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Schweinefleisch, Geflügel, Wild, Fisch und viel Gemüse - das steht derzeit auf vielen Menükarten, wenn Sie auf Veranstaltungen zu Tisch gebeten werden. Rindfleisch fehlt. Der Grund: Ein in Deutschland geborenes Rind wurde erstmals als BSE-infiziert positiv diagnostiziert. Rindfleisch ist dadurch geächtet. Glaubten wir noch vor kurzem, das BSE-Problem für unser Land durch Einfuhrstopps von ausländischem Fleisch gelöst zu haben, bekommen wir jetzt gezeigt, dass der Erreger bereits im Lande ist und unser Vieh befallen hat. Von über 22 000 Internetteilnehmern, die sich an einer noch laufenden Umfrage von t-online beteiligten, werden rund 51% auf den Genuss von Rindfleisch verzichten, rund 28% kein Rindfleisch mehr im Supermarkt kaufen und nur 18% lassen sich das Steak oder den Rostbraten auch weiterhin ohne BSE-Angst schmecken. Deutschlands Bevölkerung ist in hohem Maß verunsichert und hat Angst, sich über den Verzehr von Rindfleisch mit dem BSE-Erreger zu infizieren und später einmal an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) zu sterben. Nachdem die Angst vor der bovinen spongiformen Encephalitis bereits vor etwa fünf Jahren die Nation irritierte und der Fleischkonsum kurzfristig zurückging, erleben wir jetzt die zweite BSE-Welle. Die Menschen sind aber auch erbost über die Politiker, weil sie zu spät handelten, um die Übertragungskette des BSE-Erregers, die Verfütterung von Tiermehl, zu unterbrechen. Erst jetzt haben sich die EU-Landwirtschaftsminister darauf verständigt, dass die Verfütterung von Viehfutter mit tierischen Bestandteilen (Tiermehl) verboten ist. "Land unter Schock: Auf die ersten beiden BSE-Rinder reagiert Deutschland mit Hauruck-Gesetzen und Zügen von Hysterie. Dabei bescheren Agro-Business und Food-Konzerne dem Verbraucher noch ganz andere - womöglich größere - Risiken", schreibt das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe. Wie wahr. Und nicht nur in der Fleischerzeugung, sondern auch in anderen Gebieten unserer Nahrungsmittelindustrie. Nicht erst jetzt - und selbst wenn keine BSE-Erreger übertragen würden - ist es unappetitlich, Tiermehl zu verfüttern. Und eine artgerechte Nahrung ist es allemal nicht. Die moderne Lebensmittelherstellung wird immer wieder in unregelmäßigen Abständen von Skandalen heimgesucht. Der "Spiegel" erinnert in seinem Bericht z. B. an den Olivenölskandal in Spanien (1981), an Glykol im Wein (1985), den italienischen Weinskandal mit Methylalkohol im Rotwein (1986), die Nematoden in Fischen (1987), den Hormonskandal bei der Kälbermast (1988), die Pestizide in der Babynahrung (1994), den Nikotineinsatz in der Hühnerhaltung (1996) und den belgischen Dioxinskandal (1999). Und irgendwann gab's auch die Salmonellen in den Eierspeisen und bei der Eiernudelproduktion. Eigentlich dürften wir uns gar nicht allzu laut über die Skandale beschweren, denn ganz unschuldig daran ist unsere Gesellschaft nicht. Lebensmittel, insbesondere Fleisch, soll in immer größeren Mengen und zu immer günstigeren Preisen zur Verfügung stehen. Überhaupt, Essen soll wenig kosten, egal, wie es produziert wird, Hauptsache billig. Das rächt sich. Zurück zu BSE: Ob Deutschland zu Recht eine hysterische Republik ist oder ob die Ansteckungsgefahr mit durch Rindfleischverzehr aufgenommene Prionen, den mutmaßlichen Auslösern von BSE bzw. CJK beim Menschen, relativ gering ist - wir wissen es noch nicht. Nach Auffassung des Bundesinstituts für Verbraucherschutz nimmt derjenige, der zur Zeit in irgendeiner Form Rindfleisch verzehrt, ein Restrisiko in Kauf. BSE darf aber nicht nur unter Gesichten der Ernährung betrachtet werden: aus Rindermaterialien werden Hilfsstoffe für die Arzneimittelproduktion hergestellt, ein Beispiel dafür ist Gelatine, wobei dieser Stoff in Deutschland bereits zu über 90% aus Schweineschwarte gewonnen wird. Können nun Prionen auf diesem Weg auch in Arzneimittel gelangen? "Nach Ansicht der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft kann ein BSE-bedingtes Risiko für Medikamente, die in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen sind, auch nach diesem deutschen BSE-Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden", heißt es in einem Statement der DPhG, das wir in dieser Ausgabe veröffentlichen. Das Risiko, sich durch Einnahme eines Arzneimittels mit einer BSE-ähnlichen Krankheit zu infizieren, ist kleiner, heißt es in diesem Statement weiter, als das Risiko, natürlicherweise an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit zu erkranken. Diese Aussage wurde gemacht vor dem Hintergrund eines nahezu einmaligen Evaluierungssystems, das für alle in Deutschland zugelassenen Arzneimittel verbindlich gilt. Sie können ihre Kunden und Patienten also beschwichtigen: Deutsche Arzneimittel sind BSE-sicher. Aber wie sieht es mit Arzneimitteln aus, die im Ausland produziert wurden, Stichwort Importarzneimittel? Gibt es in anderen Ländern auch so strenge Sicherheitsanforderungen an Arzneimitteln aus Körperbestandteilen von Rind, Schaf oder Ziege? Müsste man vor diesem Hintergrund nicht auf die Abgabe von Importarzneimitteln verzichten? Peter Ditzel

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