Kommentar

"Gehe'ste hin, biste weg" - Gratulation, Herr Dr. Pieck!

Ex-ABDA-Sprecher Dr. Johannes Pieck, bis Anfang dieses Jahres noch in ABDA-Diensten, wird "Aufsichtsrat" bei Gehe. Glückwunsch! Welch eine Wendigkeit! Was stören mich meine Bonmots von gestern - mag er sich gesagt haben: "Gehe'ste hin, biste weg" - wir erinnern uns. Gerade noch auf der Gehaltsliste der Apotheker fühlt Pieck sich nun ganz frei - sogar von seiner eigenen Geschichte?

Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann. In ABDA-Zeiten waren es die Ecken und Kanten, die Gegner an Pieck fürchteten und Freunde an ihm schätzten. Er stellte sich in Wort und Schrift als Lordsiegelbewahrer des Fremd- und Mehrbesitzverbotes dar, ungezählte Male. Als Signal, dass man auch in Deutschland Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken anstrebt, wertete er noch auf dem letzten Apothekertag Aussagen von Gehe-Chef Dr. Oesterle, "dass nicht im Großhandel, sondern im Einzelhandel in den nächsten Jahren die Musik spielen wird". Das - so Pieck noch Ende September letzten Jahres - sei keine Musik und auch keine volkswirtschaftliche Prognose von Europas größtem Pharmagroß- und Einzelhändler. Es sei eine "eindeutige unternehmerische Absichtserklärung". Eine gewagte Interpretation? Dr. Oesterle - Chef des Gehe-Pharmahandel-Aufsichtsrates, in dem Pieck künftig Sitz und Stimme haben soll - dazu kürzlich auf der Bilanzpressekonferenz: "Überall wo es rechtlich möglich und wirtschaftlich attraktiv ist, werden Ketten aufgebaut" (FAZ 25.4.2001). Dort seien die erzielbaren Renditen deutlich interessanter. Dieter Schadt, der Chef der Gehe-Mutter Haniel, legte in diesem Mai noch eins drauf: Dass in Deutschland der Mehrbesitz nicht erlaubt ist, sei "unverständlich" (Zitat WAZ). Verstanden?

Mit Pieck gesprochen: "Die Folge von Mehrbesitz ist unausweichlich Fremdbesitz". Wer auch nur dem Mehrbesitz das Wort rede, begebe sich "auf eine abschüssige Bahn", an deren Ende die "Aufgabe ... der Substanz des Apothekerberufes" steht (Apothekertag 1995). "Das Verbot des Fremd- und Mehrbesitzes bleibt nach unserem Verständnis unverzichtbare Voraussetzung dafür, daß der Apotheker seinen Beruf als Heilberuf und zugleich als einen Freien Beruf ausüben kann" (Apothekertag 1996). Das zeigt: Pieck schien bis dato (wir sind's bis heute) überzeugt, dass selbstständige Apotheken - für die Gesellschaft und auch für die Apotheker - allemal das bessere Modell sind. Schnee von gestern? Pieck als Mietmaul? Sein Skandal-Interview mit der Rheinischen Post zum Jahresstart (siehe AZ Nr. 1), unmittelbar vor seinem Abgang bei der ABDA, erscheint da noch einmal in einem ganz anderen Licht ("Apotheker sind ersetzbar"). Wurde er bei seiner pauschalen Apotheker-Beschimpfung doch nicht so missverstanden?

Die Konzernlenker bei Gehe haben - aus Sicht ihrer Kapitalgeber - einen guten Job gemacht. Erst BKK-Chef Schmeinck ("pro Kette, pro Versandhandel"), jetzt Dr. Pieck ("?") im Aufsichtsrat. Da weiß man, was man hat. Da freuen sich die Aktionäre. Und die Apotheker? Na, wo laufen sie denn?

Klaus G. Brauer

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.