Arzneimittel und Therapie

Amyotrophe Lateralsklerose: Mit Riluzol die Progression verzögern

Die Substanz Riluzol wirkt neuroprotektiv und dürfte das erste Medikament sein, das die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) signifikant verlangsamen kann.

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), eine motorische Systemdegeneration mit bisher nicht geklärter Ätiologie, zählt neben der Demenz vom Alzheimer Typ, dem Morbus Parkinson und der Multiplen Sklerose zu den neurogenerativen Erkrankungen. Vermutlich sind die Auslöser eine Kombination von genetischen Veränderungen (z.B. Vulnerabilitätsgene) und Umweltursachen.

Verschiedene Entstehungsmechanismen

Mindestens vier verschiedene Mechanismen für die Entstehung werden derzeit diskutiert: oxidativer Stress, pathologische Akkumulation von Neurofilamenten, intrazelluläre Aggregate aberranter Proteine sowie eine Störung des Glutamatstoffwechsels (Exzitotoxizität). So spielen Mutationen freier Radikale eine wichtige Rolle in der ALS-Forschung, besonders, seit man im Gewebe sporadischer ALS-Patienten Spuren einer erhöhten oxidativen Belastung nachweisen konnte. Zwar ist das antioxidative Potenzial von Vitamin E seit langem bekannt, doch Versuche mit Vitamin E bei ALS-Patienten verliefen ohne positives Ergebnis.

Im Tierversuch zeigten sich dagegen Vitamin E in Kombination mit dem ebenfalls antioxidativen Selen erfolgreich. Derzeit wird an verschiedenen deutschen Zentren eine doppelblinde, plazebokontrollierte Therapiestudie mit Megadosen (5000 µg/die) Vitamin E durchgeführt.

Störungen des Glutamat-Transmittersystems

Eine Reihe von Indizien weist auf eine Störung des Glutamat-Transmittersystems bei der ALS hin, was nahelegt, antiglutamerge Substanzen zur Therapie einzusetzen. Mit Riluzol konnte eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufes nachgewiesen werden. Riluzol ist inzwischen in zahlreichen Ländern inklusive Deutschland zur Therapie (Verlängerung der Lebenserwartung bzw. zur Hinauszögerung der Zeit bis zum Einsatz mechanischer Beatmung) der ALS zugelassen.

Derzeit laufen verschiedene klinische Studien zur Neuroprotektion, die im Rahmen der 73. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vorgestellt wurden:

  • Die europäische M. Huntington-Studie ("EHDI-Trial") untersucht seit Dezember 1999 (geplantes Studienende: Anfang 2004) an 450 Huntington-Patienten in frühen Krankheitsstadien und mit molekularbiologisch gesicherter Diagnose, ob die tägliche Einnahme von 100 µg Riluzol über 3 Jahre die Krankheitsprogression verlangsamt.
  • In der europäischen "Multi-System-Atrophie"-(MSA)-"progressive supranukleäre Paralyse"-(PSP)-Studie (NNIPPS-Studie) soll durch die Beobachtung von 800 Patienten über eine Dauer von 3 Jahren die Wirkung von Riluzol auf das Überleben erfasst werden. Riluzol wird dazu in Dosierungen von 50 bis 200 µg/Tag eingesetzt.

In zwei doppelblinden, plazebokontrollierten klinischen Studien mit mehr als 1000 ALS-Patienten konnte gezeigt werden, dass unter Riluzol das letale Risiko bzw. das Risiko beatmet werden zu müssen im Vergleich zu Plazebo nach 12 Monaten um 43% und nach 18 Monaten um 35% reduziert werden konnte.

Lebensqualität verbessern

Für neurodegenerative Erkrankungen gibt es bislang keine Therapiemöglichkeiten, doch - wie bei Morbus Parkinson - kann mit Kombinationsstrategien verschiedener und pharmakologisch unterschiedlicher Therapien der Symptome die Lebensqualität der Erkrankten entscheidend verbessert werden. Eine Heilung oder wenigstens ein Stillstand der Krankheit ist jedoch noch nicht erreicht worden. Drei bis jetzt vorliegende multizentrische Langzeitstudien mit Dopaminagonisten (Ropinirol, Pramipexol, Pergolid) weisen auf ein neuroprotektives Potenzial dieser Substanzgruppe hin. Experimentell gibt es neben Selegilin, den Dopaminagonisten und Glutamatantagonisten wie Riluzol eine Reihe von Neuentwicklungen zu Wachstumsfaktoren und Apoptosehemmern.

Quelle: Prof. Dr. R. Dengler, Hannover; PD Dr.R. Gold, Würzburg; Prof. Dr.G.B. Landwehrmeyer, Ulm; Prof. Dr.A.C. Ludolph, Ulm; Prof. Dr.P. Riederer, Würzburg; Prof. Dr.G. Wenning, Innsbruck: Satellitensymposium der Aventis Pharma "Neues zur Protektion bei neurodegenerativen Erkrankungen" anlässlich der 73. Jahrestagung des DGN am 28. September 2000 in Baden-Baden.

Die kognitiven Abbauprozesse des alternden Gehirns sind nicht so stark wie man lange annahm, altersabhängige neurodegenerative Erkrankungen werden jedoch mit der Zunahme des Lebensalters häufiger auftreten. Die Substanz Riluzol wirkt neuroprotektiv und dürfte das erste Medikament sein, das die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), eine neurodegenerative Erkrankung, signifikant verlangsamen kann.

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