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Arzneimittelversand: Nutzen durch E-Commerce?

KÖNIGSWINTER (im). Versandhandel kann sich immer nur auf hochpreisige Arzneimittel beschränken. Sollte dieser bisher in Deutschland verbotene Vertriebsweg kommen, müssten die erheblichen Auswirkungen auf das jetzige System bedacht werden, bei dem Apotheker Patienten auch mit preiswerten Medikamenten, deren Abgabe sich betriebswirtschaftlich nicht lohnt, versorgen. Dies sagte Dr. Frank Diener von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände - ABDA auf einem Workshop der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am 1. März in Königswinter. Dort bot Eike Hovermann von der SPD-Bundestagsfraktion der Union eine große Gesundheitsreform im Konsens an.

Sollte E-Commerce mit Arzneimitteln kommen, müsste das neue System nachweisbar günstiger als das bisherige Gesamtsystem im Vertrieb sein und belegen können, dass außer lukrativen teuren auch preiswerte Medikamente flächendeckend gehandelt werden, so Diener, Geschäftsführer bei der ABDA. Er erinnerte daran, dass Arzneimittel nicht über den PC gehandelt werden, es müsse wenn überhaupt zunächst der Versandhandel erlaubt werden.

Preisverordnung vorteilhaft

Diener hob hervor, dass Arzneimittel und deren Distribution über die Offizin gerade nicht die Kostentreiber der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind. So liege Deutschland bei den Vertriebskosten im unteren Mittelfeld in Europa und habe eine sehr große Generikaquote. Der ABDA-Geschäftsführer hob dagegen die Vorteile der degressiven Apothekenspanne für die GKV hervor. Die derzeitige Arzneimittelpreisverordnung stelle die Abgabe sämtlicher, auch preiswerter Präparate sicher.

Niederländische Internetapotheken dagegen würden Arzneimittel erst ab einem bestimmten Preis, rund 100 Mark, versenden, also nur die "Rosinen" herauspicken. Da sich die Abgabe erst ab rund 100 Mark rechne, bedeute dies, dass bei dem Durchschnittspreis der Arzneimitteln in der GKV von 45 Mark die Apotheke keinen Gewinn erziele.

Märchen zurückgewiesen

Entschieden wies Diener Berichte zurück, denen zufolge sich die Preise teurer Arzneien nach dem Herstellerabgabepreis in der Apotheke verdoppelten. Angesichts der degressiv ausgerichteten Preisverordnung (mit Streckung im oberen Bereich) sei das falsch, hinzu komme der fünfprozentige Rabatt für die Krankenkassen und der volle Mehrwertsteuersatz. Bei einem Herstellerabgabepreis von 2 000 Mark verblieben in der Apotheke nur rund 800 Mark. Die durchschnittliche GKV-Packung werde zu einem Rohertrag von neun Mark abgegeben.

Ärzte für billigeren Vertrieb

Auf der Veranstaltung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung machte deren Vorstandsmitglied Dr. Jürgen Bausch deutlich, dass die Ärzte zwar das hohe Sicherheitsniveau der Arzneidistribution erhalten sehen wollen, allerdings auch mögliche Einsparungen im Vertrieb anvisieren.

E-Commerce dürfe jedoch keinesfalls die Versorgung etwa der Landbevölkerung durch Apotheken gefährden, so der Arzneiexperte der KBV, der Vertretung der 110 000 niedergelassenen Mediziner. Die Ärzte drängen demnach auf Einsparungen bei den Arzneikosten, wollen aber keine negativen Auswirkungen für die jetzige Apothekenstruktur. Er lehne es ab, so Bausch, wenn durch die Herausnahme einzelner, lukrativer Arzneimittel den Apotheken nur noch preiswerte Arzneimittel verblieben mit der Folge von Apothekenschließungen, sodass etwa auf dem Land die flächendeckende Versorgung nicht mehr gewährleistet sei. Darüber hinaus müssten negative Folgen durch E-Commerce und Versandhandel - wie Fälschungen - ausgeschlossen werden.

Offen blieb im Workshop die Frage der Kontrollen, um zu verhindern, dass Fälschungen etwa aus asiatischen Ländern nach Deutschland gelangen.

Risiken des E-Commerce

Nach Angaben der Leiterin des KBV-Arzneireferats, Dr. Eva Susanne Dietrich, liegt ein Hauptrisiko der Online-Bestellung in der unbekannten Herkunft und Zusammensetzung der bestellten Präparate.

Häufig fehlten Originalverpackung und Packungsbeilage. Oft seien die Quellen gar nicht zu überprüfen, sieben bis zehn Prozent der weltweit gehandelten Arzneimittel gälten als gefälscht. Darüber hinaus sei die Sicherheit der zeitnahen und ordnungsgemäßen Lieferung bisher nicht gewährleistet. Zudem bestehe die Gefahr des Datenmissbrauchs, da Informationen über das Datenschutzniveau von Internet-Anbietern den Nutzern nicht zugänglich seien.

Nach Ansicht von Dietrich wäre E-Commerce der Einstieg in die Zwei-Klassen-Medizin, da die Bedürfnisse von Älteren sowie Menschen der unteren sozialen Schicht nicht berücksichtigt würde. Käme der Internethandel, könne ihn nur ein Teil der Bevölkerung nutzen.

SPD: offensiv

Letzteres wies der stellvertretende gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion zurück. Nach Worten von Eike Hovermann sind Senioren dabei, beim Internetzugang aufzuholen oder könnten bei Interesse Bestellungen via Netz an andere delegieren. Hovermann, für die SPD-Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags, zeigte sich überzeugt davon, E-Commerce und Versandhandel komme sowieso. Daher sei es besser, sich dieser Entwicklung nicht zu verweigern, sondern sie offensiv zu begleiten. Allerdings müssten noch Vorarbeiten geleistet werden, um zum Beispiel Insellösungen beim elektronischen Rezept zu verhindern.

Er appellierte an die CDU/CSU, gemeinsam eine weitere große Gesundheitsreform im Konsens als "Lahnstein 2" zu vereinbaren. 1992 war die große Reform zwischen CDU/CSU und SPD sowie der FDP konzipiert worden ("Lahnstein 1" das Gesundheitsstrukturgesetz). Nach Ansicht von Hovermann kommt in Zukunft mehr Wettbewerb ins System, auch bei der Distribution.

CDU wartet auf Konzept

Der CDU-Parlamentarier Dr. Hans Georg Faust, ebenfalls Mitglied des Bundestags-Gesundheitsausschusses, verlangte vor Gesprächen zunächst die Vorlage eines Konzepts der SPD. Er regte eine umfassende Diskussion und gegebenenfalls eine "intelligente" Änderung der Arzneimittelpreisverordnung an, so dürfe die notwendige Beratung zu Arzneimitteln nicht außer Acht gelassen werden. In jedem Fall müsse die flächendeckende Arzneiversorgung durch Apotheken erhalten bleiben.

"Keine Apothekentreue"

In dem Workshop forderte Henriette Hentschel vom Unternehmen MSD Sharp und Dohme die Aufhebung des Versandhandelsverbots mit der Begründung, überall außerhalb von Deutschland gebe es Versand und E-Commerce via Internet. Beides sei untrennbar miteinander verbunden.

Dies müsse es als deutschsprachiges Angebot auch für unsere Bevölkerung geben, ansonsten würden sich die Versicherten Angebote von überall holen. Mehr Wettbewerb bei der Distribution von Medikamenten ziehe eine verbesserte Qualität bei zugleich sinkenden Kosten nach sich, sagte Hentschel. Die gesetzlichen Krankenkassen könnten die Online-Apotheken organisieren, so ihr Vorschlag, der einen massiven Anschlag auf das jetzige Apothekensystem bedeutete.

Brisant war der weitere Hinweis, es gebe "keine Apothekentreue". Aus diesem Grund, so Hentschel, seien Versandapotheken vorteilhaft. Erfahrungen mit der US-Tochter Merck-Medco hätten gezeigt, dass sich diese Versandapotheke zum "Qualitätsmanager" entwickelte und jetzt disease management betreibe. Alle Patienten würden "aus einer Hand" mit Arzneimitteln beliefert. ABDA-Geschäftsführer Diener wies in diesem Zusammenhang die angeblich fehlende Apothekentreue zurück. Diese sei im Gegenteil heute vorhanden und könne in Zukunft mit dem elektronischen Rezept und der elektronischen Arzneimitteldokumentation in der Offizin noch erheblich verbessert werden.

Wie MSD-Gesundheitsexpertin Hentschel sagte, sei in Sachen Online-Apotheke die Freiwilligkeit für Patienten entscheidend. In den USA könnten die Patienten wählen, ob sie an einem Angebot mit Versandhandel und dadurch möglicher Prämienreduktion teilnehmen wollten oder nicht. Stehe die derzeitige Mischkalkulation der deutschen Preisverordnung möglichen Änderungen entgegen, sollte über eine Neuregelung nachgedacht werden, bei der die Apotheker zum Beispiel einzelne Leistungen honoriert bekämen, so ihr Vorschlag.

Kastentext: ABDA-Portal im Sommer

Im Sommer wird voraussichtlich das neue Gesundheitsportal der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) starten. Das kündigte Dr. Frank Diener von der ABDA auf der Veranstaltung am 1. März in Königswinter an. Die Pharmazeuten sähen im Internet ein gutes Medium zur Informationsvermittlung.

Versandhandel kann sich immer nur auf hochpreisige Arzneimittel beschränken. Sollte dieser bisher in Deutschland verbotene Vertriebsweg kommen, müssten die erheblichen Auswirkungen auf das jetzige System bedacht werden, bei dem Apotheker Patienten auch mit preiswerten Medikamenten, deren Abgabe sich betriebswirtschaftlich nicht lohnt, versorgen. Dies sagte Dr. Frank Diener von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA auf einem Workshop der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am 1. März in Königswinter. Dort bot Eike Hovermann von der SPD-Bundestagsfraktion der Union eine große Gesundheitsreform im Konsens an.

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