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Lutz Bäucker: Apotheken zwischen Mittelalter und New Age

Wenn wir mal in den Schlagzeilen stehen, wenn über deutsche Apotheken und ApothekerInnen geschrieben wird, dann ist das nicht schlecht . Im Prinzip. Stories über uns machen die Pharmazie "menschlich", lassen die (potenziellen) Kunden manches besser verstehen und stärken einem kleinen, oft gebeutelten Beruf den Rücken. Im Prinzip, wie gesagt. So haben wir z. B. mit Freude und Genugtuung Deutschlands größte Sonntagszeitung zum Frühstück "genossen": Die Apotheke wird zur Wohlfühl-Oase - so titelten die Kollegen in Riesenbuchstaben und gaben eine ganze (!) Seite her für einen Artikel über die zukünftige Form der deutschen Apothekerei: "Es duftet nach Orangen, aus Lautsprechern erklingt leise Entspannungsmusik," so poetisch schwärmen sie, staunen über "Dampfbäder zur Gesichtsreinigung, einen wahren Erlebnisshop, ein großes Angebot, perfekten Service und ganz persönliche Beratung." Und das alles in der Apotheke! Nicht schlecht recherchiert, unser Kompliment. Die Protagonisten der New-Age-Pharmacy werden denn auch dingfest gemacht: Doris Schwaabe aus München, Karsten Wendt aus Ulm und Leo Köhler aus Lauda - sie werden Millionen von Lesern als leuchtende Beispiele fortschrittlicher, zukunftsorientierter Apotheken vorgestellt. Denn, so das Millionenblatt: "Anders können viele Apotheken nicht mehr überleben!" Weil - Zitat - "mehr als 40 Prozent unserer Apotheken rote Zahlen schreiben." Auch da haben sie gut recherchiert, leider. Trotzdem - so ein dicker Bericht in einem Medium, dessen Stammhaus nicht immer für seriösen Journalismus berühmt ist - das ist super! Weil damit Zielgruppen erreicht werden, die für tendenziöse Geschichten besonders anfällig sind, ist das nicht hoch genug zu bewerten. Und die PR-Kampagnen-Abteilung der ABDA dürfte auch zufrieden sein - mit so einer Seite in diesem Blatt können sie sich in Eschborn wieder einen Haufen Kohle sparen. Und vielleicht ist das auch bitter nötig, dieses Geld für eine künftige Imagekampagne bereitzuhalten. Denn nicht immer sind Apo-Stories gut für uns. Was nämlich da aus dem frühwinterlichen Nebel am östlichen Ende des Erzgebirges ans Tageslicht zu kommen droht, das ist so ungeheuerlich, so unglaublich, dass wir kaum wagen, es zu benennen: Apotheken-Konkurrenzkampf bis aufs Messer, ohne Rücksicht auf Verluste, mittelalterliche Verhältnisse im Jahr 2000 - darf, kann das wahr sein? Wir hoffen es nicht. Hoffen darauf, dass sich die Gerüchte um drei Apotheken in Sebnitz/Sachsen als solche herausstellen und nicht Wahrheit werden. Denn dann könnten uns auch keine bunten Geschichten über klingende Apotheken mit Orangenduft mehr helfen....

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