Arzneimittel und Therapie

Insomnie-Studie in Hausarztpraxen: Schlafstörungen zu selten entdeckt

42 Prozent aller Hausarztpatienten leiden an Insomnie. Schlafstörungen sind damit eine der häufigsten Krankheitsgruppen. Der Hausarzt erkennt aber nur jeden zweiten Fall einer Schlafstörung. In der allgemeinärztlichen Versorgung gibt es offenbar eine bedenkliche Dunkelziffer nicht erkannter und unbehandelter Schlafstörungen. Das ist das wichtigste Ergebnis der Schlafforschungsstudie NISAS, die an 20000 Patienten durchgeführt wurde.

Anhaltende Ein- und Durchschlafstörungen sowie die Folgen eines nicht erholsamen Schlafes können die Tagesbefindlichkeit der betroffenen Menschen erheblich beeinträchtigen. Insomnien stellen ein häufiges Gesundheitsproblem bei Patienten dar, die eine Allgemeinarztpraxis aufsuchen. Um das Ausmaß und die Versorgungsqualität von Patienten mit Schlafstörungen zu ermitteln, führten Psychologen und Psychiater des Münchner Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in Kooperation mit der Technischen Universität Dresden die "Nationwide Insomnia Screening and Awareness Study" (NISAS) durch.

NISAS - eine Punktprävalenzstudie

Am Studientag, dem 11. Juli 2000, wurden etwa 20000 Patienten in 539 deutschen Allgemeinarztpraxen untersucht. 20670 Antwortbögen von Patienten sowie 20498 Arztbögen wurden abgegeben. Die organisatorische Arbeit am Studientag leistete der ZNS-Außendienst der Firma Sanofi-Synthelabo. Das Resultat der NISAS-Studie: 42 Prozent der Patienten litten an Schlafstörungen, die Ärzte erkannten diese Problematik aber nur bei jedem Dritten. Einschlafstörungen (21 Prozent) oder Durchschlafstörungen (27 Prozent) traten in der Studie häufiger auf als andere Probleme wie Tages-Schläfrigkeit (15 Prozent), Schlafattacken (8 Prozent), Schnarchen und/oder nächtliche Atemstillstände (7 Prozent). Legt man die diagnostischen Kriterien des amerikanischen DSM-IV zugrunde, so erfüllte etwa ein Viertel (26,7 Prozent) aller Allgemeinarztpatienten die dort festgelegten Kriterien einer Insomnie.

Viele junge Menschen leiden an Insomnien

Insomnien sind in der Mehrzahl ernst zu nehmende und langwierige Erkrankungen. So litten am Tag der NISAS-Studie mehr als 70 Prozent aller Patienten seit mehr als einem Jahr unter Schlafbeschwerden, 40 Prozent davon beinahe jede Nacht. Der Anteil an jungen Patienten mit Schlafstörungen war in der Studie überraschend hoch. Bei den 16- bis 19-Jährigen war zum Beispiel jeder Vierte betroffen. Nach den Worten des Studienleiters Professor Dr. Wittchen ist die NISAS-Studie eine wichtige wissenschaftliche Datenbasis für weitere Aufklärungs- und Fortbildungsprojekte. Ärzte nehmen die Klagen über Schlafstörungen durchaus ernst, unterschätzen aber deren Häufigkeit. Die Patienten erschweren wiederum die Diagnose, weil sie häufig dem Arzt nichts über ihre Beschwerden erzählen.

Überforderte Ärzte

Schlafstörungen richtig zu diagnostizieren und sie von anderen Krankheiten zu unterscheiden, macht vielen Allgemeinärzten Probleme. Laut NISAS-Studie behandeln die Allgemeinärzte die Patienten mit Schlafstörungen selbst, schätzen ihre diagnostische und therapeutische Kompetenz aber als kritisch ein. Die Hälfte der Ärzte fühlt sich überfordert. In der Behandlung von Schlafstörungen spielt in der Praxis die Pharmakotherapie eine viel größere Rolle als psychotherapeutische Maßnahmen. Phytopharmaka sind am beliebtesten, sie machen rund die Hälfte der Verschreibungen aus. Danach folgen Benzodiazepine (23 Prozent) und Non-Benzodiazepine (17 Prozent). Die Hälfte der Patienten erhält ein ausführliches Beratungsgespräch. Die Verschreibungsdauer beträgt überwiegend zwei bis vier Wochen, jedoch verschreiben immerhin 13 Prozent der Ärzte häufig Sedativa länger als vier Wochen.

Quelle: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, München, Prof. Dr. Dieter Riemann, Freiburg, Prof. Dr. Göran Hajak, Regensburg, Pressekonferenz "NISAS-2000 - Ergebnisse der Nationwide Insomnia Screening and Awareness Study - Insomnien und Schlafstörungen in der allgemeinärztlichen Praxis", München, 1. Februar 2001.

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