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Organtransplantationen in Deutschland: Chancengleichheit durch bundesweite War

BERLIN (sw). Organ- und Gewebeübertragungen gehören zum Standard der medizinischen Versorgung. In Deutschland werden pro Jahr etwa 2300 Nieren, 560 Herzen und 760 Lebern transplantiert, außerdem 4000 Augenhornhäute. Die Funktionsraten, insbesondere die Überlebensraten im Fünf-Jahres-Zeitraum, übersteigen alle anderen konservativen Therapiemöglichkeiten. Die Zahl der Transplantationen ist seit Jahren in etwa gleich, im vergangenen Jahr war sie sogar leicht rückläufig. Am 30. Januar fand im Kaiserin-Friedrich-Haus in Berlin ein Presseseminar der Bundesärztekammer zum Thema Organtransplantationen statt.

Auf ein neues Organ warten in Deutschland gegenwärtig ca. 14 000 schwerstkranke Menschen, davon knapp 12 000 auf eine Niere. Bevor ein Organ zur Verfügung steht, sterben etwa ein Drittel der Patienten, die auf eine Leber, eine Lunge oder ein Herz warten.

Grund für den leichten Rückgang der Transplantationen im Jahr 2000 ist eine leichte Abnahme der Organspende sowie die Tatsache, dass weniger Organe aus den Eurotransplant-Partnerländern kamen. Die Krankenhäuser haben zwar mehr mögliche Organspender gemeldet, aber immer mehr Verstorbene kamen aus medizinischen Gründen nicht als Spender in Frage. Außerdem haben die Angehörigen eine Organentnahme häufiger abgelehnt.

Transplantationsgesetz regelt Rechtsfragen

Alle rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Transplantation sind seit 1997 durch das Transplantationsgesetz geregelt, seit Juli 2000 gibt es Richtlinien für die Warteliste und die Organvermittlung.

Jeder Patient, bei dem eine Organtransplantation angezeigt ist, muss über das jeweilige Transplantationszentrum auf die Warteliste gesetzt werden. Dies ist ein formeller Akt und notwendige Bedingung für die künftige Vermittlung eines Organs und erfolgt anhand bestimmter in den Richtlinien genannter Kriterien. Die Warteliste wird bundeseinheitlich geführt, wodurch Chancengleichheit erreicht werden soll. Obwohl die Gerechtigkeit nur relativ sein kann (z. B. können Dringlichkeit und Erfolgsaussicht einander entgegenstehen), erfolgen die Aufnahme in die Warteliste und die Platzzuweisung nach rein medizinischen Kriterien. Soziale oder politische Faktoren finden keine Berücksichtigung - also der Politiker ist nicht wichtiger als der 70-jährige Rentner.

Schlechte Compliance kein Ausschlussgrund

Diskussionen hat es über die Kontraindikationen in den Richtlinien gegeben, teilweise führten diese schon zu Nachbesserungen. So ist z. B. eine HIV-Infektion nicht mehr unbedingt ein Ausschlusskriterium für eine Transplantation, da sich gezeigt hat, dass sie durchaus erfolgreich sein kann. Die Kontraindikation "unzureichende Compliance" wurde dahingehend erläutert, dass nur noch eine anhaltende fehlende Compliance ein Ausschlussgrund ist; ansonsten müssen die Ärzte auf die Compliance einwirken, genauso wie die Krankenhäuser gegebenenfalls für die sprachliche Verständigung mit nicht Deutsch sprechenden Patienten sorgen müssen. Für Alkohol-, Nikotin- und Suchtkranke gilt nur der schwere Abusus als Ausschlusskriterium. Die Nachbesserungen treten jeweils sofort nach Beschluss durch Eurotransplant in Kraft und werden jährlich im Februar publiziert.

Lebend-Spende bei Nieren und Lebern

Die Verteilung der Organe erfolgt nach einem Mehrfaktorenbündel - Blutgruppe, Gewebeverträglichkeit, Wartezeit, Dringlichkeit, räumliche Nähe.

Die Zahl der Lebend-Spende-Transplantationen hat im Laufe der Jahre bis auf 16,8% der Nierentransplantationen zugenommen und auch bei den Lebertransplantationen entscheiden sich viele Patienten für eine Lebendspende.

Die Entwicklung der Xeno-Transplantation hat zwar wissenschaftliche Erfolge erbracht, gegenwärtig gibt es aber noch sehr viele ungelöste Probleme. Zell-Züchtungsverfahren sind in einzelnen Bereichen erfolgversprechend (z. B. Herzklappen-Überzüge mit menschlichem Zellmaterial), es wird aber noch geraume Zeit bis zur Praxisreife dauern.

Hauptproblem: zu wenige Organspender

Hauptproblem ist also nach wie vor die zu geringe Zahl von Organspendern. 14 000 Patienten auf der Warteliste stehen knapp 4000 Transplantationen pro Jahr gegenüber. Bei Befragungen zeigt sich eine überwiegend positive Einstellung der Bevölkerung - zwei Drittel der Bundesbürger sind bereit, Organe nach dem Tod zu spenden. In Deutschland gilt aber die erweiterte Zustimmungslösung, d. h., der Verstorbene selbst hat zu Lebzeiten eine Entscheidung getroffen und dokumentiert bzw. im Gespräch mit den Angehörigen muss der mutmaßliche Wille erfragt werden. Dies muss zu einem psychologisch sehr belastenden Zeitpunkt und dann auch noch sehr schnell erfolgen.

Deutschland hat einen Anteil von knapp 13 potenziellen Organspendern pro 1 Million Einwohnern, Belgien und Österreich ca. 24 und Spanien 34. In Ländern mit Widerspruchslösung (die teilweise schon sehr lange besteht) stehen naturgemäß mehr Organe zur Verfügung.

Förderung der Organspende-Bereitschaft

Oberstes Ziel für die nächsten Jahre muss also eine wirksame Förderung der Organspende-Bereitschaft sein sowie eine weitere Verbesserung der Ermöglichung der Organspende durch die Krankenhäuser. Vergleichszahlen aus dem Ausland lassen vermuten, dass nicht alle Krankenhäuser mit Intensivstation in Deutschland alle möglichen Organspender melden, weil sie nicht als solche erkannt werden, wichtige Maßnahmen versäumt werden, hohe Arbeitsbelastung herrscht, Scheu vor dem Gespräch mit den Angehörigen besteht und schließlich die Organspende nicht den eigenen, sondern unbekannten Patienten zugute kommt.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation hält mit der Koordinierungsstelle in sieben Regionen rund um die Uhr Mitarbeiter zur Koordinierung aller Aktivitäten bereit. Ziel ist eine Steigerung der Organspende in Deutschland um 20% in den kommenden zwei Jahren.

Organspende als Nächstenliebe

Wer einmal erlebt oder gehört hat, welch eine kaum zu ertragende Belastung die Zeit des Wartens auf ein lebenserhaltendes und lebensrettendes Organ für die Patienten und deren Angehörige ist, sieht evtl. die Bereitschaft zur Organspende mit anderen Augen und ist bereit, diese in einem Organspendeausweis niederzulegen. Diese Entscheidung erspart unter Umständen den Angehörigen eine große Belastung und kann selbstverständlich jederzeit durch Zerreißen des Ausweises widerrufen werden. Nicht zuletzt kann man die Organspende auch als Nächstenliebe über den Tod hinaus ansehen (Info-Telefon: 01 80/9 04 04 00).

Organ- und Gewebeübertragungen gehören zum Standard der medizinischen Versorgung. In Deutschland werden pro Jahr etwa 2300 Nieren, 560 Herzen und 760 Lebern transplantiert, außerdem 4000 Augenhornhäute. Die Zahl der Transplantationen ist seit Jahren in etwa gleich, im vergangenen Jahr war sie sogar leicht rückläufig.

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