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Gesundheitswesen: Das Budget-Limit ist erreicht

(diz). In Deutschlands Gesundheitswesen bahnt sich ein Desaster an. Ärzte haben ihr Budget für dieses Jahr ausgeschöpft, den Patienten werden Arzneimittel oder ärztliche Hilfe verweigert, die Mediziner greifen zu drastischen Sparmaßnahmen. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet in seiner neuesten Ausgabe vom 27. November über den Umgang der Ärzte mit dem Budget.

Das Magazin stellt in seinem Bericht Patientenfälle vor, die unter Sparmaßnahmen leiden mussten. So fand z. B. ein schwerkranker Patient mit einem gefährlichen Hirntumor erst nach langem Suchen quasi fünf vor Zwölf einen Facharzt, der ihn behandeln wollte. Seine Krankheit hätte keinen Operationsaufschub mehr erlaubt. Berichtet wird von Fällen, wo Krankenkassen sich weigerten, die Kosten für eine regelmäßige Dialyse zu übernehmen. Gefragt wird, ob dies bereits auf eine Drei-Klassen-Gesellschaft im Gesundheitssystem hindeutet, in der Privatpatienten besser behandelt werden als Mitglieder von Ersatzkassen wie DAK und Barmer und die wiederum besser als die AOK-Patienten.

Ärzte schließen ihre Praxis

Der Streit um die Ausgaben für Gesundheit im Gesundheitswesen spitzt sich in diesem Herbst zu. Beispielsweise sind die Arzneimittelbudgets für dieses Jahr bereits erschöpft. Ärzte gehen zum Teil dazu über, aus Protest ihre Praxen zu schließen. Patienten beschweren sich bei ihren Kassen, dass sie schlecht von ihren Ärzten versorgt würden. Manche Ärzte verlangten von ihren Patienten ein Sonderhonorar für bestimmte Untersuchungen. Der "Spiegel" berichtet beispielsweise von Gynäkologen, die für eine Mammografie 80 DM cash kassieren. Ein Politikwissenschaftler fand im Rahmen einer aktuellen Studie für die Gmünder Ersatzkasse heraus, dass über 27% der befragten Versicherten bereits erlebt hätten, dass ihnen Leistungen verweigert würden. Und das Meinungsforschungsinstitut Emnid ermittelte im Auftrag des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller, dass 9,3% der Befragten in den vergangenen zwölf Monaten Arzneimittel vorenthalten wurden mit der Begründung, das Budget sei ausgeschöpft.

Verordnungsrepertoire entrümpeln

Nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden der Gmünder Ersatzkasse fehle dem deutschen Gesundheitswesen allerdings nicht das Geld, sondern Planung, Steuerung und der Mut, das "Handlungs- und Verordnungsrepertoire endlich von Leistungen zu entrümpeln". Der "Spiegel" zitiert in diesem Zusammenhang Fachleute, die vorrechneten, dass Ärzte allein bei Arzneimitteln Milliarden einsparen könnten. Der Mitherausgeber des Arzneiverordnungsreports, der Pharmakologe Ulrich Schwabe, rechnet beispielsweise vor, dass es bei den Arzneimittelverordnungen ein Sparpotenzial von jährlich 8,2 Mrd. DM gebe. Es könnte auf umstrittene Präparate verzichtet werden, ebenso auf die Verordnung von Originalpräparaten. Viele Arzneimittel landeten außerdem ungebraucht auf dem Müll. Ärzte versuchten mit komplizierten PC-Programmen ihr Budgetüberschreitungsrisiko in den Griff zu bekommen, was oft zu einem "Verordnungsmonopoly" führe. So gebe es immer wieder Opfer falscher Sparsamkeit, wo beispielsweise Patienten einen Schlaganfall erlitten, da ihnen Ärzte notwendige Lipidsenker nicht verordneten.

Erbärmlicher Zustand des BfArM

Beklagt wird in dem Bericht des "Spiegel" auch der "erbärmliche Zustand" des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Das Institut leide unter Personalnöten, Computersysteme zur Personalverwaltung hätten den Millenniumswechsel nicht überstanden. Hinzu komme, dass das Amt mit rund 12 500 Medikamenten konfrontiert sei, die auf eine Überprüfung der Nachzulassung warteten. Das Nachrichtenmagazin zitiert BfArM-Chef Schweim: "Die Behörde steht kurz vor dem Kollaps."

Im Osten das Medizinerproletariat

Desolate Zustände im Gesundheitswesen macht der Bericht auch für den östlichen Teil Deutschlands aus. Die rund 18.000 niedergelassenen Ärzte im Osten seien das Proletariat der deutschen Ärzteschaft, klagt ein Landarzt im sächsischen Glaubitz. Die Budgetierung bei Arzneimitteln treffe die Ostmediziner härter, da beispielsweise in bestimmten Regionen jeder vierte Krankenkassenpatient Rentner sei mit ernsten Krankheiten, die teuere Arzneimittel benötigten. Ärzte selbst verdienten im östlichen Teil etwa 20 % weniger als ihre Westkollegen, dennoch, so ergänzt der Bericht, habe sich die Kaufkraft ehemaliger DDR-Ärzte in den letzten zehn Jahren verzehnfacht und es gebe viele Fachärzte, die bereits mehr als ihre Westkollegen verdienten. Schließlich liege ein Grund für die Probleme im Gesundheitswesen auch im intransparenten System bei der Honorarverteilung an die Mediziner durch die 23 Kassenärztlichen Vereinigungen. Staatsanwälte ermittelten bundesweit gegen betrügerische Ärzte, die Leistungen abrechnen wollten, ohne sie erbracht zu haben. Der ärztlichen Selbstverwaltung wird vorgeworfen, Mauscheleien nie ernst genommen zu haben.

In Deutschlands Gesundheitswesen bahnt sich ein Desaster an. Ärzte haben ihr Budget für dieses Jahr ausgeschöpft, den Patienten werden Arzneimittel oder ärztliche Hilfe verweigert, die Mediziner greifen zu drastischen Sparmaßnahmen. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet in seiner neuesten Ausgabe vom 27. November über den Umgang der Ärzte mit dem Budget.

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