DAZ aktuell

Position des pharmazeutischen Großhandels: Nutzung des Internets, aber kein

BONN (whi). Der pharmazeutische Großhandel, dessen Position Jürgen Ossenberg von der Gehe AG auf dem gemeinsamen Symposium von Bundesgesundheitsministerium und ABDA vortrug, sagt "Ja" zu Arzneimittelinformationen und -bestellungen über das Internet, zu einer wirklich bequemen und wirtschaftlichen Vollversorgung durch die Apotheken vor Ort, aber ein klares "Nein" zum Versandhandel mit Arzneimitteln.

Ossenberg hält es für legitim, wenn man die rasante Ausbreitung des Internet als weltumspannendes Kommunikationsnetz und das internationale Auftreten neuer Geschäftsmodelle im Arzneimittelvertrieb zum Anlass nimmt, die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit daraufhin zu überprüfen, ob sie an die neue Situation angepasst werden müssen oder ob sie sogar in einigen Bereichen überzogen sind.

Zu kurz gegriffen wäre es nach Meinung von Ossenberg jedoch, wenn man allein den Hinweis, dass der elektronische Handel mit Arzneimitteln bereits "eine Realität" sei, genügen lassen würde, um begründete und bewährte Institutionen wie die Apothekenpflicht und das Versandhandelsverbot für Arzneimittel für antiquiert und deshalb nicht erhaltenswert zu erklären.

Ossenberg wies auf die Probleme hin, die es mittlerweile mit dem Versandhandel mit Arzneimitteln auf dem amerikanischen Arzneimittelmarkt gebe. In Deutschland sei man in der komfortablen Lage, ein rundum sicheres System daraufhin überprüfen zu können, wie es verbessert werden könne, diesen Vorsprung sollte man nicht aufs Spiel setzen. Probleme sieht Ossenberg beim Versandhandel bisheriger Prägung vor allem in der oft fehlenden deutschen Zulassung, der fehlenden Gefährdungshaftung, uneinheitlichen Abgabebestimmungen in den Herkunftsländern, der fehlenden Beratung (Missbrauchsabwehr, Suchtprävention) und der nicht gegebenen Einbindung in die bestehenden Warn- und Rückrufsysteme bei Arzneimittelzwischenfällen. Ossenberg formulierte deutliche Zweifel, ob es gelingen kann, die "guten" Versender von den "schlechten" ohne entsprechende Sicherheitsstandards zu trennen.

Ossenberg stellte die Bedeutung der Apothekenpflicht und des Versandhandelsverbots für die Arzneimittelsicherheit heraus. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt zu 0800DdocMorris. Zur Arzneimittelsicherheit hatte das Gericht u.a. festgestellt, dass bei Versand von Arzneimitteln aus Apotheken der Schutz der menschlichen Gesundheit nicht ebenso gut gewährleistet werden könne wie bei der Übergabe des Arzneimittels in den Apothekenbetriebsräumen. Es wäre nach Meinung von Ossenberg ein falsches Signal an den Verbraucher, wenn der Gesetzgeber durch Aufhebung des Versandhandelsverbots für Arzneimittel die bei weiten Teilen der Bevölkerung zurecht bestehenden Bedenken gegen diesen Vertriebsweg beschwichtigen würde, nur um dann in verstärkte Aktivitäten des Verbraucherschutzes und der Verbraucheraufklärung einzutreten, wie dies zur Zeit in den USA - offenbar nur mit mäßigem Erfolg - zu beobachten sei.

Eingehend setzte sich Ossenberg mit den ökonomischen Konsequenzen einer Systemveränderung auseinander. Analysen des Großhandels zeigen, dass die hochpreisigen Arzneimittel, also typischerweise die Innovationen, einen sehr kleinen Teil der Packungsmenge und damit der Distributionskosten ausmachen. Dagegen sei ihr Umsatzanteil und damit der Anteil am Rohertrag beträchtlich. Umgekehrt stellt sich danach der Sachverhalt bei niedrigpreisigen Produkten, also typischerweise den Generika, dar: Hier entstünden durch die zu bewegende Packungsmenge erheblich mehr Kosten als der Umsatzanteil und damit der Rohertrag hergebe. "Wir haben also eine Quersubvention zwischen Innovationen und Generika", so Ossenberg. Diese Quersubventionierung ist nach Meinung von Ossenberg mitverantwortlich für das moderate Preisniveau in Deutschland im europäischen Vergleich.

Arzneimittelversender konzentrieren sich nach eigener Darstellung auf die Bedienung planbarer Patientenbedürfnisse im höherpreisigen Preissegment. Sie beschränken sich auf einen Bruchteil des in Deutschland verfügbaren Sortiments. Der Vorteil für den Patienten reduziert sich dabei weitgehend auf Preisvorteile. Ansonsten müsse der Patient, so Ossenberg eine wesentlich aufwendigere Beschaffung mit mehreren Tagen Wartezeit in Kauf nehmen.

Unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten kann sich der Versandhandel nach den Ausführungen von Ossenberg nur auf hochpreisige Produkte konzentrieren. Dies führe jedoch auf Großhandels- und Apothekenseite zwangsläufig zu einem Ungleichgewicht in den bestehenden Strukturen der sicheren Versorgung. Artikel mit einem negativen Deckungsbeitrag könnten dann nicht mehr geführt werden. Die Konsequenz seien Einschnitte in die zeitnahe, flächendeckende Versorgung, vor allem im therapeutisch erforderlichen, niedrigpreisigen Sortiment mit entsprechenden Effekten auf das Festbetragssystem und die Generika-Distribution. Nur ein Aufschlag im niedrigpreisigen Sortiment könnte entsprechende Versorgungslücken abwehren.

Bei ihrer Entscheidung für oder gegen den Versandhandel müsse sich die Gesundheitspolitik über die Konsequenzen im klaren sein, so Ossenberg: Wenn man auf Teilsortimenter setze, müsse man die Vorratspflicht und den Kontrahierungszwang der Apotheken aufheben, ebenso die Arzneimittelpreisverordnung und den 5%igen Zwangsrabatt der Apotheken an die GKV. Dann müsse man aber auch den Patienten, Versicherten und Verbrauchern sagen, dass eine Arzneimittelversorgung auf bisherigem Niveau nicht mehr gewährleistet sei, nur noch die wichtigsten Medikamente sofort verfügbar seien, selten benötigte Medikamente nur mit Zusatzaufschlag und Wartezeiten geliefert werden könnten und Preissteigerungen bei Epidemien in Kauf genommen werden müssten.

Wolle man das bisherige Leistungs- und Versorgungsniveau mit dezentraler Rund-um-die-Uhr-Versorgung und einem vollständigen Sortiment zugelassener Arzneimittel erhalten, so Ossenbergs Alternative, seien gleiche Vorrats- und Sicherstellungspflichten sowie gleiche preis- und Rabattvorschriften für alle Anbieter unerlässlich. Der Gesetzgeber stehe vor einer Systemfrage, ein "bisschen schwanger" gehe nicht.

Eine Arzneimittelversorgung, bei der die Patientenbedürfnisse im Mittelpunkt stehen, wird nach Meinung von Ossenberg drei Voraussetzungen erfüllen müssen: Hierbei handelt es sich um

  • CLICK; der Patient will das Medium Internet mit einer breiten Präsenz einer Vielzahl von Informationen und Diensten nutzen;
  • MORTAR: Das Internet kann seinen Nutzen für den Patienten nur entfalten, wenn es mit dem Mörtel des Vertrauens und des persönlichen Kontakts in der Apotheke vor Ort kombiniert wird;
  • Vollversorgung des Großhandels: Um den Apotheken eine sofortige bzw. kurzfristige Arzneimittelabgabe zu ermöglichen, bedarf es der Vollversorgung durch den pharmazeutischen Großhandel.

Der pharmazeutische Großhandel bietet allen Beteiligten seine Zusammenarbeit bei einer Reihe von Projekten im Gesundheitswesen an, darunter die Vernetzung der Heilberufe, das elektronische Rezept, die elektronische Patientenakte, die Internet-gestützte Patientenakte und die Nutzung der Distributionskette als Therapiekette.

Unbeantwortet blieb in der Diskussion die Frage, ob bei einem derart umfassenden Angebot mit Zugang zu allen Beteiligten nicht der Versand von Arzneimitteln durch den pharmazeutischen Großhandel die logische Konsequenz sei.

Interessenten finden das Manuskript von Ossenberg auf den Internetseiten des PHAGRO unter http://www.phagro.de/branche_aktuell.htm.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.