Berichte

Schutzimpfungen und Volksgesundheit

Auf einer Veranstaltung der DPhG am 21. November in Münster sprach Prof. Dr. A. Windorfer, Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Hannover, über "Moderne Impfpolitik in der Bundesrepublik Deutschland - Erreichtes, Erreichbares und Hintergründe".

200 Jahre Vakzination

Alle heute gängigen Impfmethoden gehen auf die Erkenntnisse des englischen Arztes Jenner zurück, der 1796 als Erster erfolgreich "Vakzinationen" durchführte. Die wechselvolle Geschichte der rechtlichen Regelungen begann in Deutschland 80 Jahre später mit dem Reichsimpfgesetz von 1874. Mit der Verpflichtung der Bürger, sich gegen Pocken impfen zu lassen, übernahm der Staat auch eine Impfschadenshaftpflicht; er hatte für diejenigen zu sorgen, bei denen die seltene Komplikation einer Enzephalitis auftrat. Die aktuelle rechtliche Grundlage ist das Bundesseuchengesetz, das ab Januar 2001 durch das Infektionsschutzgesetz abgelöst wird. So kann auf Landesebene das Gesundheitsministerium eine "öffentliche Empfehlung" für bestimmte Impfungen aussprechen, die gleichzeitig den Staat verpflichtet, für eventuelle Impfschäden aufzukommen. Die Ständige Impfkommission in Berlin spricht "fachliche Empfehlungen" aus, die jedoch keinen rechtlich bindenden Charakter haben.

Erfolg der Polio-Schluckimpfung

Ein eindrucksvolles Beispiel für die erfolgreiche Impfpolitik in der Bundesrepublik ist die gegen Kinderlähmung. Noch in den 1950er-Jahren gab es jährlich einige tausend Neuerkrankungen mit einigen hundert Todesfällen. Die Zahlen erschienen damals relativ niedrig und der finanzielle Aufwand der Impfung vergleichsweise hoch. Erst eine neue Erkrankungswelle 1959 und die Einführung der preiswerten und einfach durchzuführenden Schluckimpfung 1961 waren die Grundlage, dass Gesetzgeber und Bürger eine strikte Durchimpfung der Bevölkerung akzeptierten. Innerhalb eines Jahrzehnts konnte die Zahl der Neuerkrankungen auf fast Null zurückgedrängt werden!

Zeitbombe Hepatitis B

Bei anderen impfpräventablen Erkrankungen sehen die Zahlen und die Impfakzeptanz nicht so rosig aus. Für die Hepatitis B werden jährlich 50000 Infektionen geschätzt. Die akut Erkrankten sind gut therapierbar, das Problem sind eher die 30% Virusträger, die nach einer Latenzzeit von einigen Jahrzehnten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Leberzirrhose oder einen Leberkrebs entwickeln und natürlich das Virus unwissentlich weitergeben. Zurzeit wird versucht, die nachwachsende Generation mit einem Impfprogramm zu erreichen, um die "Zeitbombe" wieder zu entschärfen.

Kosten-Nutzen-Relation

Am Beispiel der Masern rechnete der Vortragende vor, dass sich eine konsequente Impfung auch finanziell lohnt. Zur Behandlung der Erkrankten, besonders zur Therapie der Masernenzephalitis (Inzidenz: 1:500 Erkrankte), gab die Gesellschaft 550 Millionen DM aus. Bei einer Impfrate von 80% bei der ersten Impfung und 10% bei der zweiten Impfung reduziert sich diese Zahl auf 25 Millionen DM bei einem finanziellen Aufwand von 34 Millionen für die Impfungen. Höhere Impfraten bringen zwar der Gesellschaft kaum noch einen finanziellen Vorteil, nutzen aber den geschützten Personen.

Gefahren der Impfmüdigkeit

Laut Umfragen ist die Impfbereitschaft in der Bevölkerung hoch, die Angst vor Nebenwirkungen gering. Dennoch ist in Deutschland eine Impfmüdigkeit zu beklagen, die darauf zurückzuführen ist, dass Erkrankungen nicht bekannt sind und keine akute Bedrohung besteht. Windorfer wies in der Diskussion darauf hin, dass auch Hahnemann sich für die Pockenimpfung einsetzte. Eine Impfung sei nichts Unnatürliches, da man versucht, eine normale Infektion zu imitieren. Momentan leben wir in Deutschland unter dem Schutzschild der Geimpften, doch nur wenn Impfungen weiterhin stattfinden, können wir die Erfolge der letzten Jahrzehnte fortsetzen.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.