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Arzneistoffentwicklung: Proteinliganden als Leitstrukturen

Im Pharmazeutischen Kolloquium der Universität Greifswald hielt Prof. Dr. Gerhard Klebe, Institut für Pharmazeutische Chemie, Universität Marburg, am 8. Februar 2000 einen Vortrag über die Suche und Optimierung von Proteinliganden als Leitstrukturen für neue Arzneistoffe.

Derzeit sind nur wenige Proteine als Angriffspunkt von Arzneistoffen bekannt. Fundierte Schätzungen besagen aber, dass im menschlichen Genom ein wesentlich größeres Potenzial an geeigneten Zielproteinen (Targets) für Arzneistoffe vorhanden ist. Das systematische Auffinden von Targets (z. B. Enzyme, Rezeptoren) für die gerichtete Arzneimittelentwicklung ist ein Ziel der derzeit weltweit verfolgten Genomprojekte.

Nach der erfolgreichen Identifizierung eines Targets sucht man nach einer Leitstruktur, die mit dem neu entdeckten Rezeptor in Wechselwirkung treten könnte. Dieser Vorgang ist mit der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen zu vergleichen, kann jedoch durch "High Throughput Screening" und/oder Computer-Screening beschleunigt werden.

Zuerst werden Verbindungen, die unterschiedlichen Stoffbibliotheken oder Pflanzenextrakten entstammen oder Syntheseprodukte der Kombinatorischen Chemie darstellen, auf ihre Affinität zum Rezeptor routinemäßig mit teils einfachen analytischen Verfahren (im Idealfall Farbreaktionen) untersucht.

Computer-Screening

Beim Computer-Screening führt man diese Untersuchungen mit virtuellen Methoden durch. Dabei kommt vor allem das so genannte Docking zum Einsatz: Es wird versucht, neue Strukturen in die definierte Bindetasche des betreffenden Rezeptors einzupassen, um durch den Vergleich von Energiewerten und Volumina Anhaltspunkte für die Strukturoptimierung zu erhalten.

Anschließend lassen sich zusätzliche Bereiche in der Bindetasche identifizieren, die von dem angepassten Liganden noch nicht belegt werden. Durch weitere, gezielte Modifikationen wird die Selektivität erhöht und aufgrund der bekannten dreidimensionalen Struktur im Idealfall vereinfacht.

De-novo-Design

Eine völlig neue Verbindung zu entwerfen, ist der Ansatz des so genannten De-novo-Designs. Am Anfang steht immer eine möglichst genaue Analyse der Proteinstruktur, wobei die Wechselwirkungszentren (Donor-, Akzeptor- und hydrophobe Bereiche) eine entscheidende Rolle spielen. Nach der Analyse der Bindetasche ist der nächste Schritt das eigentliche Ligandendesign; dabei baut man einen neuen Liganden in der Bindetasche Schritt für Schritt auf: Man beginnt mit einem Fragment und fügt Schritt für Schritt weitere Reste an.

Professor Klebe hat in seinem Arbeitskreis dieses Vorgehen am Beispiel der Inhibitorfindung für das Enzym t-RNA-Guanin- Transglykosylase (TGT) erfolgreich angewandt. Die Inhibition der TGT trägt zur Abnahme der Plasmid-induzierten Virulenz bei Shigella-Infektionen bei.

Der Erfolg der computergestützt ermittelten Leitstruktur der 4-Aminophthalylhydrazine wurde in einem radioaktiven Assay überprüft, die Struktur unter Berücksichtigung des elektrostatischen Potenzials weiter modelliert und nach Bestätigung in dem eingerichteten Assay weiter funktionalisiert.

Weiterhin untersucht Klebe die Selektivität der Bindungstaschen im Thrombin. Dabei besteht ein besonders bemerkenswerter Ansatz darin, ausgehend vom gut untersuchten Enzym Trypsin die Bindungstaschen in Richtung Selektivität für Faktor Xa zu verändern. Die Aussicht, mit Hilfe eines solchen trojanischen Pferdes (modifiziertes Trypsin) Faktor Xa zu spalten, zeigt die Entwicklungsmöglichkeiten, die durch exakte Untersuchungen der Bindungstaschen von Enzymen initiiert werden können.

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