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Obwohl wir heute mit Antibiotika und anderen Antiinfektiva sehr gute Möglichkeiten haben, die unterschiedlichsten Mikroorganismen wirkungsvoll zu bekämpfen, gehören Infektionskrankheiten nach wie vor zu den größten Bedrohungen für unsere Gesundheit. Das Spektrum der Mikroben, gegen die es noch keine ursächliche Therapie gibt, reicht von den harmlosen, aber lästigen Erregern von Erkältungskrankheiten über Hepatitis-C-Viren bis hin zum tödlichen HIV. Mittel gegen die banale Erkältung versprechen große wirtschaftliche Erfolge, denn immerhin macht statistisch gesehen jeder Erwachsene etwa vier Erkältungen pro Jahr durch.

Ein neuer Therapieansatz gegen Erkältungskrankheiten ist das lösliche ICAM-1-Molekül Tremacamra. Picornaviren, die Erkältungen auslösen können, nutzen den ICAM-1-Rezeptor auf Schleimhautzellen, um in die Zellen einzudringen. Der lösliche ICAM-1-Rezeptor Tremacamra bindet an die Viren, die daraufhin ihre RNA außerhalb der Zelle entfalten, wo sie rasch abgebaut wird. Im Rahmen von klinischen Prüfungen reduzierte die Behandlung mit Tremacamra bei gesunden Freiwilligen die Schwere der Erkältungssymptome.

Ein weiterer Therapieansatz bei Erkältungen ist Pleconaril. Diese Substanz blockiert den Vermehrungszyklus der Picornaviren. Auch Pleconaril wird bereits klinisch am Menschen geprüft. Es wirkt gegen den banalen Schnupfen und gegen andere Erkrankungen, die durch Enteroviren ausgelöst werden können, beispielsweise Gehirnhautentzündungen.

Zur Vorbeugung von Infektionen sind Schutzimpfungen eine wirkungsvolle Möglichkeit. Gegen viele Infektionskrankheiten gibt es jedoch heute noch keinen wirksamen Impfstoff. Dazu gehören AIDS, Malaria und Hepatitis C. Herkömmliche Immunisierungsmethoden versagen hier oder bergen unannehmbare Risiken. Diese Lücke könnte in Zukunft durch maßgeschneiderte DNA-Impfstoffe geschlossen werde. Dabei wird genetisches Material als Impfstoff genutzt. Dem Immunsystem wird isolierte Erreger-DNA präsentiert. Körpereigene Zellen bilden die Antigene des Erregers, gegen die der Körper dann eine Immunantwort entwickeln kann. Die ersten DNA-Impfstoffe werden bereits am Menschen getestet.

Ein weiteres wichtiges Thema in diesem Heft ist das Johanniskraut. Diesmal geht es – wieder einmal – um die wirksamen Inhaltsstoffe der Droge und deren pharmakologische Wirkungen. Neben den beiden Wirkstoffen Hypericin und Hyperforin könnte nach einer neuen These auch das Biflavonoid Amentoflavon an der antidepressiven Wirkung beteiligt sein. Bisher wurde als Wirkmechanismus der Hypericine vor allem eine Hemmung der Monoaminoxidase (MAO) diskutiert. Dies scheint jedoch nicht der einzige Wirkungsmechanismus von Hypericum und seinen Inhaltsstoffe zu sein. Hypericum-Extrakt hemmt wie trizyklische Antidepressiva die Wiederaufnahme verschiedener Neurotransmitter in die Synapsen. Hier scheint der Wirkstoff Hyperforin beteiligt zu sein. Und auch Flavonoide, insbesondere Amentoflavon, könnten zur antidepressiven Wirkung beitragen, möglicherweise über eine Beeinflussung der GABA-Rezeptoren.

Wie bei so vielen anderen pflanzlichen Arzneimitteln, zeigt sich auch beim Johanniskraut: Der gesamte Pflanzenextrakt und nicht eine der in ihm enthaltenen Reinsubstanzen muss als therapeutisch wirksames Prinzip angesehen werden. Diese Tatsache wiederum wirft neue Fragen zur Qualitätssicherung und Standardisierung der auf dem Markt befindlichen Präparate auf – das Thema Johanniskraut bleibt also spannend.

Bettina Hellwig

Neue Waffen gegen Infektionskrankheiten

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