Kommentar

Nix Müller, oder ... ?

Wenn wir (schon) eine sozialliberale Regierung und einen FDP-Wirtschaftsminister hätten - dann hätte man den Vorschlag erwarten können, mit dem Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos, schrödernah) wohl kalkuliert die Parteisoldaten in der SPD und in den Gewerkschaften gegen sich aufgebracht hat. Müller und sein Haus sprechen sich dafür aus, den Arbeitgeberanteil an den Krankenversicherungsbeiträgen den Arbeitnehmern auszuzahlen; die sollen dann den vollen Beitrag an ihre Kasse selbst zahlen bzw. sich nach Gusto zusätzlich privat absichern. Die politische Essenz dieses Vorschlages ist natürlich nicht, nur den Zahlungsfluss umzustricken. Er schafft vielmehr neue Optionen, in denen man Gefahren wittern, aber auch Chancen sehen kann. 1. Der Arbeitgeberanteil ließe sich einfrieren - auf z.B. 6.5% oder 7% des Einkommens bis zur Beitragsbemessungsgrenze (das wäre rund die Hälfte des heutigen Durchschnittsbeitrages); über eine Dynamisierung würde zukünftig der Gesetz- oder Verordnungsgeber entscheiden. 2. Dieser einerseits beklagte "Einstieg in den Ausstieg aus der Parität" schafft andererseits die Möglichkeit, den Versicherten mehr Spielraum zu bieten. Gegen alle großen Risiken müssten sie sich zwar weiterhin voll versichern ("Pflichtkasko"). Dabei kann und sollte es m.E. voll beim Solidarprinzip bleiben (d.h. gleiche Leistungsansprüche trotz unterschiedlicher Einkommen und Beitragszahlungen). Daneben würde der Versicherte - ohne dass dies den Arbeitgeber künftig tangiert - selbst entscheiden, welche Risiken er mit welchem Selbstbehalt freiwillig zusätzlich versichert (Kuren, alternative Therapieformen, Massagen, Zahnersatz, Einzelzimmer im Krankenhaus etc.). Die Beiträge für diese Wahlleistungen könnte man rein versicherungsmathematisch berechnen - wie in der Privatversicherung. Man könnte aber auch hier (ganz oder abgeschwächt) das Solidarprinzip aufrecht erhalten: Kuren abzusichern "kostet" also z.B. einen Beitrag von 1% des Einkommens. Wer viel verdient zahlt demnach für den gleichen Leistungsanspruch mehr als diejenigen mit geringem Einkommen. Indirekte Folge einer solchen Systemänderung: es ließen sich nach der "Privatisierung" des Arbeitgeberanteils auch Einkommensbestandteile in die Beitragsberechnung einbeziehen, die nicht aus Lohn stammen. Das macht Sinn - auch für waschechte Sozialdemokraten. Denn immer größere Anteile des Bruttoinlandsproduktes und damit unseres Wohlstandes werden nicht mehr über Arbeitseinkommen erwirtschaftet. Warum setzt sich Ulla Schmidt nicht freiwillig an die Spitze der Bewegung, bevor die alternde Gesellschaft, der medizinisch-pharmazeutische Fortschritt und die Wähler sie dazu zwingen? Klaus G. Brauer

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