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Gesetzliche Krankenversicherung: Anstieg bei Arzneiausgaben

BONN (im). Nach Hochrechnungen auf Basis der Apothekenumsätze sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Arznei- und Hilfsmittel im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent gegenüber 1998 auf 35,6 Milliarden Mark gestiegen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in Bonn wies auf den "stark überproportionalen" Kostenanstieg in 1999 hin und sieht noch große Sparreserven im Arzneisektor (siehe auch AZ Nr. 6 vom 7.2.).

Dem BMG liegt die Hochrechnung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA zur Entwicklung der Apothekenumsätze mit der GKV für 1999 vor. Die ABDA-Zahlen enthielten nicht die Ausgaben für Heilmittel oder Arzneimittel, die von sonstigen Stellen abgegeben werden, dafür aber die nicht budgetrelevanten Hilfsmittel aus Apotheken. Frühestens Anfang März sei mit realen Daten für das gesamte Jahr 1999 zu rechnen. Die Apothekenumsätze seien demnach um rund 8,5 Prozent auf 35,6 Milliarden Mark gestiegen. Selbst bei Herausrechnung des niedrigeren Zuzahlungsvolumens bleibe ein Ausgabenzuwachs von über fünf Prozent.

"Unnötige Verordnungen"

Kritische Äußerungen gibt es zu Arzneimittelinnovationen. Bei weitem nicht alle Neuerungen seien unter therapeutisch-ärztlicher Sicht innovativ und verbesserten die Behandlungsmöglichkeiten. Thematisiert wird der zunehmende Anteil so genannter Me-too-Präparate. Hätten die Umsätze mit solchen Arzneimitteln mit teils nur marginalen Unterschieden zu bekannten Wirkstoffen 1998 bereits um 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt, sei dieser Anteil in 1999 noch weiter gewachsen. Am Umsatz seien die "Analogpräparate" im ersten Halbjahr 1999 mit fast 17 Prozent beteiligt.

Kritische Beispiele

Das BMG bringt zwei Beispiele, bei denen es die Entwicklung der Verordnungszahlen für nur schwer nachvollziehbar hält. So seien Wirkstoffe aus der Gruppe der AT-II-Antagonisten (Angiotensinrezeptorantagonisten) mit der Indikation essentieller Bluthochdruck 1998 fast dreimal so häufig verordnet worden als im Jahr zuvor. In den ersten zehn Monaten 1999 seien die Apothekenumsätze dafür noch einmal auf 155 Prozent des Vorjahreswerts gewachsen. Damit entfalle allein auf diese Medikamente ein Viertel des gesamten Umsatzzuwachses von 1,6 Milliarden Mark. Die Behandlungskosten lägen hier um 73 Prozent über denen mit den alternativ in Frage kommenden ACE-Hemmern.

Darüber hinaus wird als zweites Beispiel Clopidogrel mit der eingeschränkten Indikation auf Risikopatienten mit einer symptomatischen Arteriosklerose aufgeführt. Dieser Wirkstoff sei fast allein für den Zuwachs bei den Thrombozytenaggregationshemmern verantwortlich, da dessen Verordnungskosten absolut um rund 86 Millionen Mark gestiegen seien. Das sei ein Anstieg um rund 82 Prozent.

Einer Studie zufolge könnte einer von 200 Patienten einen Vorteil gegenüber der Standardtherapie mit Acetylsalicylsäure ziehen. Jedoch seien die Kosten für eine Therapie mit Clopidogrel sehr viel höher. Behandlungskosten mit ASS-Präparaten von 30 Mark pro Jahr stünden Kosten für Clopidogrel mit jährlich 2 040 Mark gegenüber. Demnach müssten jährlich 400000 Mark aufgewendet werden, um bei einem Patienten zusätzlich eine Ischämie zu verhindern, zitiert das BMG aus dem "arznei-telegramm".

Den Ärzten wird darüber hinaus "Marketing mit dem Rezeptblock" vorgeworfen und auf das noch nicht realisierte Wirtschaftlichkeitspotenzial bei Generika hingewiesen. Hier wird das Sparvolumen auf fast 2,5 Milliarden Mark geschätzt. Allerdings wird bei den Nachahmerprodukten die kontinuierliche Aufwärtsbewegung als positiv hervorgehoben. Mediziner verordneten zudem teils teure Arzneimittel unnötigerweise, wobei als Beispiel Antihypertonika und Antibiotika genannt werden.

Antihypertonika in der Kritik

Bei Bluthochdruck zeigten die Verordnungszahlen, dass viele Patienten ohne medizinische Notwendigkeit mit teuren Präparaten behandelt würden. Weit verbreitet sei der Einsatz von vergleichsweise teuren ACE-Hemmern ohne Zusatznutzen. Dabei lägen die Kosten für eine Monatstherapie etwa mit Captopril je nach Hersteller bis zu 60 Mark, bei Diuretika jedoch bei nur 6,30 Mark und bei Betablockern bei bis zu 30 Mark.

Falscher Antibiotika-Einsatz?

Darüber hinaus wird eine falsche Praxis beim Einsatz von Antibiotika konstatiert. Acht bis neun von zehn Patienten litten an einer Erkältungskrankheit als Folge einer Virusinfektion, gegen die Antibiotika wirkungslos seien. In diesem Zusammenhang wird Professor Franz Daschner vom Universitätsklinikum Freiburg zitiert, dessen Ansicht nach die Ärzte weder an der Spitze der Einsparmöglichkeiten noch der Verschreibungsmoral angekommen seien.

Große Unterschiede

Hervorgehoben werden darüber hinaus die erheblichen Unterschiede in den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Die Steigerung bei den absoluten Apothekenumsätzen habe im gesamten Jahr 1999 verglichen mit 1998 bei nur 0,1 Prozent in Sachsen-Anhalt, aber bei 13,5 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern gelegen. Bundesweit sei ein Anstieg im isolierten vierten Quartal 1999 von 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu verzeichnen, dabei ein Plus von 2,1 Prozent in den alten und ein Rückgang von 1,5 Prozent in den neuen Bundesländern.

Die Fachleute des BMG sprechen von einer enormen Spannbreite in diesem Zeitraum zwischen minus 9,1 Prozent (Sachsen-Anhalt) und plus 6,4 Prozent (Südbaden). Auch die regionalen Pro-Kopf-Ausgaben gingen erheblich auseinander. Sie schwankten pro Versichertem zwischen 432 Mark und 620 Mark. Das sei nicht durch unterschiedliche Alters- und Morbiditätsstrukturen zu erklären, heißt es im Hause Fischer.

Nach Hochrechnungen auf Basis der Apothekenumsätze sind die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenkassen für Arznei- und Hilfsmittel im vergangenen Jahr um 8,5% gegenüber 1998 auf 35,6 Mrd. DM gestiegen. Das Bundesgesundheitsministerium in Bonn wies auf den starken überproportionalen Kostenanstieg in 1999 hin und sieht noch große Sparreserven im Arzneisektor.

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