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Homöopathika und Anthroposophika im europäischen Binnenmarkt

Das Schicksal der homöopathischen und anthroposophischen Präparate kommt im Kontext des Binnenmarktes für Arzneimittel eher selten zur Sprache. Dabei liegt gerade hier aus Sicht der Industrie und auch von Ärzten, die solche Arzneimittel anwenden, noch einiges im Argen. Ein Grund, weshalb vor einem Jahr als Interessenverband der betroffenen pharmazeutischen Industrie die European Coalition on Homeopathic and Anthroposophic Medicinal Products (ECHAMP) gegründet wurde. Am 6. Dezember 2000 hielt die ECHAMP ihr erstes Symposium in einem Sitzungssaal des Europäischen Parlamentes in Brüssel ab. 150 Teilnehmer aus Behörden, Industrie und von Seiten der Ärzteschaft sind der Einladung in diese beeindruckende Kulisse gefolgt.

Der Präsident von ECHAMP Lucas Van Hebel/Niederlande rekapitulierte die europäischen Rechtsgrundlagen für homöopathische und anthroposophische Arzneimittel, die seiner Ansicht nach derzeit in vielen Punkten noch insuffizient und demnach nicht geeignet sind, den Binnenmarkt für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen zügig herbeizuführen.

Die europäischen Homöopathika-Richtlinien

Mit den Richtlinien 92/73/EWG bzw. 92/74/EWG (siehe Kasten) wurde der Anwendungsbereich der pharmazeutischen Basisrichtlinien für Human- und auch für Tierarzneimittel auf homöopathische Arzneimittel ausgedehnt. In der Präambel der Richtlinien heißt es, dass Anthroposophika, die in einem offiziellen Arzneibuch beschrieben und nach einem homöopathischen Verfahren hergestellt werden, den Homöopathika bezüglich der Registrierung und Zulassung gleichgestellt sein sollen. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die Homöopathie in einigen Mitgliedstaaten zwar offiziell anerkannt werde, während sie in anderen nur geduldet sei. Dennoch würden sie in allen Mitgliedstaaten verschrieben und angewendet.

Registrierung oder Zulassung möglich

In Anerkennung der besonderen Eigenschaften dieser Arzneimittel führten die Richtlinien spezielle Regelungen für ihren Marktzugang ein. Hierfür stehen derzeit zwei Verfahren zur Verfügung:

  • ein vereinfachtes Registrierungsverfahren für Produkte ohne therapeutische Indikationen (ca. 25% des Marktes) und
  • ein Zulassungsverfahren für Präparate mit Indikationen, wobei den Mitgliedstaaten zugestanden wird, unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Tradition bei der Bewertung der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Präparate besondere Regeln anzuwenden. In Deutschland gab es bereits vorher entsprechende Bewertungsmaßstäbe. Darüber hinaus wird dieses Angebot an die Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis gegenwärtig nur von den Niederlanden, Frankreich und Österreich wahrgenommen. Ohne eine solche spezielle Bewertung ist die Zulassung von Homöopathika und Anthroposophika, so glauben deren Hersteller, jedoch so gut wie unmöglich.

Wo liegen die Defizite im System?

Einen wichtigen Meilenstein in der Weiterentwicklung der europäischen Rechtsgrundlagen für homöopathische und anthroposophische Arzneimittel bildete der Bericht der Europäischen Kommission COM (97)362 aus dem Jahr 1997 über die Anwendung der Homöopathika-Richtlinien. Er hebt hervor, dass die größten Probleme, die von den Herstellern, den Anwendern und den Verbrauchern thematisiert werden, sich im Bereich der Marktzugangsregelungen für Homöopathika und Anthroposophika konzentrieren. Der Bericht kam im einzelnen zu folgenden Ergebnissen:

  • Entgegen der derzeitigen optionalen Regelung sollten die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, für die Zulassung von Homöopathika und Anthroposophika spezielle, den Besonderheiten der Arzneimittelgruppe angepasste, Regelungen einzuführen.
  • Die Richtlinien sollten bezüglich der gegenseitigen Anerkennung von Registrierungsentscheidungen präzisiert werden.
  • Ihr Anwendungsbereich sollte auf weitere Arten der Anwendung ausgedehnt werden. Bislang ist nur die orale und die externe Anwendung möglich, obwohl auch andere Formen traditionell angewendet werden
  • Homöopathische Arzneimittel sollten - entgegen der derzeitigen Ausnahme - auch bei Tieren angewendet werden dürfen, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen.
  • Für Kombinationsprodukte sollten "Phantasie"-Bezeichnungen zulässig sein.

Kein dringender Handlungsbedarf

Im Jahr 1998 wurden diese Punkte in dem Bericht des EU-Parlamentariers Raf Chanterie (PE 227.183/fin.) bestätigt. Dennoch sah der Ministerrat seinerzeit keinen dringenden Handlungsbedarf ("non-priority issue"). Die Europäische Kommission nahm dies zum Anlass, die Frage innerhalb des sog. "Review 2000", der Überprüfung der Funktionalität des europäischen Zulassungssystems insgesamt, mit zu behandeln. Gerade in diese Diskussion möchte sich nun auch die ECHAMP tatkräftig einmischen. Schützenhilfe bekommt sie hierbei unter anderem von der EU-Parlamentarierin Ria Oomen-Ruijten aus den Niederlanden, der die Förderung der besonderen Therapierichtungen in Europa besonders am Herzen liegt.

Nachfrage nach komplementärer Medizin nimmt zu

Die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, öffentliche Gesundheit und Verbraucherpolitik des Europäischen Parlamentes erinnerte daran, dass homöopathische, anthroposophische und traditionelle pflanzliche Arzneimittel in einigen Mitgliedstaaten der Union seit mehr als 100 Jahren auf dem Markt seien und dass sie über 80% der Verbraucher in der EU erreichten. Obwohl sie in den einzelnen Ländern durchaus einen unterschiedlichen Stellenwert einnehmen, habe die Nachfrage nach komplementärer Medizin in den letzten Jahren insgesamt zugenommen. Von einer europaweiten Anerkennung und von einem Binnenmarkt für homöopathische und anthroposophische Arzneimittel sei man dennoch noch weit entfernt.

EMEA soll Homöopathika-Ausschuss bekommen

Einen Grund hierfür sieht Oomen-Ruijten darin, dass die Formulierungen der Homöopathika-Richtlinien vielfach zu unpräzise sind. Dies habe bei der Umsetzung in das Recht der Mitgliedstaaten zu nationalen Abweichungen geführt. So verlange eine europaweite Vermarktung derzeit noch 15 verschiedene Registrierungs-/Zulassungsverfahren mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen, eine Praxis, die, wie Oomen-Ruijten konstatierte, eindeutig den Prinzipien des Binnenmarktes wiederspreche. Für sie ist es durchaus vorstellbar, dass Homöopathika und Anthroposophika ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) fallen. Nicht nur aus diesem Grund hält die EU-Parlamentarierin eine Revision der Homöopathika-Richtlinien im Zusammenhang mit dem sog. "Review 2000" für unbedingt notwendig. Die Kommission habe bereits eingesehen, dass hier ein Handlungsbedarf bestehe, aber der Rat der Gesundheitsminister müsse diesbezüglich wohl noch etwas "angeschubst" werden. Defizite sieht Oomen-Ruijten darüber hinaus in dem national unterschiedlichen Rechtsstatus der homöopathisch und anthroposophisch therapierenden Ärzte.

Gedämpfte Erwartungen bei der Kommission

Der anwesende Vertreter der Europäischen Kommission, in der Generaldirektion Unternehmen zuständig für den Binnenmarkt, (Direktion F) Dr. Paul Weissenberg beurteilte die "Wunschliste" Oomen-Ruijtens demgegenüber mit einer gewissen Zurückhaltung. Seine Skepsis, so wurde aus seinen Ausführungen deutlich, rührt im wesentlichen her aus den bisherigen Erfahrungen mit dem europäischen Zulassungssystem. Sechs Jahre Praxis hätten, so Weissenberg, sowohl wertvolle Erfahrungen gebracht als auch die Grenzen des Systems aufgezeigt. So sei das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung kein "system of mutual recognition", sondern ein Ausdruck von "mutual mistrust", d.h. von gegenseitigem Misstrauen. Ein weiteres Argument, mit dem er die Erwartungen der Homöopathika-Hersteller und der homoöpathisch therapierenden Ärzte zu dämpfen versuchte, ist die ungewisse Zukunft des Aufgabensprektrums der EMEA nach der Ost-Erweiterung der Union. Der Vorschlag Oomen-Ruijtens, dort einen gesonderten Ausschuss für Homöopathika einzurichten, stößt bei der Kommission vor diesem Hintergrund offenbar auch nicht auf große Akzeptanz. Eine solche Entscheidung, meinte Weissenberg, habe immer auch Auswirkungen auf andere Bereiche und müsse daher in Ruhe geprüft und überdacht werden. Im übrigen werde eine "bestimmte Restmenge" wohl immer national bleiben, prophezeihte der Vertreter der Kommission.

Kontakt: ECHAMP, Prins Boudewijnlaan 17/8, B-2550 Kontich, Tel: +32(0) 3 450 81 71, Fax: +32(0) 3 458 36 24, E-Mail: office@echamp.be

Kastentext: Die europäischenHomöopathika-Richtlinien

  • Richtlinie des Rates 92/73/EWG vom 22.9.1992 zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinien 65/65/EWG und 75/319/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel und zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für homöopathische Arzneimittel/Abl. Nr. L 297, S. 8 vom 13.10.1992
  • Richtlinie des Rates 92/74/EWG vom 22.9.1992 zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 81/851/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Tierarzneimittel und zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für homöopathische Tierarzneimittel/Abl. Nr. L297, S. 12 vom 13.10.1992

hb

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