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Apotheken-Recht-Tag: Lässt sich der Versandhandel mit Arzneimitteln nicht mehr

FRANKFURT/MAIN (vs). Mit vielen aktuellen Fragen befasste sich der Apotheken-Recht-Tag, der wieder am 15. Dezember 2000 in Frankfurt/Main stattfand und vom pmi Verlag veranstaltet wurde. Kein Thema sorgte jedoch für so viel Kontroversen, wie der Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln: Es nahm mit fünf Referaten den breitesten Raum ein. Angesichts der jüngsten Äußerungen von Bundesgesundheitsministerin Fischer, wonach das "Ob" des Versandhandels derzeit offenbar weniger die Frage sei als das "Wie", war das Thema äußerst brisant.

Professor Christian Koenig, der für die Internetapotheke 0800DocMorris ein Gutachten zur Zulässigkeit des Einzelbezugs apothekenpflichtiger Arzneimittel aus dem Ausland erstellt hatte, verteidigte den Versandhandel über das Internet mit dem nicht aufzuhaltenden technischen Fortschritt. Das Recht könne technischen Fortschritt nicht verhindern, sondern nur begleiten. Die Bestellung apothekenpflichtiger Arzneimittel bei einer ausländischen Apotheke und die anschließende Belieferung des Kunden im Wege des Versandes sei rechtlich durch Paragraph 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG gedeckt. Dieser Ansicht widersprach mit deutlichen Worten Professor Hilko J. Meyer, der die rechtliche Zulässigkeit der grenzüberschreitenden DocMorris-Aktivitäten verneinte.

Versandhandel erwünscht?

Von diesen rechtlichen Erwägungen zu trennen sind die Fragen, welche Erwartungen mit dem Arzneimittelversandhandel verbunden sind, welche Risiken bestehen und welche Auswirkungen die Einführung des Arzneimittelversandes auf das Gesamtsystem der Arzneimittelversorgung haben könnte. Dr. Axel Sander vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hielt es auch zur Beseitigung von Wettbewerbsnachteilen für dringend geboten, dass Fachinformationen, Packungsbeilagen und Bewertungsberichte im Internet vom pharmazeutischen Unternehmer einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen. In anderen europäischen Ländern sei dies bereits gestattet. Geradezu visionär muteten die Ausführungen von Rechtsanwalt Dr. Frank A. Stebner aus Salzgitter an: Internetapotheken seien erst der Anfang - Apotheken mit ausschließlich spezialisiertem Programm und erheblich erweitertem Nebensortiment, Apothekenecken in Supermärkten, ja sogar "rollende Apotheken" rückten nun in den Bereich des Vorstellbaren. Wenig werde so bleiben, wie es ist. Deshalb sollten die deutschen Apotheker weniger Energie in die Ablehnung der neuen Idee "Internetapotheke" investieren als sie vielmehr aktiv mitgestalten und für sich nutzbar machen.

Erwartungsgemäß befürwortete auch der Marketingdirektor von DocMorris, Jens Apermann, den Internethandel wegen seiner Vorzüge, die unter anderem im günstigeren Bezug der Arzneimittel unmittelbar an die Wohnung des Kunden lägen. Auch im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit sah Apermann keinerlei Bedenken. Im Gegenteil: durch die schriftliche Beratung auf den Internetseiten von DocMorris könne die jeweilige Beratung kundenbezogen und jederzeit nachvollziehbar durchgeführt werden.

Benachteiligung deutscher Apotheken durch ausländische Internetapotheken

Die rechtliche Grundlage für den Versand von Arzneimitteln durch ausländische Apotheken an deutsche Verbraucher ist zur Zeit noch nicht endgültig geklärt. Insoweit ist abzuwarten, wie die verschiedenen gerichtlichen Verfahren, die gegen DocMorris angestrengt worden sind, ausgehen werden. Sollte der Versand erlaubt werden, so befänden sich die in Deutschland zugelassenen Apotheker in doppelter Hinsicht im Wettbewerbsnachteil: Für sie gilt die Arzneimittelpreisverordnung. Außerdem ist ihnen der Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel an Endverbraucher verboten, was nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs auch dann der Fall ist, wenn es sich um eine Lieferung für den Praxisbedarf eines Arztes handelt. Vor diesem Hintergrund empfiehlt schon heute manche Krankenkasse ihren Mitgliedern, sich die doch bei DocMorris zu besorgen ...

Was kommt auf uns zu?

Dies zeigt, auch dies wurde auf dem Apotheken-Recht-Tag deutlich, die eigentliche Problematik, die hinter dem Versandhandel mit Arzneimitteln steckt: Nicht der Versand ist das eigentliche Problem, sondern die mit der Einführung des Versandes ins Wanken geratenden Parameter, die die flächendeckende Arzneimittelversorgung in Deutschland schützen sollen: Versand ist teuer und lohnt sich nur dann, wenn aufgrund des Versandes ein erhöhter Umsatz erzielt wird. Dies kann aber nur über die Preisgestaltung geschehen. Soll also die Arzneimittelpreisverordnung ebenfalls fallen? Fällt sie, gerät jedoch die wohlbedachte Mischkalkulation bei den Arzneimittelpreisen ins Wanken - es ist nicht auszuschließen, dass dies zum Aus vieler Apotheken führt. Der Wegfall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes könnte auf Dauer die weitere Konsequenz sein.

Kein Thema sorgt derzeit für so viel Kontroversen wie der Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Angesichts der jüngsten Äußerungen von Bundesgesundheitsministerin Fischer, wonach das "Ob" des Versandhandels derzeit offenbar weniger die Frage sei als das "Wie", wurde das äußerst brisante Thema auf dem Apotheken-Recht-Tag, der am 15. Dezember 2000 in Frankfurt/Main stattfand diskutiert.

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