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Deutschsprachige Ausgabe des Europäischen Arzneibuches: 100. Redaktionskonferen

Die jüngst in Stuttgart abgehaltene 100. Redaktionskonferenz für die deutschsprachige Ausgabe des Europäischen Arzneibuches gibt Anlass, auch aus österreichischer Sicht auf Geschichte, Aufgabe und Leistung dieser Institution einzugehen.

Die Redaktionskonferenz für die deutschsprachige Ausgabe des Europäischen Arzneibuches ist eine Einrichtung der Arzneibuchbehörden der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und Österreichs. Das Redaktionskollegium tritt dabei jeweils in einem dieser drei Staaten bei der zuständigen Arzneibuchbehörde oder beim Deutschen Apotheker Verlag in Stuttgart oder aber an Universitäten mit pharmazeutischem Lehrstuhl zusammen.

Zur Vorgeschichte ist zunächst anzuführen, dass 1964 das Übereinkommen über die Ausarbeitung eines Europäischen Arzneibuches von den Regierungen der folgenden Staaten unterzeichnet worden ist: Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Luxemburg, Niederlande und Schweiz. Als dann zu Beginn der 70er-Jahre Band 1 der ersten Ausgabe der Pharmacopoea Europaea in englischer und französischer Sprache, den Amtssprachen des Europarates, in Straßburg herausgegeben wurde und in den Vertragsstaaten alsbald auch in Kraft zu setzen war, hatten die zuständigen Behörden der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz vernünftigerweise bereits vereinbart, bei der Übersetzung in die deutsche Sprache gemeinsam vorzugehen, um bei ihren amtlichen Ausgaben so weit wie möglich zu einem für beide Staaten brauchbaren, einheitlichen Text zu gelangen. Die Gewähr dafür sollten regelmäßig stattfindende Redaktionskonferenzen geben.

Die erste Redaktionskonferenz

Die erste Redaktionskonferenz für die deutschsprachige Ausgabe des Europäischen Arzneibuches tagte am 25. Oktober 1971, die ersten Behördenvertreter waren Dr. E. Boll (Professor und Direktor am Bundesgesundheitsamt, Berlin) und Dr. L. Anker (Leiter des Eidgenössischen Pharmakopöelaboratoriums, Bern). Anzumerken ist, dass sowohl Dr. Boll als auch Dr. Anker seit der Kommissionsgründung Mitglieder der Europäischen Arzneibuchkommission und in verschiedenen Expertengruppen der Kommission tätig gewesen waren. Nun übernahmen sie gegenüber ihren Arzneibuchbehörden auch die Verantwortung für eine fachlich korrekte Übersetzung.

Der Dritte im Bunde

1978 trat Österreich dem Übereinkommen über die Ausarbeitung eines Europäischen Arzneibuches bei, und es war naheliegend, dass es sich auch der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz bestehenden Vereinbarung über die gemeinsame Erarbeitung einer deutschsprachigen Ausgabe anschloss. Schon 1976 war daher vom österreichischen Gesundheitsministerium der damalige Leiter des Laboratoriums der österreichischen Arzneibuchkommission, Univ. Doz. Dr. Dr. Erich Soos, beauftragt worden, an den Redaktionskonferenzen teilzunehmen. Obgleich bei der damals noch bestehenden Bundesanstalt für chemische und pharmazeutische Untersuchungen errichtet, unterstand dieses Laboratorium direkt dem zuständigen Bundesministerium. 1977 erhielt Dr. E. Schlederer, zu jener Zeit Oberrat an der genannten Bundesanstalt, vom Gesundheitsministerium den Auftrag, Österreich sowohl bei den Sitzungen der Europäischen Arzneibuchkommission als auch bei den Redaktionskonferenzen zu vertreten. Als Österreich 1978 das Übereinkommen über die Ausarbeitung eines Europäischen Arzneibuches unterzeichnete, hatte sich das Laboratorium der österreichischen Arzneibuchkommission schon fast zwei Jahre lang an der Übersetzungsarbeit beteiligt.

Männer der ersten Stunde

Das Redaktionskollegium bestand 1978 aus

  • Dr. L. Anker, Chef der Sektion Pharmakopöe beim Bundesamt für Gesundheit, Bern,
  • Univ. Prof. Dr. H. Auterhoff, Ordinarius für pharmazeutische Chemie in Tübingen, als Vertreter der Hochschullehrer,
  • Dr. E. Boll, Prof. und Direktor am Bundesgesundheitsamt, Berlin,
  • Dr. E. Schlederer, Oberrat, Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz, Wien,
  • Dr. U. Schlottmann, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit, Bonn, als Vorsitzender,
  • Dr. Dr. P. J. Schorn, Wissenschaftlicher Oberrat im Technischen Sekretariat der Europäischen Arzneibuchkommission, Straßburg, sowie
  • als Vertreter des Verlages Dr.H. Hornung und G. Schubbert, Stuttgart.

Im Verlauf der Jahre kamen und gingen versierte Mitarbeiter wie Univ. Prof. Dr. W. Hennessen, Dr.K. Pfleger und Dr. N. Norwig; Dr. H. Hornung schied aus, an seine Stelle trat Dr. W. Wessinger, den viel zu früh ein tragischer Tod während einer Bergtour ereilte.

Professor Auterhoff verstarb an einem Krebsleiden, Univ. Prof. Dr. H. J. Roth, Ordinarius für pharmazeutische Chemie, übernahm nun die Vertretung der Hochschullehrer. In das Redaktionskollegium wurden im Lauf der Jahre aufgenommen:

  • Dr. E. Gienapp, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Berlin,
  • Dr. E. Schläfli, Bundesgesundheitsamt, Bern,
  • Dr. M. Schwanig, Professor und Direktor am Paul-Ehrlich-Institut, Langen, sowie zuletzt
  • alternierend die Österreicher Mag. Trenker und Ing. Steinhäusler vom Bundesinstitut für Arzneimittel, Wien.

Das Arzneibuch-Lektorat des Deutschen Apotheker Verlages wird heute von der Pharmazeutin N. Banerjea geführt.

Aus der Arbeit der Reaktion

Schon früh zeigte sich, dass es in den Redaktionskonferenzen nicht nur um die Gewähr einer fachgerechten, fehlerlosen Übersetzung geht. Probleme werden auch durch unterschiedliche Texte bei der englischen und französischen Fassung sowie durch Unklarheiten und unrichtige Angaben verursacht.

Rücksprachen mit dem Sekretariat der Europäischen Arzneibuchkommission sind oft unerlässlich und führen nicht selten zu Richtigstellungen bzw. Revisionen der Originalausgaben. Auch ist gelegentlich festzustellen, dass die heitere Äußerung, wonach sich Deutsche, Schweizer und Österreicher durch nichts so sehr unterscheiden wie durch ihre gemeinsame Sprache, ein beträchtliches Körnchen Wahrheit enthält. Regional bedingte unterschiedliche Ausdrucksweisen und sprachliche Gepflogenheiten, gelegentlich auch geteilte Auffassungen, wurden jedoch immer durch Umgänglichkeit und Entgegenkommen aller Konferenzteilnehmer ausgeglichen. Die Zusammenarbeit der drei deutschsprachigen Staaten hat sich jedenfalls bewährt und zur Gewähr der gebotenen Arzneimittelsicherheit beigetragen.

Österreichs Mitarbeit

Was nun die Mitarbeit Österreichs an der Erstellung der deutschsprachigen Ausgabe des Europäischen Arzneibuches anlangt, ist noch einiges zu erwähnen. 1979 ist Dr. K. Pfleger mit der Leitung des Laboratoriums der österreichischen Arzneibuchkommission, Wien, betraut worden. Ab diesem Zeitpunkt - auch als er bereits zum Direktor der Bundesanstalt für chemische und pharmazeutische Untersuchungen bestellt worden war - hat er über Auftrag des Gesundheitsressorts kontinuierlich an der Übersetzungsarbeit und an allen Redaktionskonferenzen teilgenommen. Mit Dr. E. Schlederer, Dr. K. Pfleger und den Mitarbeitern des Laboratoriums der Arzneibuchkommission konnte Österreichs Arzneibuchbehörde einen erheblichen Beitrag zur Erarbeitung einer völlig textgleichen deutschsprachigen Ausgabe des Europäischen Arzneibuches leisten.

Umstrukturierung in Wien

1998 wurden in Wien drei bundesstaatliche Untersuchungsanstalten, darunter auch die Bundesanstalt für chemische und pharmazeutische Untersuchungen, als solche aufgelöst und in neuer Organisationsform zu einem Bundesinstitut für Arzneimittel zusammengeführt. Die Direktoren der drei Anstalten - zwei Mediziner, ein pharmazeutischer Chemiker - wurden ihrer Funktionen enthoben.

Mit der Gründung des neuen Institutes trat auch im Arzneibuchbereich insofern eine Veränderung ein, als trotz der gesetzlich verankerten Eigenständigkeit des Laboratoriums der Arzneibuchkommission dessen Personal und Ausstattung sang- und klanglos im Pool des neuen Institutes aufgingen. Das Laboratorium besteht nicht mehr. Dem bisherigen Leiter Hofrat Dr. K. Pfleger wurde darüber hinaus untersagt, weiter an den Redaktionskonferenzen teilzunehmen. Es soll daher wenigstens an dieser Stelle Herrn Dr. K. Pfleger für seine Leistungen bei der Übersetzung und während der Redaktionskonferenzen Dank gesagt werden.

Missachtung des Arzneibuches?

Mit der Gründung des Bundesinstitutes für Arzneimittel trat auch ein neues Phänomen auf, eine Nova, die Bestellung einer Soziologin (!) als Leiterin eines Arzneimittelkontrollinstitutes. In offenbarer Unkenntnis der Sachlage und der fachlichen Gegebenheiten bemüht sich nun die fachfremde Leitung, die Mitarbeit des Institutes an der Übersetzung und die Teilnahme von Vertretern des Institutes an den Redaktionskonferenzen aus ihrem Aufgabenbereich zu eliminieren. Noch ist ihr das nicht gelungen. Die damit bewusst oder unbeabsichtigt zum Ausdruck gebrachte Missachtung einer so bedeutsamen Institution, wie sie das Arzneibuch darstellt, wird kaum zu einem guten Ruf des neuen Institutes beitragen, aber auch dem Ansehen Österreichs - zumindest im deutschsprachigen Raum - nicht gerade nützlich sein. Es wäre daher ratsam, im Interesse aller Beteiligten eine rasche Klärung herbeizuführen.

Feierstunde

Anlässlich der 100. Redaktionskonferenz kamen am Vorabend ehemalige und aktive Mitglieder des Redaktionskollegiums zu einer Feierstunde zusammen, an der im Hinblick auf die Bedeutung dieser Einrichtung unter anderem auch Dr. Schnädelbach (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Berlin), Dr. G. Schorn (Bundesministerium für Gesundheit, Bonn) und Frau Weber-Brunner (Bundesgesundheitsamt, Bern) teilnahmen. Aus Österreich traf ein Glückwunschtelegramm des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen ein. Die anwesenden Behördenvertreter würdigten in anerkennenden Worten die Leistung der Mitglieder der Redaktionskonferenz.

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