Arzneimittel und Therapie

Multiples Myelom: Strategien gegen entartete B-Zellen

Niedrig maligne Ų so wird das multiple Myelom im Vergleich mit anderen bösartigen Erkrankungen eingestuft. Doch auch wenn einige Patienten noch viele Jahre nach der Diagnose leben, sterben manche bereits innerhalb der ersten zwölf Monate. Neue Therapiekonzepte sollen nun die Prognose und die Lebensqualität der Patienten verbessern.

Das multiple Myelom gehört zu den malignen lymphoproliferativen Erkrankungen des B-Zell-Systems. Monoklonale Plasmazellen verschiedenen Reifungsgrades, die sich aus einem malignen B-Zell-Klon verbreiten, infiltrieren das Knochenmark. Dort bilden sich herdförmig Nester polymorpher Plasmazellen. Im peripheren Blut sind sie dagegen sehr selten zu finden. Immer noch wird für das multiple Myelom auch der Begriff "Plasmozytom" verwendet. Aus wissenschaftlicher Sicht korrekt ist dies allerdings nur, wenn im Körper ausschließlich ein Herd existiert.

Risikofaktor: ionisierende Strahlen

Multiple Myelome treten vor allem bei Älteren auf. So liegt die Inzidenz bei den 70- bis 80-jährigen zwischen sechs und acht pro 100000 Einwohner. Bei den unter 40-jährigen trifft es dagegen von 100000 lediglich zwei bis vier. Warum die B-Zellen plötzlich entarten, ist unklar. Als sehr wahrscheinlich gilt, wie bei den meisten Erkrankungen, eine genetische Disposition. Einziger anerkannter Risikofaktor sind bislang ionisierende Strahlen. Personen, die beruflich einer Exposition ausgesetzt sind, gelten daher als besonders gefährdet. Als weitere mögliche Ursache wird eine chronische Antigenstimulation diskutiert.

Prognose: alles möglich

Die Perspektiven für Patienten, bei denen ein multiples Myelom diagnostiziert wird, sind sehr unterschiedlich. Zwischen zwölf Monaten und vielen Jahren kann die Überlebenszeit nach der Erstdiagnose liegen. Zwei Parameter können einen Hinweis auf die Prognose geben: das Infiltrationsmuster im Knochenmark und der Differenzierungsgrad der Plasmazellen. Je ausgereifter die Plasmazellen sind, umso besser sind die Aussichten. Noch aussagefähiger als die Morphologie der Plasmazellen ist der Zustand des Chromosoms 13, das als starker prognostischer Marker gilt. Demnach bestehen bei Patienten gute Chancen für eine Komplettremission, wenn an diesem Chromosom keine Deletion vorliegt.

Diagnosesicherung: Paraprotein und "Schrotschuss-Schädel"

Anämie, Knochenschmerzen und Rückenschmerzen, Leistungsknick und Kurzatmigkeit können auf ein multiples Myelom hinweisen. Auch eine Niereninsuffizienz ("Plasmozytomniere") ist für die maligne Erkrankung charakteristisch. Gestellt wird die Diagnose jedoch im Wesentlichen anhand von zwei Befunden: dem Nachweis des von den Plasmazellen produzierten Paraproteins mittels Immunelektrophorese und dem Auftreten von Osteolysen, also Aushöhlungen des Knochens von innen. Als typischer radiologischer Befund gilt der "Schrotschuss-Schädel".

Konventionelle Therapie: Alkylans plus Prednison

Seit 35 Jahren wird das fortgeschrittene multiple Myelom mit einer Kombination aus alkylierendem Zytostatikum und einem Corticosteroid therapiert. Standard dieses konventionellen palliativen Therapieregimes ist Melphalan plus Prednison (MP). Als Alternative zu Melphalan steht das Alkylans Bendamustin bereits seit Anfang der 70er Jahre zur Verfügung.

Mitte der 90er Jahre wurde eine prospektive randomisierte Phase-III-Studie initiiert, in der die MP-Therapie mit der kombinierten Gabe von Bendamustin plus Prednison (BP) verglichen wurde. Behandelt wurden 136 Patienten mit gesichertem multiplem Myelom im Stadium II oder III, die weder zytostatisch noch radiotherapeutisch vorbehandelt waren. Sie erhielten alle vier Wochen entweder Bendamustin (150 mg/m² i.v. an den Tagen 1 und 2) oder Melphalan (15 mg/m² i.v. an Tag 1). Alle Patienten wurden zusätzlich an den Tagen 1 bis 4 mit Prednison (60 mg/m² i.v. oder p. o.) behandelt. Die Therapie wurde bei den Respondern so lange durchgeführt, bis sich die Tumormasse nicht mehr weiter reduzieren ließ. Entscheidender Parameter war die Paraproteinkonzentration.

Höhere Komplettremission unter Bendamustin

Die Gesamtremissionsrate (partielle und komplette Remissionen) war mit 75 Prozent in der BP-Gruppe und 68 Prozent in der MP-Gruppe in etwa vergleichbar. Einen deutlichen Unterschied zeigte dagegen der Blick auf die Rate der Komplettremissionen, also die Patientenanzahl, bei denen keine Tumormasse mehr nachweisbar war. Unter Bendamustin wurden dreimal mehr Komplettremissionen erreicht als unter Melphalan (32 Prozent versus 11 Prozent). Zudem waren bei der Gabe von Bendamustin weniger Zyklen notwendig, um eine Remission zu erreichen, nämlich nur 6,5 im Vergleich zu 8,2 unter Melphalan.

Die durchschnittliche Dauer bis zum Progress der Erkrankung lag in der Bendamustin-Gruppe bei 18 Monaten, in der Melphalan-Gruppe bei zwölf Monaten. Der Profit schlug sich allerdings nicht in der Gesamtüberlebensrate nieder: Nach zwei Jahren lebten in beiden Studiengruppen noch etwa 60 Prozent der Patienten. Ob sich über einen längeren Zeitraum die günstigen Effekte von Bendamustin auch auf die Lebensdauer auswirken, werden die Drei-Jahres-Überlebensraten zeigen.

Die Studie zeigt jedoch, dass die Kombination Bendamustin/Prednison für die konventionelle Therapie des multiplen Myeloms eine echte Alternative zum bisherigen Standard ist. Günstig ist außerdem, dass die beiden Zytostatika nicht kreuzresistent sind. Bei Patienten, die nicht auf Melphalan ansprechen, ist daher ein Versuch mit Bendamustin durchaus probat – und umgekehrt.

Quelle: Prof. Dr. Lothar Kanz, Tübingen; Prof. Dr. Norvert Niederle, Leverkusen; Dr. Bart Barlogie, Little Rock, Arkansas/USA; Prof. Dr. Dietger Niederwieser, Leipzig; Pressekonferenz "Multiples Myelom – Neue Chancen mit Bendamustin", München, 14. Januar 2000, veranstaltet von ribosepharm GmbH, München.

Niedrig maligne – so wird das multiple Myelom im Vergleich mit anderen bösartigen Erkrankungen eingestuft. Doch auch wenn einige Patienten noch viele Jahre nach der Diagnose leben, sterben manche bereits innerhalb der ersten zwölf Monate. Neue Therapiekonzepte sollen nun die Prognose und die Lebensqualität der Patienten verbessern.

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