Feuilleton

Pharmazie im Ausland: Eine Klinikapotheke in Kuala Lumpur

"Bridging the Gaps" lautet seit einiger Zeit der Titel der von europäischen Krankenhausapothekern veranstalteten Symposien. Und auch beim jährlichen FIP-Kongress wird deutlich, wie erfrischend für alle Teilnehmer das Überwinden der nationalen Grenzen ist und wie gewinnbringend eine internationale Zusammenarbeit sein kann. Ähnlich positive Resultate durch die internationale Zusammenarbeit hat die Ų an Mitgliedern ständig wachsende Ų Internationale Gesellschaft Onkologisch Praktizierender Pharmazeuten (ISOPP) vorzuweisen. Als ISOPP-Mitglied hatte ich im Juli 1999 die Gelegenheit, in Malaysia eine Kollegin zu treffen und die Apotheke sowie die onkologische und strahlentherapeutische Abteilung der Universitätsklinik von Kuala Lumpur zu besuchen.

Die Universitätsklinik verfügt über 1300 Betten, hat aber darüber hinaus auch einen großen Versorgungsauftrag im ambulanten Sektor, hier besonders im ophthalmologischen und HNO-Bereich.

Tätigkeitsfelder der Klinikapotheke

Neben der Arzneimittelausgabe für die Stationen werden pro Tag auch ca. 1300 Rezepte für die ambulanten Abteilungen beliefert. Darüber hinaus verfügt die Apotheke über eine onkologische Abteilung und andere Räumlichkeiten, in denen patientenbezogene Arzneimittelanforderungen steril hergestellt werden.

Zytostatikaherstellung

Erst im Mai 1998 ist dort mit modernster Ausstattung ein neuer Komplex als onkologische Unterabteilung der Apotheke entstanden: Ein großer, mit EDV ausgestatteter Büroraum ist durch eine Glasscheibe und eine Schleuse vom eigentlichen Herstellungsraum getrennt. Die Herstellung von ca. 1800 Zubereitungen für stationäre und ambulante Patienten pro Monat erfolgt mit Einmalkitteln, Mundschutz, OP-Hauben und Überschuhen unter absolut sterilen Bedingungen. In diesem Sektor arbeiten zwei Apotheker, ein Pharmazieassistent (Diplomabschluss), eine PTA und ein Praktikant.

Der unmittelbar mit der Zytostatikazubereitung Beschäftigte arbeitet im Schnitt zwei bis drei, aber höchstens vier Stunden, bevor eine Pause eingelegt und er von einem Kollegen abgelöst wird. Außer der eigentlichen Herstellung, der nötigen Vorbereitungen, der bürotechnischen Nachbereitung der Herstellungen incl. Materialwirtschaft und Statistik ist das Personal für die Kommunikation mit den onkologischen Stationen verantwortlich. Einmal pro Tag macht ein Apotheker eine Visite auf den onkologischen Stationen, besonders überprüft werden dabei angeforderte Dosierungen und eventuell zu erwartende Arzneimittelinteraktionen. Darüber hinaus leistet der Apotheker Hilfestellung bei Fragen zur "supportive care". Bei Unklarheiten erfolgt dann die Rücksprache mit dem Arzt.

TPN und andere patientenbezogene pharmazeutische Leistungen

In der Apotheke werden außerdem in großem Umfang Lösungen zur totalen parenteralen Ernährung (TPN) zubereitet. Dieser Service steht allen Stationen zur Verfügung, wird aber besonders von der Pädiatrie und hier besonders von der Station der Kinderonkologie in Anspruch genommen. Ebenfalls rezepturmäßig hergestellt werden in der Apotheke spezielle Antibiotikagemische, besonders für den Neonatalbereich. Dies habe seit der Einführung zu einer Kostenreduktion geführt, berichtet meine malaysische Kollegin.

Als Defekturartikel mit einer Haltbarkeit von einem halben Jahr werden Morphinspritzen für PCA-Pumpen (patient controlled anaesthesia) und Bupivacainspritzen zubereitet. Mit Hilfe einer solchen Pumpe kann der Patient innerhalb eines vom Arzt bestimmten Limits je nach individueller Schmerzintensität die Analgetikumdosis selbst titrieren. Die Applikation über einen Katheter erfolgt intravenös, intrathekal oder epidural. Kunden für diese Zubereitungen sind neben postoperativen und onkologischen Patienten auch die Palliativstation der Universitätsklinik und die Schmerzambulanz.

Pharmazeutische Ausbildung

Noch bis vor wenigen Jahren gab es in Malaysia nur eine einzige Universität auf der Insel Penang, an der Pharmazie studiert werden konnte. Wegen der begrenzten Studienkapazitäten im eigenen Land hat meine malaysische ISOPP-Kollegin Pauline Lai in Melbourne studiert. Allgemein akzeptieren die Behörden von Malaysia ein ausländisches Pharmaziestudium in Australien oder Großbritannien, nicht aber in den USA. Da seit drei Jahren zwei Universitäten mit pharmazeutischen Fakultäten in der Hauptstadt Kuala Lumpur dazugekommen sind, hat sich die Situation für angehende Apotheker etwas entspannt. Trotzdem wird Australien weiterhin ein begehrtes Land für ein Pharmaziestudium bleiben, weil es einen hohen wissenschaftlichen Standard vermittelt und die englische Sprache für junge Malaysier keine allzu große Hemmschwelle bildet, denn diese sprechen vielfach schon zu Hause englisch und erhalten bereits im 1. Schuljahr Englischunterricht.

Onkologische Stationen

Patienten mit soliden Tumoren – sowohl gynäkologischer als auch gastrointestinaler Art – werden in der Universitätsklinik von Kuala Lumpur gemeinsam auf einer Station geführt. Zusätzlich gibt es eine kinderonkologische Station und eine Abteilung für Hämatologie, in der auch Hochdosistherapien mit anschließender Peripherer Stammzelltransplantation durchgeführt werden.

Abteilung für Strahlentherapie

Die Bestrahlungsabteilung in der Universitätsklinik von Kuala Lumpur ist wie die neue Abteilung zur Zytostatikaherstellung ebenfalls erst seit kurzer Zeit fertig und jetzt voll funktionsfähig. Sie liegt wie die Zytostatikaherstellung im Erdgeschoss des neuen Klinikblocks und hat eine Ausdehnung von 28000 m². Von der apparativen Ausstattung entspricht sie allerhöchsten Ansprüchen und ist gleichwertig mit allen großen Bestrahlungszentren in den Vereinigten Staaten und Europa. In diese Abteilung integriert ist eine eigene ambulante Sektion, außerdem Büroräume, Lehr- und Seminarräume, ein Forschungslaboratorium, die Planungsräume und die eigentlichen Behandlungsräume.

Der leitende Arzt der Radioonkologie Dr. Yogaratnam machte spontan für meine malaysische Kollegin und mich eine Führung durch seine Abteilung und erklärte uns die Geräte und die Arbeit damit. Zur Ausstattung gehören zwei Linearbeschleuniger, einer davon ausgestattet mit einem Multileafkollimator. Meist erfolgt eine Bestrahlung äußerlich, Linearbeschleuniger beschleunigen Elektronen oder auch Photonen mit sehr hoher Energie und lassen diese sehr tief in den Körper dringen.

Der Multileafkollimator als Zusatzeinrichtung dient der genauen Zielbestimmung und Abgrenzung des Tumors von gesundem Gewebe. Die Planung einer Bestrahlung erfordert große Sorgfalt, um eine möglichst hohe Strahlendosis am Ort des malignen Geschehens zu plazieren. Dazu wird vor Beginn der Strahlentherapie eine Simulation durchgeführt, hier in der Universitätsklinik von Kuala Lumpur mit Hilfe eines CT-Scanners mit Aqsim-Virtualsimulation. Dieses System stellt den Tumor und das umgebende Gewebe dreidimensional dar und ermöglicht es den Ärzten, die Behandlung zielgenauer und in kürzerer Zeit zu planen. Die Planungs- und Behandlungseinheiten sind netzwerkmäßig miteinander verbunden. Die Bestrahlungsabteilung verfügt außerdem über stereotaktische Radiotherapiesysteme, mit deren Hilfe kleine Tumoren (kleiner 5 cm) – hauptsächlich im Gehirn, gelegentlich im Nackenbereich – punktgenau focussiert werden können. Risikoträchtige Operationen können dadurch verhindert werden.

Auch die Brachytherapy oder innerliche Bestrahlung wird in der Universitätsklinik von Kuala Lumpur durchgeführt. Dabei werden radioaktive Elemente wie Iridium 192 und Caesium 137 entweder implantiert oder mit Hilfe von Kathetern oder Applikatoren in den Körper eingeführt – möglichst direkt in den Tumor –, sodass dort eine höhere Radioaktivität erreicht werden kann. Diese Behandlung bedarf natürlich einer Hospitalisation. Einige radioaktive Substanzen werden auch oral gegeben, so z. B. Iod 131 bei Schilddrüsenkrebs, oder intravenös appliziert, wie Strontium 90 gegen Knochenmetastasen.

Allgemein kann die Effektivität einer Bestrahlungstherapie verbessert werden, wenn die Sauerstoffversorgung des Tumors gesteigert wird. Das kann zum Beispiel durch wechselnde Fraktionierungsregimes, zusätzlichen Einsatz von Hyperthermie oder mit radiosensibilisierenden Arzneimitteln wie Hydroxycarbamid erreicht werden. Andererseits reduzieren radioprotektive Arzneimittel wie Amifostin die schädigenden Wirkungen der Bestrahlung auf gesundes Gewebe.

Alle diese Variationsmöglichkeiten der Bestrahlungstherapie werden in Kuala Lumpur angewandt. Genauso wie man in der pharmazeutisch-onkologischen Abteilung sehr positive Erfahrungen aus der internationalen Zusammenarbeit in der ISOPP gemacht hat, erwartet man ähnlich positive Resultate aus einer internationalen Zusammenarbeit zwischen radioonkologischen Zentren. In Planung ist eine solche Kooperation zwischen den Universitäten von Malaysia und Stanford.

Forschung und ein wenig Epidemiologie

Dr. Ibrahim, der leitende Arzt der gesamten klinischen Onkologie, hat lange in Großbritannien gearbeitet und sagt von sich selbst: "I like to share my knowledge". Am Ende einer für mich hochinteressanten Führung durch die Bestrahlungsklinik berichtet er von einem seiner neuen Forschungsprojekte, der Behandlung nasopharyngaler Karzinome:

Auffallend sei, dass nasopharyngale Karzinome in Malaysia mit einer Inzidenz von 24 bis 30 Fällen pro Hunderttausend Einwohnern auftreten, in China und Hongkong sogar mit einer Inzidenz von 45 bis 50. In Großbritannien gebe es dagegen weniger als einen Fall pro 100000 Patienten, und bei Indern trete es fast gar nicht auf. Letztere würden dagegen viel öfter als die anderen Populationen an Mundhöhlenkrebs erkranken. Das gehäufte Auftreten nasopharyngaler Karzinome bei Malaien und Chinesen führt er auf den Verzehr von gesalzenem Fisch und sehr heißen Suppen und Getränken zurück, das gehäufte Auftreten von Mundhöhlenkrebs bei Indern dagegen auf den regelmäßigen Verzehr von Betelnüssen. Die Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus hält er in beiden Fällen für mitverantwortlich.

Im Rahmen einer Studie bestrahlt Dr. Ibrahim Nasopharyngalkarzinome, wobei für die Planung der oben geschilderte CT-Scanner mit Aqsim-Virtualsimulator eingesetzt wird. Bisher sind in 18 Monaten 55 Patienten behandelt worden, und in keinem Fall sei es zu Lokalrezidiven gekommmen, bei einigen allerdings zu Metastasierungen. Deshalb bleibe zu prüfen, ob eine Kombination dieser Lokalbestrahlung mit einer Chemotherapie Metastasen verhindern könne. Zunächst möchte er aber die Monotherapie mit lokaler Bestrahlung bis auf zwei Jahre weiterführen und die Ergebnisse dann veröffentlichen.

Mein Tag in der Universitätsklinik von Kuala Lumpur war eine sehr interessante Bereicherung eines außergewöhnlichen Urlaubs in einem außergewöhnlichen Land. Und ich bin fast sicher, dass das von der Regierung avisierte Ziel, Malaysia bis zum Jahr 2020 zu einem High-Tech-Land zu machen, realisiert werden wird.

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