Arzneimittel und Therapie

Exzessive Tagesschläfrigkeit: Die Narkolepsie mit Modafinil bekämpfen

Klagen über einen unwiderstehlichen Zwang, tagsüber schlafen zu wollen und nachts nicht schlafen zu können, daraus resultierende berufliche und persönliche Probleme wie Leistungsabfall und Konzentrationsstörungen - dahinter versteckt sich vermutlich das Krankheitsbild Narkolepsie. Mit dem seit zwei Jahren zur Behandlung der Narkolepsie zugelassenen Modafinil können Betroffene hoffen, dass Tage wieder lebenswert und der Nachtschlaf zur Erholung werden.

Vor über hundert Jahren wurde von dem französischen Arzt Gélineau eine Krankheit beschrieben, die nach ihren Symptomen benannt wurde: narco= Erstarrung, Lähmung; lepsie= Anfall. Heute weiß man mehr über diese Schlaf-Wach-Störung, deren Prävalenz auf 0,03 bis 0,1 Prozent geschätzt wird, deren Dunkelziffer sehr hoch ist und wobei den Patienten vor allem die Kataplexie zu schaffen macht:

Emotionale Erregungen wie Lachen, Überraschungen, Wut oder Trauer lösen kataleptische Attacken aus, bei denen der Patient kurzzeitig die Kontrolle über den Muskeltonus verliert. Sie führen je nach Schweregrad der Attacke zum Erschlaffen der Gesichtsmuskeln, zur Beeinträchtigung beim Sprechen, zum Weichwerden der Knie oder aufgrund des bilateralen Tonusverlustes der Haltemuskulatur sogar zum völligen Zusammensinken und nach vorne Stürzen des Körpers.

Besonders beim Einschlafen oder Aufwachen kann zudem ein Verlust des Muskeltonus auftreten, der zu einer zwar kurzzeitigen, aber vollständigen Bewegungsunfähigkeit führt und oft von hypnagogen Halluzinationen begleitet wird. In diesem Grenzzustand zwischen Schlafen und Wachen erlebt der Patient lebhafte, wirklichkeitsnahe, sehr oft angstvolle Trug- und Traumwahrnehmungen bis hin zu furchterregenden Alpträumen. Diese "Szenarien" können sich ständig wiederholen und den Patienten stark belasten.

Hypersomnie

Die normalen Abläufe von Wachheit am Tage und Schlaf in der Nacht sind bei Narkolepsie-Patienten buchstäblich auf den Kopf gestellt, und die exzessive Tagesschläfrigkeit ist das andere Hauptsymptom dieser zu den Hypersomnien zählende Krankheit. Solche neurologischen Störungen der Schlaf-Wach-Regulation sind nicht auf Stress, Überlastung oder ausschweifende Nachtaktivitäten zurückzuführen, sondern Folge einer Autoimmunerkrankung, bei der orexinhaltige Neuronen zerstört werden. Trotz einfacher Anamnese vergehen bis zur Erstdiagnose durchschnittlich acht Jahre, da den meisten Ärzten diese Erkrankung nur aus den Lehrbüchern bekannt ist.

Extreme Einschlafneigung am Tag

Die extreme Einschlafneigung am Tag, speziell in monotonen Situationen, ist nicht bedingt durch Schlafmangel, sondern die physiologische Schwelle der Einschlafneigung ist herabgesetzt. Fast bei allen Narkolepsiepatienten gilt sie als das erste Symptom, mit dem sich die Krankheit - eine immungenetische Erkrankung des Zentralnervensystems - manifestiert. Sie kann mit REM- oder Non-REM-Schlaf beginnen. Non-REM-assoziiert sind imperative Schlafattacken, fragmentierter Nachtschlaf und automatisches Verhalten; der REM-Komponente dagegen sind Kataplexie, Schlaflähmung und hypnagoge Halluzinationen zuzuordnen. Die Schlafdauer schwankt zwischen Sekunden und Minuten, wird als erholsam erlebt, ändert jedoch nichts an der ständigen Müdigkeit. Gelegentlich führt der Narkoleptiker Handlungen wie im Halbschlaf aus: Beispielsweise kann er während dem Schreiben eines Briefes eine Attacke haben und dabei weiterschreiben, jedoch mit unsinnigen oder fehlerhaften Wörtern.

Fehldiagnosen sind häufig

Aufgrund dieser Symptome, vor allem denen der narkolepsiespezifischen Kataplexie, kommt es leicht zu Fehldiagnosen wie Epilepsie, schizophrener Entwicklungs- oder Anpassungsstörung, hyperkinetischem oder auch Restless-legs-Syndrom, zumal diese Störungen am häufigsten zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr beginnen. Die Narkolepsie wird neuerdings durch einen Mangel des Peptids Hypocretin beziehungsweise dessen Rezeptoren erklärt.

Zur Erstellung der Diagnose ergeben sich wichtige Informationen aus der Anamnese. Die Firma Merckle Arzneimittel, Ulm, bietet dazu eine 10-Punkte-Checkliste an. Beantwortet der Patient mindestens drei Fragen mit "ja", sollte zur Diagnosesicherung eine Untersuchung durch einen Neurologen oder ein Schlaflabor erfolgen.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie der Tagesschläfrigkeit beschränkt sich im Wesentlichen auf Sympathomimetika, die neuen Antidepressiva (z.B. SSRI), in Einzelfällen auf MAO-Hemmer mit stimulierender Wirkung oder in den letzten beiden Jahren auf Modafinil (Vigil®), das keinen sympathomimetischen Wirkmechanismus aufweist, sondern die orexinhaltigen Neuronen stimuliert. Aufgrund seiner geringen Nebenwirkungen auf Herz-Kreislauf und Vegetativum hat es sich bei Narkolepsie als Mittel der Wahl etabliert. Sein Wirkmechanismus ist noch nicht endgültig abgeklärt, jedoch unterscheidet sich die Substanz sowohl chemisch als auch pharmakologisch eindeutig von den herkömmlichen ZNS-Stimulanzien des Amphetamin-Typs.

Im Gegensatz zu anderen Medikationen indiziert Modafinil keinen Appetit- oder Gewichtsverlust, nur selten Magenbeschwerden und Nervosität, keine Psychosen und keine Entzugserscheinungen. Erste positive Erfahrungen mit Modafinil liegen jetzt auch für die Behandlung des Fatigue-Syndroms bei Multipler Sklerose vor, von dem rund 90Prozent der MS-Patienten betroffen sind. Die derzeit übliche Therapie mit Amantadin, 3,4-Diaminopyridin oder Antidepressiva ist meist wenig erfolgreich, dagegen kam es bei einem Therapieversuch mit 200 bis 300 µg/Tag Modafinil innerhalb von zwei Wochen bei 13 von 15 MS-Patienten zu einer subjektiven Besserung.

Quelle: Dr.med. U. Vorderholzer, Freiburg; PD Dr. med. G. Mayer, Schwalmstadt-Treysa; Dr. med. J. Reeß, Schwendi; PD Dr. med. M. S. Damian, Dresden; Dr. med. B. W. Walther, Erfurt: Satellitensymposium der Merckle Arzneimittel "Exzessive Tagesschläfrigkeit: ein wenig beachtetes Problem in der neurologischen Praxis" anlässlich der 73. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie am 27. September in Baden-Baden.

Klagen über einen unwiderstehlichen Zwang, tagsüber schlafen zu wollen und nachts nicht schlafen zu können, daraus resultierende berufliche und persönliche Probleme wie Leistungsabfall und Konzentrationsstörungen – dahinter versteckt sich vermutlich das Krankheitsbild Narkolepsie. Mit dem seit zwei Jahren zur Behandlung der Narkolepsie zugelassenen Modafinil können Betroffene wieder hoffen, dass Tage wieder lebenswert und der Nachtschlaf zur Erholung werden.

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