentwicklung und auf ein überdurchschnittliches Wachstum. Nach Einschätzung von Dr. Jürgen Brink, Vorstandsvorsitzender der Sanacorp, ist der Genossenschaftsgedanke unter den Apothekerinnen und Apothekern nach wie vor attraktiv. Für eine engere Zusammenarbeit mit der Schwestergenossenschaft Noweda würde, so Brink in unserem Interview, Einiges sprechen. Zunächst streckt die Sanacorp jedoch ihre Fühler stärker in Richtung Anzag aus.

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