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Arzneimittelzulassung: Viele Arzneimittel für Kinder nicht zugelassen

(rüd). Nur zehn bis 15 Prozent der medikamentösen Therapien sind auch für Kinder zugelassen, sagt der Marburger Kinderarzt und Pharmakologe Hanns-Jörg Seyberth in einem Artikel des Magazins Stern (Nr. 4/2000). Für eine Untersuchung wertete Seyberth mit Kollegen Rezeptverordnungen aus Italien, Schweden, Großbritannien und den Niederlanden aus.

Das Ergebnis der im "British Medical Journal" veröffentlichten Studie zeige, dass mehr als zwei Drittel der behandelten Kinder Medikamente bekämen, die für sie nicht zugelassen seien. Fast 40 Prozent der Medikamente dürften nicht in dieser Form oder Dosierung verabreicht werden, in der die Kinder sie bräuchten.

Auf Intensivstationen für Neugeborene sind sogar 90 Prozent der Arzneimittel nicht für Neugeborene erlaubt, so Seyberth. Der Grund ist nach Ansicht des Kinderarztes bei den Zulassungsbehörden zu suchen. Arzneimittel dürften nur nach ausführlichen Tests an Kindern für Kinder zugelassen werden. Beide Elternteile müssten zustimmen, dass ihr Kind an einer solchen Untersuchung teilnehme, so Insa Bruns vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller. In Deutschland sind jedoch bestimmte Tests an Kindern verboten, die als Vorstufe zu manchen klinischen Untersuchungen vorgeschrieben sind, so Bruns. Einerseits sei die Gabe einiger Arzneimittel an Kinder eine arzneimittelrechtlich nicht zugelassene Anwendung, andererseits sei ein individueller Heilversuch nicht strafbar. Im Gegenteil seien Kinderärzte verpflichtet, sich so zu behelfen.

Bei neuen oder seltenen Arzneimitteln würde die Behandlung allerdings zu einem Glücksspiel, so der Artikel im Stern. Da die kindlichen Organe noch nicht ausgereift seien, funktioniere der Stoffwechsel noch nicht wie bei einem Erwachsenen. Die Entwicklung von Arzneimitteln speziell für Kinder sei für die Pharmafirmen finanziell nicht interessant. In den USA sei deshalb eine Verlängerung des Patentschutzes eingeführt worden, wenn die Arzneimittelstudien auch Kinder einschließe.

Deutsche Ärzte fordern zumindest Erleichterung für klinische Studien. Wenn die Kinder, die derzeit ohnehin schon in individuellen Heilversuchen mit einem nicht zugelassenen Medikament behandelt werden, in einer Studie beobachtet würden, könnten künftige Patienten von den daraus gewonnenen Erkenntnissen profitieren.

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