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Ihr "Schmusekurs" (Der Spiegel) gegenüber den Ärzten - mit der Ankündigung, die Arzneimittelbudgets und den Kollektivregress durch Richtgrößen ablösen zu wollen - sei Schuld daran, dass die Arzneimittelausgaben im Januar dieses Monats gegenüber dem Vorjahr stark gestiegen seien - mit diesem oder ähnlichen Vorwürfen haben vor kurzem einige Medien, offensichtlich angestachelt von den Krankenkassen, die neue Gesundheitsministerin aufs Korn genommen.

Absurde Attacken, fürwahr. Die Ministerin hatte erst in der zweiten Januarhälfte ihre Tätigkeit aufgenommen. Da noch Auswirkungen auf die Verschreibungen im Januar zu behaupten, ist schlicht bösartig. Richtig ist: der Anstieg im Januar erklärt sich weit gehend aus der Zurückhaltung im vorangegangenen Dezember.

Mit ähnlichen Taschenspielertricks zur Meinungsmache plagen auch wir Apotheker uns herum. Krankenkassen (da kennen wir das schon seit langem), Teile der Pharmaindustrie und neuerdings sogar die Kassenärztliche Bundesvereinigung lancieren unisono und mit Pokerface eine Gespensterdiskussion um die angeblich viel zu hohen Kosten des Arzneimittelvertriebs. Und die Medien fahren darauf ab.

Von "konkurrenzlos hohen Handelsspannen" fabuliert ein Redakteur des Handelsblattes. Und Focus zitiert angebliche Experten aus den gesetzlichen Krankenkassen mit den Behauptungen, 50% der Arzneimittelkosten würden vom Vertrieb aufgefressen; und an einem Arzneimittel für 1000 DM verdiene die Apotheke 300 DM. In beiden Fällen wäre die Hälfte (28,7% bzw. 155 DM) fast richtig gewesen. Offensichtlich meint man, im Dienste einer vorgeschoben guten Sache ("Kosten sparen") müsse man es mit der Wahrheit (und der Wahrhaftigkeit) nicht so genau nehmen. "Wir sind da inzwischen ziemlich ratlos, Frau Ministerin. Was tun?" - habe ich die Ministerin gefragt, die sich in Hamburg bei der Interpharm auf dem "Weißen Sofa" der Diskussion gestellt hatte. Vielleicht sollten wir gemeinsam die Jagdsaison für Zeitungsenten ausrufen?

Dass verstärkt auch Vertreter der Pharmaindustrie über zu hohe Vertriebskosten lamentieren und hier Änderungsbedarf anmelden, ist besonders pikant. Zwischen 1985 und 2000 ist der Anteil, der von den Verkaufserlösen der Arzneimittel auf die Industrie entfällt, von 53% auf 57,5% gestiegen, der von Großhandel und Apotheken ist von 34,7% auf 28,7% gesunken - v. a. als Folge der degressiv ausgelegten Arzneimittelpreisverordnung. Selbst Vater Staat hat, als Folge der Mehrwertsteuererhöhung, zugelegt (von 12,3% auf 13,8%). Unverschämt werden diese Angriffe aus der Pharmaindustrie, wenn man sich die Ertragslage einmal näher anschaut. Apotheken und Großhandlungen müssen froh sein, wenn sie Umsatzrenditen von 1 bis 2% vorzeigen können, wenn also von 100 DM Umsatz 1 bis 2 DM als Gewinn vor Steuern übrig bleiben. Besonders die als Aktiengesellschaft organisierten Pharmagroßhandlungen würden sicher gern jede Gelegenheit nutzen, mit Blick auf Shareholder und Aktienkurse, höhere Erträge vorzuzeigen - wenn sie nur könnten.

Die Ertragssituation der Apotheken und des Großhandels ist geradezu erbärmlich, wenn man sie mit der von Unternehmen der Pharmaindustrie vergleicht. Bei wichtigen internationalen Konzernen sind Renditen zwischen 20 bis 30% eher die Regel als die Ausnahme - bei weniger müssen die Manager um ihre Jobs bangen. Das heißt: von 100 DM Umsatz bleiben locker vor Steuern 20 bis 30 DM übrig. In Deutschland ist man etwas bescheidener (siehe Tabelle), kommt aber sehr oft immer noch auf ein Vielfaches von dem, was der Handel erwirtschaften kann.

Diejenigen in der Pharmaindustrie, die meinen, wegen "überhöhter Distributionskosten" gegen den Großhandel und gegen öffentliche Apotheken (aber für Versandapotheken) Stimmung machen zu müssen, sollten noch einmal in sich gehen. Die Politik könnte das Spiel durchschauen - und dort hinlangen, wo es offensichtlich sehr viel mehr zu holen gibt. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Besser wäre, gemeinsam die wirklichen Probleme anszugehen.

Kasten: Bruttoumsatzrendite (in %) folgender Unternehmen:

  • GlaxoWellcome *31,4
  • Roche 27,4
  • Eli Lilly *26,5
  • Merck & Co 26,4
  • Novartis 26,2
  • Yamanouchi 20,5
  • Novo Nordisk 18,9
  • Schering AG 12,5
  • Schwarz Pharma 8,5
  • Merck KGAA 7,9

Quelle: Handelsblatt Topix, *2000, sonst 1999

Klaus G. Brauer

Jagdsaison für Zeitungsenten

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