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Ernährung: Wie gesund ist Wein?

Im Rahmen des Pharmazeutisch-Biologischen Seminars der Universität Würzburg sprach am 20. Januar 2000 Apothekerin Claudia Kohlert, Doktorandin am Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie, über das Thema "In vino sanitas?"

Auf diese Frage soll sogleich geantwortet werden: Der Verzicht auf Wein ist ein Risiko für unsere Gesundheit! Diese Antwort drängt sich auf, wenn man die zahlreiche, zum Thema "Wein und Gesundheit" verfügbare Literatur betrachtet.

Über 7000 Jahre Wein Die Gattung Vitis ist sehr alt. Dies belegen archäologische Funde von fossilen Blättern und Samen aus dem Miozän (Jungtertiär) in Europa und Nordamerika. Frühe Hinweise auf die Kultivierung der Weinrebe Vitis vinifera und den Genuss von Wein durch den Menschen liefern Samen aus ägyptischen Grabstätten sowie der Fund einer Kelter in der Nähe von Damaskus aus dem 6. Jahrtausend v. Chr. Auch die medizinische Verwendung wird früh bekannt. Bei den Sumerern fanden sich Rezepte für die Zubereitung von Kräuterextrakten mit Wein; die Griechen setzten Wein, neben der bekannten Verwendung als Desinfiziens, als Sedativum, Hypnotikum und bei Störungen des Gastrointestinaltraktes ein. Sogar in der Bibel wird bereits berichtet: "bonum vinum laetificat cor hominis". Zweideutig aufgefasst bedeutet dies, dass man schon zu biblischen Zeiten um die kardioprotektiven Effekte des Weines wusste.

Was ist die Ursache vom French Paradox? Seit etlichen Jahren ist in diesem Zusammenhang das so genannte French Paradox in aller Munde. Es besagt, dass trotz des hohen Verzehrs an tierischen Fetten und Cholesterol die Herzinfarktrate bei den Franzosen sehr gering ist. Als Grund hierfür wurde der starke Rotweinkonsum der Franzosen angenommen. Inzwischen steht man dieser Auffassung jedoch sehr kritisch gegenüber. Einerseits gibt es Hinweise, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Konsum gesättigter Fettsäuren beziehungsweise einem hohen Cholesterinspiegel und der Herzinfarktsterblichkeit besteht. Dies basiert auf Ergebnissen der MONICA-Studie (1980er- und 1990er-Jahre). Im Rahmen dieser Multicenterstudie stellte man unter anderem fest, dass die Einwohner von Toulouse eine um 50% geringere Herzinfarktsterblichkeit gegenüber den Straßburgern aufwiesen, obwohl in Straßburg der Cholesterinspiegel der Bevölkerung geringer ist als der der Toulouser Bevölkerung. Dabei waren alle anderen klassischen Risikofaktoren (Rauchen, Übergewicht etc.) gleich verteilt. Ein anderer Ansatz, der dem Rotwein die kardioprotektive Wirkung abspricht, ist bei näherer Betrachtung der Ernährungsgewohnheiten der Franzosen entstanden. Der Fettverzehr der Franzosen ist erst in den letzten 30 Jahren gestiegen. Da sich negative Folgen dieser Ernährung aber erst etwa 30 Jahre später in der Herzinfarktstatistik niederschlagen, wird ein Anstieg der Herzinfarktrate bei den Franzosen in den nächsten Jahren erwartet.

Wein schützt das Herz Diverse Alkoholika zeigen – vorausgesetzt, sie werden maßvoll genossen – kardioprotektive Effekte. Betrachtet man weitere Studien, die die Abhängigkeit der Ereignisse Koronarer Herzkrankheit von der Art und Menge des zugeführten Alkohols untersuchten, so zeichnet sich ab, dass der Konsum von Wein, insbesondere von Rotwein, gegenüber anderen Alkoholika – bei gleicher Ethanolmenge – zu stärkeren kardioprotektiven Effekten führt. Bei einer Menge von 0,6 Litern Wein pro Tag sinkt das Risiko eines koronaren Ereignisses gegenüber Abstinenzlern um ca. 50%. Trihydroxystilben (Resveratrol) OH

Mehr als Alkohol Um das offensichtlich besondere wirksame Prinzip des Weins zu ermitteln, machte man sich auf die Suche nach Verbindungen, die speziell im Wein für die beobachteten Effekte verantwortlich sein könnten. Hierbei scheinen diverse Polyphenole, die auf Grund der Maischegärung im Rotwein höhere Gehalte aufweisen, in Frage zu kommen. Für Quercetin, Epicatechin und Catechin hat man in vitro antioxidative Eigenschaften sowie Thrombozytenaggregationshemmung beobachtet. Eine weitere Substanz, die im Mittelpunkt des Interesses steht, ist das trans-3,5,4'-Trihydroxystilben oder Resveratrol, ein Phytoalexin, das der Pflanze zur Abwehr von Pilzbefall dient. Für diese Substanz sind ebenfalls antioxidative Eigenschaften sowie die Fähigkeit der Thrombozytenaggregationshemmung beschrieben. Daneben soll sie auch das Verhältnis von HDL- zu LDLCholesterin positiv beeinflussen. Es gibt also eine Reihe von Hinweisen, dass die oben genannten Verbindungen einen Beitrag zu den kardioprotektiven Effekten des Weines leisten könnten.

Ein typisches Phytopharmakon Trotz aller bisherigen Untersuchungen ist es jedoch nicht möglich, einer Substanz alleine die Wirksamkeit zuzuschreiben, zumal nur wenige Daten zur systemischen Verfügbarkeit der Verbindungen bekannt sind. Der Wein ist also ein Phytopharmakon, wie es im Buche steht. Die Wirkung kann nicht eindeutig auf eine chemisch definierte Substanz zurückgeführt werden, es scheint ein Synergismus mehrerer Substanzen zu bestehen. Trotz aller wissenschaftlichen Bemühungen in der heutigen Zeit, das wirksame Prinzip im Wein zu erfassen, war der Kern der Sache schon im Altertum bekannt (siehe das Zitat von Plutarch). Autorreferat

P. S.: Bekanntlich bürgt der Wein nicht immer für ein gesundes und langes Leben, wie das traurige Schicksal der Alkoholiker zeigt. Und selbst Weintrauben sind nicht völlig harmlos: So erstickte der griechische Dichter Sophokles an dem Kern einer Weintraube (aber erst, nachdem er etwa 90 Jahre alt geworden war). Franz-C. Czygan

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