Arzneimittel und Therapie

Brustkrebs: Tamoxifen erhöht das Risiko für Endometriumkarzinome

Eine niederländische Fall-Kontroll-Studie ergab für Brustkrebspatientinnen ein erhöhtes Risiko für Endometriumkarzinome, wenn sie mit Tamoxifen behandelt wurden. Das Risiko stieg mit der Behandlungsdauer und ging nach dem Behandlungsende nicht zurück. Endometriumkarzinome, die nach Tamoxifen-Einnahme auftraten, hatten eine schlechtere Prognose als Endometriumkarzinome ohne vorherige Tamoxifen-Einnahme.

Seit fast 20 Jahren ist das Antiöstrogen Tamoxifen die Hormontherapie der Wahl bei frühem und bei metastasiertem Brustkrebs. Allerdings ergaben mehrere Studien für Tamoxifen-Anwenderinnen ein doppelt bis siebenfach erhöhtes Risiko für Endometriumkarzinome. Viele Kliniker vertraten bislang die Auffassung, dass Endometriumkarzinome, die durch Tamoxifen entstanden sind, überwiegend niedriggradig und prognostisch günstig sind. Diese Hypothese ist jedoch nicht in größeren Studien überprüft worden.

Daten aus nationalem Krebsregister

In einer landesweiten niederländischen Fall-Kontroll-Studie wurde das Risiko für Endometriumkarzinome nach einer Brustkrebs-Behandlung mit Tamoxifen und ihre Prognose untersucht. Als Datenquelle dienten die nationalen Krebsregister. Berücksichtigt wurden Frauen, die zwischen 1976 (bzw. 1972 in zwei Kliniken, die Tamoxifen schon früher einsetzten) und 1997 die Diagnose "Brustkrebs" gestellt bekamen.

309 Fälle und 860 Kontrollen

Fallpatientinnen waren Frauen, bei denen frühestens drei Monate nach einem Mammakarzinom ein Endometriumkarzinom diagnostiziert wurde. Kontrollpatientinnen waren Mammakarzinompatientinnen, bei denen kein Endometriumkarzinom festgestellt wurde. Jeder Fallpatientin sollten drei Kontrollpatientinnen zugeordnet werden, die mit ihr im Alter und im Zeitpunkt der Diagnose "Brustkrebs" möglichst gut übereinstimmten.

Alle Kontrollpatientinnen mussten mit intaktem Uterus mindestens die Zeitspanne überlebt haben, die bei den Fallpatientinnen zwischen der Diagnose "Brustkrebs" und der Diagnose "Endometriumkarzinom" lag. 309 Fallpatientinnen und 860 Kontrollpatientinnen wurden erfasst.

Zehn Fallpatientinnen, für die es keine passenden Kontrollpatientinnen gab, wurden nur bei den Überlebensraten berücksichtigt. Von 276 Fallpatientinnen wurden Biopsien des Endometriumkarzinoms histologisch untersucht sowie immunhistochemisch auf den Hormonrezeptor-Status und die Expression des Tumorsuppressor-Gens p53 überprüft.

Relatives Risiko von 1,5 für Tamoxifen-Anwenderinnen

108 von 299 Fallpatientinnen (36,1%) und 245 Kontrollpatientinnen (28,5%) hatten Tamoxifen eingenommen. Das relative Risiko für ein Endometriumkarzinom betrug für Tamoxifen-Anwenderinnen im Vergleich zu Nichtanwenderinnen 1,5.

Das Risiko für ein Endometriumkarzinom stieg mit der Dauer der Tamoxifen-Anwendung

  • von 1,1 nach unter zwei Jahren
  • auf 2,0 nach zwei bis fünf Jahren und
  • auf 6,9 nach fünf oder mehr Jahren Tamoxifen-Therapie.

Bei Frauen, die Tamoxifen kürzlich (innerhalb des vergangenen Jahres) noch eingenommen hatten, war das Risiko nicht signifikant höher als bei Frauen, die Tamoxifen früher eingenommen hatten. Auch die Tamoxifen-Tagesdosis beeinflusste das Risiko für ein Endometriumkarzinom nicht signifikant.

Mehr Endometriumkarzinome bei Tamoxifen-Einnahme

Bei Tamoxifen-Langzeitanwenderinnen (mindestens zwei Jahre) waren Endometriumkarzinome im Stadium III oder IV häufiger als bei Nicht-Anwenderinnen. Sie betrafen 17,4% gegenüber 5,4% der Frauen. Bösartige gemischte mesodermale Tumoren und Endometrium-Sarkome traten bei Tamoxifen-Langzeitanwenderinnen öfter auf als bei Nicht-Anwenderinnen (15,4% gegenüber 2,9%).

Das Tumorsuppressor-Gen p53 war bei 31,4% gegenüber 18,2% überexprimiert. Der Östrogenrezeptor-Status war bei Tamoxifen-Langzeitanwenderinnen häufiger negativ als bei Nicht-Anwenderinnen (60,8% gegenüber 26,2%). Der Gestagenrezeptor-Status zeigte keinen Zusammenhang zur Tamoxifen-Anwendung.

Höheres Risiko für Endometriumkarzinom

Die Fünf-Jahres-Überlebensrate nach Tamoxifen-Anwendung fiel mit 40% signifikant schlechter aus als mit 64% ohne Tamoxifen. Das überrascht nicht, weil die Tamoxifen-Anwenderinnen im Mittel ein weiter fortgeschrittenes Mammakarzinom hatten als die Nicht-Anwenderinnen.

Allerdings war bei Langzeitanwenderinnen auch die Endometriumkarzinom-spezifische Überlebensrate nach drei Jahren schlechter: Sie betrug 76% nach mindestens fünf Jahren Tamoxifen und 85% nach zwei bis fünf Jahren gegenüber 94% ohne Tamoxifen.

Andere Risikofaktoren für Endometriumkarzinome, darunter das Körpergewicht und eine Hormonersatztherapie, beeinflussten das Tamoxifen-abhängige Risiko nicht. Entgegen weit verbreiteter Meinung sterben Tamoxifen-Langzeitanwenderinnen also mit höherer Wahrscheinlichkeit an einem Endometriumkarzinom als Nichtanwenderinnen. Dies scheint mit einer ungünstigeren Histologie und einem höheren Tumorstadium zusammenzuhängen.

Absolute Zahlen sind niedrig

Die absoluten Zahlen sind jedoch niedrig: Pro 1000 Tamoxifen-Anwenderinnen mittleren Alters dürften nach fünf Behandlungsjahren zusätzlich durchschnittlich 20 Frauen innerhalb von zehn Jahren an einem Endometriumkarzinom erkranken. Davon dürften drei bis fünf einen Tumor mit einer ungünstigen Histologie oder einem hohen Tumorstadium haben.

Bei Brustkrebspatientinnen überwiegen die Überlebensvorteile durch Tamoxifen. Die breite Anwendung zur Prävention bei gesunden Frauen mit hohem Brustkrebsrisiko wird durch diese Ergebnisse allerdings infrage gestellt.

Literatur: Bergmann, L., et al.: Risk and prognosis of endometrial cancer after tamoxifen for breast cancer. Lancet 356, 881-887 (2000). Gelmon, K.: One step forward or one step back with tamoxifen? Lancet 356, 868-869 (2000).

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